Gekapert
Gekapert: Seit der Mensch die Weltmeere befährt, hat er es mit einem unheimlich unbarmherzigen Gegner zu tun: Piraten.
Legenden und Gräuelgeschichten umgeben jene Gestalten, die in unserer Fantasie mit mindestens einem Holzbein und einem Eisenhaken am Arm für Angst und Schrecken sorgten. Sie enterten die Schiffe der Pfeffersäcke um den Reichen zu nehmen und – hin und wieder – den Armen zu geben.
Häufig plünderten sie die Schiffe auch im Namen ihrer Fürsten – weltlicher wie religiöser gleichermaßen. Selbst als mit der Pariser Seerechtsdeklaration im Jahre 1856 die Kaperei offiziell abgeschafft worden ist, ließen sie das Mausen und Meucheln nicht. Noch heute verschwindet im Südchinesischen Meer das eine oder andere Schiff, beladen mit Containern voll mit Computern, Handys und Zubehör, mit Software und anderen wertvollen Gütern. Doch was früher Piraterie zu hoher See war, ist heute eine Landplage. Die modernen Piraten sitzen heute in edlem Nadelstreifenzwirn anstatt Holzbein an den Schalthebeln der Fließbänder, an denen mehr oder weniger gute Kopien von Markenartikeln gefertigt werden. Was früher Sklaven aus Sansibar waren, sind heute gefälschte SD-Karten von Sandisk.
So mancher Reeder beklagte den Verlust seines Schiffes, das in der Karibik den Räubern der Meere in die Enterhaken lief, um dann mit der Hehlerware doch noch ein kleines Geschäft aufzuziehen. Ohne Abnehmer für das Diebesgut hätte es der Pirat schwer gehabt. Die modernen Produktpiraten leben ebenso gut vom Verkauf der gekaperten Ideen und Labels, und wie damals ernähren sie damit nicht nur sich, sondern gleich das halbe Volk, vom König bis zum Untertan.
Denen, die unter der Piraterie leiden, ist das natürlich ein Dorn im Auge. So zog Fürstin Angela Merkel aus, um dem König im Land hinter dem Morgenland kräftig die Leviten zu lesen, und ihn dazu zu bringen, mit dem Kapern endlich aufzuhören. Und der König versprach Besserung. Die Piraterie wird künftig einfach »Freibeuten« genannt und damit wie damals unter der englischen Krone legalisiert. Und schwer werden es die Produktfreibeuter nicht haben, denn Fürstin Angela und ihre Vasallen liefern gleich die Blaupausen für Volkswagen, Transrapid und Airbus frei Haus.