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» Ich glaube nicht, dass Netzwerkprodukte Commodity werden«

» Ich glaube nicht, dass Netzwerkprodukte Commodity werden«. John McHugh, Vice President and General Manager, Pro Curve Networking, HP, ist einer der Führungskräfte, die im Netzwerkmarkt am längsten eine gewichtige Rolle spielen. Neben Cisco-Präsident John Chambers und dem kürzlich abgetretenen 3Com-Chef Bruce Claflin, ist McHugh eine der Personen, die Trends setzen und Märkte machen. CRN-Redakteur Peter Marwan sprach mit ihm über das, was Handel und Unternehmen in den kommenden Jahren erwartet.

Autor:Redaktion connect-professional • 15.3.2006 • ca. 4:10 Min

» Ich glaube nicht, dass Netzwerkprodukte Commodity werden«

CRN: Sie sind nun bereits 24 Jahre in der Branche. Da kommt einiges an Erfahrung zusammen. Wie überlebt ein Unternehmen ? und ein Manager ? so lange in diesem sich rasch ändernden Markt?

McHugh: Einen Teil dieser 24 Jahre in der IT habe ich damit verbracht, sowohl das Verhalten der in der Branche agierenden Firmen als auch der Kunden zu beobachten und wie sie die Botschaften der Industrie aufnehmen. Denn es ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Geschäftsmodells, dass wir künftige Trends vorhersehen können. All die als hervorragend bezeichneten Marktchancen, die von technologieverliebten Entwicklern und unseren Mitbewerbern zum Thema gemacht werden, mit der selben Gründlichkeit und Intensität zu prüfen, wie etwas, dass eines Tages einmal weit verbreitet sein wird, ist unmöglich. Das wäre so, als ginge man ins Casino und würde am Roulette-Tisch auf alle Zahlen gleichzeitig setzen. Der einzige Weg für uns, erfolgreich zu sein und uns vom Mitbewerb abzuheben ist, dass wir bereits vorab wissen, welche Zahlen gewinnen werden, und dass wir dann auch nur auf diese Zahlen setzen.

CRN: Was sind denn ? wenn Sie zurückblicken ? die wichtigsten Trends, die Sie rechtzeitig vorhergesehen haben?

McHugh: Fangen wir mal ganz von vorne an: Den Wechsel von Koaxialkabeln zu 10-Base T und den Hubs haben wir rechtzeitig gesehen. Dass Drucker sich weg- entwickeln von direkt an bestimmte Clients oder Server angebundenen, hin zu irgendwo in einem komplett verbundenen Netzwerk angebrachten Geräten, sahen wir auch rechtzeitig. Dass sich ATM bis zum Desktop nicht durchsetzen wird und dass Token Ring verschwindet, war für uns kein Problem. Dabei lernten wir übrigens viel über die Beständigkeit von Infrastruktur: Token Ring war schon zehn Jahre tot, bevor es dann verschwand. Proprietäre D-LANs, 100 Megabit oder Gigabit ? auch bei diesen Themen haben wir rechtzeitig auf das richtige Pferd gesetzt. Und dass Layer 3, oder vielleicht sollte ich besser Advanced Technology dazu sagen, in der Fläche installiert wird, erkannten wir schon vor einigen Jahren.

CRN: Sie erwähnten die Beständigkeit von Infrastruktur. Wo sehen Sie heute Relikte aus alten Zeiten, die weiter genutzt und so schnell nicht verschwinden werden?

McHugh: Ich erlebe jetzt das siebte Jahr, in dem mir gesagt wird, dass VoIP die herkömmliche Sprachtechnologie komplett überrollen wird ? und es ist immer noch nicht der Fall. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass der Ablösungsprozess noch 15 bis 20 Jahre dauert. Die Infrastruktur der Netze ist ein dominierendes, grundlegendes Element der gesamten Unternehmens-IT, nicht lediglich ein Teilbereich der gesamten IT-Infrastruktur. Die Infrastruktur der Netze muss funktionieren und alle Kommunikationstypen gleichzeitig unterstützen. Das setzt ein Unternehmen nicht so ohne weiteres aufs Spiel.

