Einblicke in das NOC der Telekom

Netz unter Kontrolle

28. April 2025, 13:00 Uhr | Diana Künstler
© Deutsche Telekom

Wie wird ein Netz sicher, stabil und zukunftsfähig betrieben – rund um die Uhr? Ein Blick ins Network Operations Center der Deutschen Telekom zeigt, wie Mensch, Maschine und KI zusammenwirken, um Millionen Verbindungen in Echtzeit zu sichern. Einblicke aus dem digitalen Maschinenraum.

Hans-Peter Diewald, Deutsche Telekom
Hans-Peter Diewald, Head of Network Operations Center: „Wir haben keine Testumgebung, die das Live-Netz vollständig simuliert – also bauen wir Prozesse, die auch unter Stress stabil bleiben.“
© Deutsche Telekom

In einem unscheinbaren Gebäude in Bonn schlägt das Herz der Telekommunikationsinfrastruktur Deutschlands. Das Network Operations Center (NOC) der Deutschen Telekom Technik überwacht rund um die Uhr die Netze für Festnetz, Mobilfunk und MagentaTV – und ist damit zentrale Schaltstelle für das Netz der Telekom. „Wir sehen alles, was vor dem Kunden liegt“, sagt Hans-Peter Diewald, Head of Network Operations Center. Ob Störungen, Software-Updates, Kundenanfragen oder Großereignisse: Hier laufen alle Fäden zusammen – in zunehmend automatisierten Prozessen.

Kritische Änderungen erfolgen in einem speziellen nächtlichen Wartungsfenster. Diese Phase wird durch robuste, automatisierte Abläufe abgesichert. Über eine Million Changes pro Jahr – von Konfigurationsänderungen bis hin zu Hardware-Tausch – machen deutlich, wie agil moderne Telekommunikation heute reagieren muss. „Jeder Change wird bewertet, vorbereitet und mit einem Rollback-Szenario ausgestattet – nur dann darf er ins Netz“, so Diewald.

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Krisen, Korrelationen und Kontrolle

Ein Highlight der Besichtigung ist die Netzstatus-Wand: 44 Displays zeigen Metriken wie Traffic-Volumina, DNS-Anfragen oder Anomalien. Echtzeitdaten von allestörungen.de oder Google Trends fließen ebenfalls ein. Doch Diewald erklärt: „Diese Wand ist seit langer Zeit obsolet.“ Früher wurden Auffälligkeiten visuell erkannt – heute übernehmen lernende Algorithmen die Detektion. Metriken sind von Hüllkurven umgeben, die Feiertage, Wochentage und Nutzungsmuster mitdenken. Das System alarmiert automatisch bei Grenzwertüberschreitungen. Ein Beispiel: In der Nacht fiel ein Gateway im Raum Düsseldorf aus, die Redundanz griff nicht – Mobilfunk war 20 Minuten gestört. Ursache lokalisiert, rückgeschwenkt. Dennoch ein Vorfall, der die Bedeutung reibungsloser Mensch-Maschine-Prozesse zeigt.

Automatisierung, KI und menschliche Expertise

Myriam Dörffel, Deutsche Telekom
Myriam Dörffel, Tribe Head Technical Service Owner Voice: „Unsere KI ist kein Orakel – aber ein wertvoller Sparringspartner.“
© Deutsche Telekom

Nächtliche Abläufe sind weitgehend automatisiert, Rufbereitschaften greifen nur bei Anomalien. Möglich macht das ein über Jahre entwickeltes, regelbasiertes System, ergänzt durch KI-Module. Besonders bei unstrukturierten Informationen – etwa Beschwerdeverläufen – entfaltet KI ihr Potenzial. „Sie hilft uns, Zusammenhänge zu erkennen, die wir sonst übersehen könnten“, so Diewald. Gleichzeitig gilt: Für klassische Störungen wie Stromausfälle ist KI überflüssig. Hier genügt Regelwissen. Myriam Dörffel, Tribe Head Technical Service Owner Voice, betont die langfristige Perspektive: „Wir haben eine Handvoll Kolleg*innen, die jederzeit einsatzbereit sind – unsere Spezialisten für Notfälle.“ Zugleich werden neue Services so gestaltet, dass sie sich effizient überwachen und warten lassen. Monitoring wird bereits beim Design mitgedacht.

Myriam Dörffel: „Wir wollen kritische Störungen schnellstmöglich erkennen und beheben diese meist in unter einer Stunde – das geht nur mit eingespielten Teams.“

Doch AI ist ein Werkzeug, kein Ersatz. Diewald warnt vor zuviel Euphorie: „Es wird viel Halbwissen glorifiziert.“ Die natürliche Sprache sei oft zu ungenau, um technische Probleme exakt zu beschreiben. Deshalb arbeitet die Telekom mit einem abgestuften Modell: Ein internes Sprachmodell (zum Beispiel basierend auf LLaMA) analysiert Beschwerden vor, isoliert vom Internet. Dann folgt die Einschätzung durch Fachkräfte. Trefferquote: zurzeit noch 50 Prozent. Dennoch bietet KI enormes Potenzial bei Predictive Maintenance, Ticket-Routing oder Datenstrukturierung – sofern sie als Werkzeug verstanden wird.

