»Wir haben der Marke Netware einen Linux-Flavour gegeben«
»Wir haben der Marke Netware einen Linux-Flavour gegeben«: Angekommen ist Novell noch lange nicht. Mit der strategischen Entscheidung für Linux und der Übernahme von Suse vor zweieinhalb Jahren hat das Unternehmen einen langwierigen Transformationsprozess in Gang gesetzt. Mit CRN-Chefredakteur Markus Reuter und CRN-Redakteur Michael Hase sprach Novell-Geschäftsführer Volker Smid über Chancen und Defizite seines Unternehmens. Als Area General Manager Central Europe zeichnet der Manager seit 13 Monaten für das Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich.
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CRN: Seit gut einem Jahr sind Sie bei Novell. Wie hat sich das Unternehmen aus Ihrer Sicht verändert?
Smid: Intern befinden wir uns nach wie vor im Übergang von einem Novell- zu einem Linux-zentrischen Unternehmen. Was die externe Sicht angeht, hat mich überrascht, wie schnell Novell bei Entscheidern als Linux-Company erkannt wurde. Wenn wir oder unsere Partner heute in Kontakt zu einem Unternehmen treten, dann sprechen uns die Entscheidungsträger mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine ausgeprägte Enterprise-Linux- Kompetenz zu.
CRN: Viele Kunden verbinden das Unternehmen nach wie vor mit dem traditionellen Kernprodukt Netware, dem Netzwerkbetriebssystem, das Novell jetzt als Open Enterprise Server vermarktet.
Smid: Die erste entscheidende Veränderung vor einem Jahr bestand darin, dass wir den Open Enterprise Server mit einem Linux- Kernel auf den Markt gebracht haben. Dadurch haben wir der Marke Netware einen Linux- Flavour gegeben. Diesen Flavour gilt es in der Wahrnehmung zu verstärken, und das möglichst noch schneller. Wir müssen besser in den Markt transportieren, dass Netware jetzt die Linux- Kompetenz einschließt.
CRN: Uns fällt es schwer, den Open- Source-Anteil des Novell-Geschäfts zu identifizieren, gerade weil Ihr Server einen Netware- und einen Linux-Kernel einschließt. Wie viel trägt Linux tatsächlich zum Umsatz bei?
Smid: Von den 274 Millionen Dollar, die wir im ersten Quartal 2006 erzielt haben, weisen wir 56 Millionen Dollar als Umsätze mit der Linux-Plattform aus. Davon sind 43 Millionen ehemalige Netware- Erlöse, die wir jetzt als Linux- Geschäft ausweisen. Da wir den Linux-Kernel in die Plattform eingearbeitet haben, rechnen wir Netware-Neuumsätze als Linux-Umsätze und können das auch selbstbewusst tun.
CRN: Sind das aber wirklich schon Linux-Kunden, oder setzen nicht viele Anwender noch den Netware-Kernel ein?
Smid: Beides trifft zu. Es gilt zu erkennen, dass Kunden für die Transformation Zeit benötigen. Es braucht Zeit, sich die erforderlichen Skills anzueignen. Für uns ist entscheidend, dass der Kunde einen neuen Wartungsvertrag akzeptiert. Damit bekommt er Zugriff auf Linux. Er investiert in die Skills seiner Mitarbeiter, und wenn deren Linux-Kompetenz groß genug ist, vollzieht der Kunde die technische Migration.
CRN: Welche Rolle spielen dabei die Channel-Partner?
Smid: Die Transformation findet bei unseren Partnern genauso statt wie bei den Kunden. Wenn wir unseren Kanal nicht effektiv weiterentwickeln, begrenzen wir unseren Erfolg. Immerhin betreuen wir weit mehr als 90 Prozent unserer Kunden über Partner. Deshalb haben wir die Linux- Kompetenz zum wesentlichen Bestandteil einer Ausbildungsoffensive gemacht.
CRN: Wo sehen Sie noch Defizite?
Smid: Wir müssen gegenüber dem Markt und gegenüber unseren Partnern noch wesentlich besser darstellen, was Linux als Bestandteil der Netware-Strategie eigentlich bedeutet. Ich höre viel zu häufig: »Linux ist jetzt Bestandteil von Netware, also ist Netware tot.« Darin sehe ich zunächst unseren Fehler, den wir korrigieren müssen. Wir müssen noch transparenter machen, dass es sich um eine Veredelung von Netware handelt.
CRN: Die Botschaft »Netware ist tot« wird zugleich von Wettbewerbern gezielt verbreitet. Etwa von Microsoft. Ihr Rivale positioniert Windows als ideale Zielplattform für Netware-Kunden, die über eine Migration nachdenken. Wie wappnet sich Novell gegen solche Angriffe?
Smid: Es ist heute gar nicht mehr so einfach, unsere Kunden zum Wechsel auf eine andere Plattform zu bewegen. Gerade dadurch, dass wir Linux als Bestandteil in Netware eingearbeitet haben, haben wir Netware zurück in die Offensive gebracht und viel stabiler im Markt etabliert. Durch den Linux-Kernel bietet unsere Plattform dem Kunden zusätzliche Alternativen. Gerade Unternehmen mit einer ausgeprägten Multi-Plattform- Strategie springen auf dieses Argument an.
CRN: Trifft das auf die Mehrzahl der Kunden zu?
Smid: Da finden Sie das ganze Spektrum. Aber die Zahl der Unternehmen mit einer ausgeprägten Single-Plattform-Strategie geht zurück. Denn Linux wird zunehmend zur validen Alternative, die mit Vorteilen bei den Kosten und mit funktionalen Vorteilen einhergeht. Zudem reift immer mehr die Erkenntnis, dass sich mit Linux ein höheres Innovationstempo verbindet. Durch Open Source werden Innovationen schneller für einen großen Kundenkreis verfügbar. Unternehmen, die ausschließlich auf eine Closed-Source-Strategie setzen, schneiden sich daher vom Innovationspfad ab. Das wird sich in Zukunft noch deutlicher zeigen.