5. März 2012, 7:00 Uhr |
Jeanne Morain/wg, Director of Strategic Alliances bei Flexera.
Einst für statische, eng miteinander verbundene Applikationen, Betriebssysteme und Hardware entwickelte Lizenzmodelle stellen Softwarehersteller vor die Herausforderung, die geforderte Compliance durchzusetzen. Denn oft sind hier die Anwendungen an eine einzelne Instanz oder Installation gebunden, beispielsweise an die CPU oder das Endgerät. Unternehmen, die ihre Desktops virtualisieren oder auf Cloud-Strategien setzen, sollten ihre aktuellen Lizenzmodelle genau unter die Lupe nehmen und die Grenzen dieser Modelle kennen.
Ein Lizenzierungsmodell für den Virtualisierungstrend zu entwickeln, war keine triviale Aufgabe. Unternehmen verschieben Anwendungen zunehmend in virtuelle Umgebungen, ohne die Auswirkungen auf die Lizenzierung zu verstehen. Oft werden die Lizenzen und Verträge nicht von Administratoren beschafft, die diese Lizenzen tatsächlich einsetzen. In der ersten Phase war diese Entwicklung nicht so einschneidend, da viele Administratoren ihre physischen Maschinen einfach 1:1 auf virtuelle Systeme umstellten. Die größte Herausforderung lag dabei in der Kapazität der Server. Mit der Nutzung größerer Systeme, die mehrere virtuelle Maschinen anstelle der physischen Maschinen hosten konnten, wurde die Abrechnung der CPU-Nutzung zu einem wichtigen Thema. Wenn die physische Maschine ursprünglich auf einem System mit zwei CPUs beruhte und dann auf eine Maschine mit acht CPUs umgestellt wird, die sechs zusätzliche virtuelle Maschinen (VMs) aufnimmt, wie viel soll der Kunde dafür zahlen?
Einige Softwarehersteller lassen mittlerweile die Lizenzierung auf einer VM zu, aber wie sie lizenzieren und was sie lizenzieren, war erst an die neue Technik und die damit verbundenen Implementierungsverfahren anzupassen. Auf der Server-Seite erfolgte die Umstellung von CPU-basierten auf eher nutzungsbasierte Modelle. Werkzeuge zur Kapazitätsplanung, die eine Rückverrechnung ermöglichen und für Transparenz sorgen (Chargeback/Showback), gewannen nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die unterstützenden Softwarehersteller an Bedeutung.
Softwarehäuser trafen mit Unternehmen einige informelle Vereinbarungen, damit diese ihre vorhandenen Lizenzen in der neuen Umgebung weiter nutzen konnten, ohne gravierende Veränderungen bei den Kosten auf der einen Seite und bei den Einnahmen auf der anderen Seite zu erzeugen. Wichtig war, dass Softwarehersteller ihre Modelle relativ problemlos mit den vorhandenen geeigneten Werkzeugen abstimmen oder ausbauen konnten.
Umstellung auf die Cloud
Je deutlicher Unternehmen das Einsparpotenzial bei der Hardware – und im gewissen Maße auch bei der Software – erkannten, umso stärker setzten sie sich mit ande-ren verfügbaren Virtualisierungsmodellen auseinander. Jetzt konnten auch kleine und mittelständische Kunden bestimmte Lizenzen mit neuen Hosting-Modellen und -Services nutzen, beispielsweise mit IaaS (Infrastructure as a Service). Viele Softwarehersteller sahen in dieser schönen, neuen Welt eine gute Möglichkeit, mit ihren Entwicklungen neue Märkte zu erschließen. Als die neue Technik mit Automatisierungsprozessen kombiniert wurde, trat eine Reihe neuer Lizenzierungsprobleme auf:
Lizenzierung für bewegliche VMs: IT-Organisationen migrieren virtuelle Maschinen häufig an neue Standorte, auf andere Geräte oder in andere Netzwerke. Das gilt für Desktops und Rechenzentren gleichermaßen. Die automatische Erstellung, Verschiebung und Verlagerung der Prozesse erschwerte es nun den Discovery-Tools, auf dem Laufenden zu bleiben und die Nutzung oder Zuordnung genau zurückzumelden.
Permanente vs. nicht permanente virtuelle Umgebungen: Viele Kunden erkannten, dass sie mit nicht permanenten Implementierungen (ein einzelnes Image wird nach Bedarf skaliert) größere Skaleneffekte und Kosteneinsparungen erzielen können. Für Softwarehersteller stellte sich damit aber die Frage, was genau nachverfolgt werden muss: Wie weist man eine Installation nach, wenn die virtuelle Maschine wieder gelöscht ist? Und noch wichtiger: In einer dynamischen, nicht permanenten Umgebung sind Kunden nicht bereit, für jede Installation zu zahlen.
Verlagerung von der Maschine auf Benutzer und Anwendung: Gleichzeitig entwickelte sich der Trend, Anwendungen in mehreren Netzen, auf mehreren Geräten und an mehreren Standorten zu nutzen. Viele Hersteller änderten ihre Modelle, als sie die möglichen Auswirkungen auf ihre maschinenbasierten Erlöse erkannten: Sie rechneten nicht mehr pro Installation, sondern pro Zugriff ab.
Verlagerung des eigenen RZs in die Cloud: Viele Unternehmen stellten auf ein Cloud-basiertes Hosting um, um die Kosten von Testläufen zu reduzieren und Produktionsressourcen einzusparen, die nur für Spitzenzeiten notwendig waren. Durch Kombination der Self-Service-Automation mit der automatischen Virtualisierung konnten Anwender und Softwarehersteller gleichermaßen ein dynamisches System aufbauen, um Anwendungen und Daten über mehrere Netzwerke, Maschinen und User zu nutzen.