Cyberbedrohungen und Krisenfestigkeit

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind DDoS-Attacken deutlich angestiegen, auch bei der Telekom. Technisch ist die Telekom vorbereitet: verteilte Standorte, abgetrennte Steuerungssysteme, gezieltes Blocken von IP-Adressen, um Kunden und Netz zu schützen. Wichtig sei, so Diewald, dass Kundendaten nicht durch eine einzige Schnittstelle laufen – das Netz ist redundant über zwölf Standorte verteilt. Zudem arbeitet das NOC eng mit dem Security Operations Center (SOC) zusammen, das auch externe Kunden schützt.

Auch intern steht Resilienz im Fokus. Diewald: „Der gefährlichste Angriff ist der von innen“. Gemeint ist nicht nur Sabotage, sondern auch Know-how-Verlust durch demotivierte Fachkräfte. Deshalb investiert das NOC in Weiterbildung, flexible Modelle und Teamkultur. Denn der Arbeitsmarkt hat sich verändert: „Früher wollten alle in den Schichtdienst, heute lehnen viele schon Wochenendarbeit ab“, berichtet Diewald. Die Deutsche Telekom hat darauf reagiert: Automatisierung ist dabei der Schlüssel zur Handhabbarkeit. Besonders nachts greifen vollautomatisierte Systeme ein – bei kleineren Störungen ruft niemand mehr einen Techniker. Stattdessen analysieren KI-gestützte Systeme Anomalien und leiten Reparaturen ein. „Im Festnetz ist nachts niemand mehr physisch im NOC“, erklärt Diewald. Nur wenn die Systeme überfordert sind, wird die Rufbereitschaft alarmiert – ein Modell, das nicht nur Kosten spart, sondern auch den Anforderungen einer neuen Generation von IT-Fachkräften gerecht wird. Die Deutsche Telekom setzt zudem bei Neueinstellungen auf Entwickler*innen mit Automatisierungsskills. Reine Netzüberwachung genügt nicht mehr. Wer heute im NOC arbeitet, muss Prozesse verbessern und eigene Softwarelösungen mitentwickeln können.

Eigenentwicklung statt Outsourcing

Im internationalen Vergleich setzt die Telekom konsequent auf Inhouse-Kompetenz. „Externe brauchen Wochen, bis sie unser Netz verstehen – wir lösen das innerhalb eines Tages“, sagt Diewald. Besonders im Incident Management sei Geschwindigkeit entscheidend. Bei Ausfällen programmieren seine Teams binnen Stunden ein „Pflaster“, das für eine kurze Zeitspanne Abhilfe schafft. Das Problem wird anschließend systematisch bearbeitet. Monitoring, Automatisierung und Fehlerdiagnose bleiben bewusst intern. Wir arbeiten mit vielen Herstellern partnerschaftlich zusammen – aber die Verantwortung bleibt im Haus. Denn: „Wir wollen wissen, was passiert – und wer es tut“, so Diewald.

Auf Nachfrage, welche Auswirkungen die Einführung von 5G mit sich gebracht habe, lautet die Antwort: Die Einführung verändere den Betrieb nicht grundsätzlich, aber sie erfordere mehr Know-how. „Die Fälle sind komplexer geworden“, erklärt der Head of NOC. Netzslicing, IoT-Spezifikationen und Cloudifizierung bringen zusätzliche Parameter ins Spiel, die überwacht und interpretiert werden müssen. Die Systeme sammeln bei Anomalien inzwischen automatisiert relevante Kontextdaten, um den Experten einen vollständigen Überblick zu verschaffen. Trotzdem, so betont Diewald, brauche es weiterhin Menschen – aber mit tieferer Expertise: Gleichzeitig fließen neue Monitoring-Elemente heute bereits im Rahmen eines DevOps-Ansatzes beim Service-Design ein – ein Paradigmenwechsel, den die Telekom konsequent mitgestaltet. „Wir versuchen Systeme so zu denken, dass sie den Menschen bei der Arbeit so gut wie möglich unterstützen – und das beginnt bereits beim Hersteller“, ergänzt Dörffel.

Netzbetrieb mit Weitblick

Netzbetrieb ist ein Spagat aus Automatisierung, Sicherheit, Innovation und Personalführung. Die Telekom investiert in Eigenentwicklung, um agil, resilient und kundennah zu bleiben. Und sie zeigt, dass hinter dem digitalen Rückgrat der Gesellschaft echte Menschen stehen – gut ausgebildet, motiviert und rund um die Uhr wachsam.

Ein Blick in die Zukunft zeigt: Auch Software muss altern dürfen. Viele Automatisierungsmodule sind über zehn Jahre alt. Aktuell werden sie neu geschrieben – cloudfähig, containerisiert, wartungsfreundlich. „Das ist eine stille Investition“, merkt Diewald an. Aber eine, die nur gelingt, wenn Know-how intern bleibt – und Strukturen geschaffen werden, die auch in fünf oder zehn Jahren noch tragfähig sind.


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