CRN: In Deutschland wird ? nicht zuletzt durch die Konsolidierung bei Value Added Distributoren im Netzwerkbereich ? häufig von einer starken Commodisierung der Netzwerkprodukte gesprochen.

McHugh: Ich glaube nicht daran. Wir waren ein paar Mal versucht, dieser Annahme zu folgen. Mitte der 90er Jahre nahmen wir an, dass Netzwerkprodukte Commodity werden und schlugen diesen Weg ein ? kehrten aber rasch auf unsere alte Linie zurück. Trotzdem hat uns dieser Ausrutscher ziemlich geschadet. Es war einfach nicht wahr.

CRN: Sie haben eine ganze Liste von Trends aufgezählt, die HP rechtzeitig erkannt und erfolgreich umgesetzt hat. Welche haben Sie denn verpasst?

McHugh: Einen Trend, den wir verpasst haben ? was uns übrigens sehr weh getan hat ? war Switching. Offen gesagt: Wir waren so mit 100-Mb-Hubs beschäftigt, dass wir diesen entscheidenden Umbruch einfach übersehen haben. Auch die Möglichkeiten von Power over Ethernet haben wir zu spät erkannt.

CRN: Wie stehen Sie zu dem Wettbewerb aus den asiatischen Boom-Ländern, insbesondere Indien und China?

McHugh: Die Löhne in Indien und China explodieren. Bei genauerem Hinsehen unterscheidet sich der Lebensstandard in den industrialisierten Regionen Indiens vom westlichen Durchschnitt gar nicht mehr so sehr. Und China ist nicht weit zurück. Die Entwicklungen in Indien und China sind denen im Silicon Valley vor 2000 sehr ähnlich: hohe Umsätze, stark steigende Löhne, hohe Fluktuation der Mitarbeiter und insgesamt ein schwieriges Klima für die Entwicklung von Technologie auf hohem Niveau durch ständige Umwälzungen auf dem Arbeitsmarkt.

CRN: Welcher der derzeit viel gepriesenen Trends wird sich Ihrer Ansicht nach bis 2010 wirklich durchgesetzt haben?

McHugh: Mobilität wird so robust, leistungsfähig und nützlich sein wie sich die Leute das schon seit Jahren wünschen. Auch der Zugang zu drahtlosen Netzen wird 2010 so unkompliziert und dabei sicher sein, wie nötig. Und auch bei der Rechnungsstellung denke ich, dass die Anbieter bis dahin entscheidende Fortschritte gemacht haben und dies weitgehend so problemlos ist wie heute beim Mobiltelefon: Es ist nicht ganz ohne Tücken, es funktioniert nicht wirklich überall und auch die möglichen Dienste sind nicht identisch, doch meistens kann man es überall auf der Welt einfach einschalten und benutzen ? und kann ziemlich sicher sein, dass einem die Rechnung nach Hause geschickt wird.

CRN: Gibt es etwas, das aus ihrer Sicht 2010 zu den landläufig bekannten Tatsachen und Marktgegebenheiten gehören wird, was wir heute noch gar nicht im Blickfeld haben?

McHugh: Ja, da gibt es etwas ganz Entscheidendes: Alle acht bis zehn Jahre gibt es einen Wechsel was die im Netzwerkmarkt führende Firma anbelangt. 1980 kam Netzwerkausrüstung für Unternehmen nahezu zwangsläufig von IBM, vielleicht auch noch ein bisschen von Xerox. Ende der achtziger Jahre beherrschte Cabletron als Lieferant die Netzwerkinfrastrukturen. In den frühen neunziger Jahren war es dann 3Com, 2000 hat Cisco die Nase vorne. Ich bin überzeugt, dass 2010 Cisco ganz stark in die Defensive geraten wird und bei weitem nicht mehr als der klare und deutliche Marktführer anerkannt wird, wie das heute der Fall ist.