Lizenzchaos
Kunden erwarten von den Softwareherstellern, dass diese die Problematik rund um die Lizenzierung ihrer Anwendungen in der Cloud zufriedenstellend lösen. Als direkte Reaktion hat die Distributed Management Task Force (DMTF) ein Konsortium aus führenden Unternehmen der Branche gebildet, um einen Standard für das Lizenz-Management zu schaffen. Mitglieder dieses Konsortiums sind Microsoft, VMware, Citrix, Symantec, Flexera und andere. Der Entwurf steht zur Prüfung und Kommentierung unter www.dmtf.org zur Verfügung.
In der Zwischenzeit loten viele Softwarehersteller neue Lizenz- und Nutzungsmodelle aus, um die Anforderungen ihrer Kunden zu erfüllen und neue Märkte zu erschließen. Einige dieser neuen Modelle werden nachfolgend kurz vorgestellt:
Service Provider License Agreement (SPLA): Das derzeit gängigste Lizenzierungsmodell in der Cloud setzt voraus, dass Kunden einen separaten Service-Provider-Lizenzvertrag erwerben, um ihre Produkte in der Hosting-Umgebung eines Dritten nutzen zu können, oder um einen erweiterten Service anbieten zu können, wie beispielsweise E-Mail-Hosting.
Bring Your Own License: Dieses Modell sieht die Möglichkeit zur Migration eines derzeit lizenzierten Produkts in die Cloud eines Dritten für Test-, Entwicklungs- und Produktionszwecke vor. Hierfür wird ein „Uplift“-Entgelt an den Provider fällig, ohne dass die Lizenz neu zu erwerben ist. Um die Auswirkung dieses neuen Modells zu testen, bieten viele größere Hersteller allerdings nur einige ihrer Produkte auf diese Weise an. Anwender sind gut beraten, ihre Lizenzverträge zu prüfen oder den jeweiligen Softwarehersteller zu fragen, was möglich ist.
Burst of Use: Dieses Modell umfasst die Möglichkeit, zusätzliche Services für statische Anwendungen anzubieten, die mehr Leistung benötigen. Eine Devops-Implementierung würde es beispielsweise dem QA-Test-Engineer ermöglichen, Skripte zu erstellen und Tests 1:1 auf dem physischen oder virtuellen System innerhalb der Firewall-Grenzen durchzuführen. Bei Bedarf könnte er den automatischen Test in die Cloud eines externen Anbieters auslagern.
Client Access License (CAL): Unter CAL versteht man die zusätzliche Gebühr einer zugriffsbasierten Abrechnung für virtualisierte Desktops oder Anwendungen, die auf dem Server gehostet werden. Dieses Modell ist allerdings nicht sehr beliebt, da seine Umsetzung komplex und die Kosten hoch sind.
Subscription (Abonnement): Die auf dem Subscription-Modell basierte Lizenzierung ist in stark regulierten Branchen sehr populär, beispielsweise im Gesundheitswesen. So genannte Cloud-Service-Broker entwickeln hier Dienste, die sich zu einer Monatsmiete über eine bestimmte Laufzeit (im Mittel drei Jahre) mit einem Uplift-Entgelt auf die Lizenzen und Services des Cloud-Anbieters beziehen lassen. Aus Kundensicht bringt dies deutliche Vorteile.
Pay per Use (Zahlung pro Nutzung): Viele Softwarehersteller entwickeln Services für ihre Produkte, um Pay-per-Use-Modelle (von Amazon-Chef Jeff Bezos auch “Pay by the Drink” genannt) zu ermöglichen. Zwar sind diese Modelle noch recht neu, doch die Unternehmen fragen sie recht häufig nach. Sie wollen die Anwendungslizenz für eine Stunde, einen Tag, eine Woche, ein Projekt oder einen Minutenpool „mieten“ und nach Nutzung bezahlen können. Die Softwarehersteller suchen derzeit nach Möglichkeiten, solche Modelle zu implementieren, damit sich der Aufwand für sie rechnet.
Lizenzierung als Service
Die Softwarehersteller konnten große Lizenzierungsprobleme wie schmelzende Erlöse oder Softwarepiraterie mit entsprechenden Innovationen abfedern. Dies umfasst die Nachverfolgung, die Zuordnung und die Analyse von Rechten sowie die entsprechende Konformitätsprüfung in virtuellen Umgebungen (Maschinen, Anwendungen, Benutzer und Clouds). Mehr als je zuvor verlangt die Entstehung neuer Modelle, neuer Umgebungen und innovativer Tracking-Konzepte beim Lizenz-Management ein gewisses Maß an Automation während des gesamten Lebenszyklus sowie zwischen Benutzer und Hersteller. Dies ist nicht nur wegen der Einführung neuer Technik und der höheren Mobilität notwendig, sondern auch wegen der zusätzlichen geschäftlichen Risiken. Das erfordert für multinationale Unternehmen gut durchdachte Prozesse, die sich nicht auf die Konfektionierung und Preiskalkulation beschränken, sondern auch aufsichtsrechtliche Bestimmungen berücksichtigen.
"Lizenzierung als Service" bedeutet, dass die Lizenz-Management-Software als Broker (Vermittler) zwischen verschiedenen Cloud-Services fungieren muss. Bild: Flexera