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Ausrangiert

Ausrangiert. Das Leben kann ganz einfach sein. Lässt die Arbeitskraft nach, beginnt die Zeugungsfähigkeit ? und ebenso die Gebärfähigkeit ? zu schwächeln, dann nimmt man Abschied von den Seinen. Der Mensch wendet sich vom Diesseits dem Jenseits zu, meuchelt sich selbst, um nicht den anderen zur Last zu fallen, um Platz zu machen für jene, die im vollen Saft ihrer jugendlichen Kraft stehen.

Autor:Redaktion connect-professional • 7.12.2005 • ca. 1:45 Min

Ausrangiert

Fern von Europa, auf kleinen Inseln mitten im Pazifik, gibt es Menschen, die noch von solchen Urinstinkten geprägt sind. Für sie gehört der Suizid zum Leben. Ist der physiologische Höhepunkt überschritten, schreiten sie zur Tat an sich selbst.

Solche Völker kennen weder den Begriff der Alterspyramide noch der Rentenlücke. Von Vorruhestand oder gar steigenden Gehältern mit fortschreitendem Alter ganz zu schweigen. Sie wachsen auf, gehen dem Ackerbau, der Jagd und der Zeugung des Nachwuchses nach, und scheiden dann aus dem Leben.

Und wir, wir reden von den reichen Alten ? von den armen spricht man nicht gern ? die mit den ersten Herbsttagen ihr Häuschen verlassen, um im sonnigen Süden zu überwintern. Wir sprechen von Menschen, die Jahr für Jahr bei gleicher Tätigkeit ein höheres Gehalt bekommen ? obwohl dieser Automatismus der vergangenen Jahrzehnte längst eine Delle erhalten hat.

Das und noch viel mehr hatte wohl der Günther Oettinger im Kopf, als er sich unlängst in der bayrisch-schwäbischen Provinz als Oberschlaule ? schließlich gilt im Schwabenland als schlau, wer die 40 überschritten hat ? präsentierte. Nun ist Oettinger nicht irgendwer im Musterländle. Vielmehr bekleidet der 52-Jährige das Amt des Ministerpräsidenten.

Also trat der Regierungschef vor versammelte Anhängerschar und forderte ein Umdenken beim Umgang mit Menschen, die über 40 Jahre alt sind. Sagte, weil ab 40 die Leistungsfähigkeit des Menschen langsam abnehme, dass dann gefälligst auch die Entlohnung des in die Jahre gekommenen Arbeitnehmers abzunehmen habe. Mehr noch, ein 60-jähriger Mitarbeiter der IT-Branche sei nicht mehr so innovativ wie ein 30-jähriger Kollege. Was will uns damit der Oberschlaule sagen? Gut, Heinrich von Pierer hat sein Amt als Vorstandsvorsitzender bei Siemens abgegeben. Zwar etwas spät mit immerhin 64 Jahren, aber auch sein Nachfolger hat den leistungsfähigen Zenit bereits überschritten ? wenn denn Oettingers Theorie zutrifft. Denn Klaus Kleinfeld ist 47.

Aber was ist mit jenen Führungskräften, die uns tagtäglich begegnen? Was ist mit Siegbert Wortmann zum Beispiel, der ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel hat? Was ist mit Jürgen Rakow, der ebenso wie Frank Garrelts, Günter Kalina oder Gunnar Grosse, das fünfte Jahrzehnt schon überschritten hat? Auch sie müssten aufstrebende 30-Jährige fürchten, wie der Teufel das Weihwasser.

Oder sollten wir uns lieber fragen, welch ein Teufel ? sicherlich nicht sein Vorgänger Erwin Teufel ? Oettinger bei seiner Äußerung geritten hat? Vielleicht hat er auch an den Trainer seines Lieblingsclubs VfB Stuttgart gedacht, an Giovanni Trappatoni, der bereits 66 ist?