Geteilte Stoßrichtung reduziert Schlagkraft
Eigentlich standen die Zeichen für die Sprach-/Datennetze via Stromkabel gar nicht schlecht: Seit Februar 2005 arbeitet das IEEE-Gremium in der Gruppe P1901 an der Interoperabilität der verschiedenen technischen Powerline-Ansätze. Was aber bei Übertragungsraten von 14 und 85 MBit/s schon greifbar nahe schien, hat sich bei Breitband-Powerline (BPL) mit derzeit 200 und 400 MBit/s nun wieder zerschlagen. Erneut bestimmen Eigeninteressen und Grüppchenbildung das Bild - der P1901-Standard droht zur Farce zu werden. Neue Hoffnung soll jetzt das Homegrid-Forum bringen.
Powerline Communications - kurz PLC - galt ab etwa Mitte der Neunziger als Hoffnungsträger zur Belebung des Telekommunikationsmarkts: Gemeinsam mit dem Breitband-TV-Kabel sowie verschiedenen Drahtlostechniken sollte Powerline ein Gegengewicht zu DSL bilden, der Datenübertragung per Telefonkabel. Nach langwierigen technischen und organisatorischen Problemen ist das Zeitfenster für ein solches Powerline-Szenario inzwischen weitgehend geschlossen, allenfalls in Ländern ohne hinreichende TK-Infrastruktur oder in weitflächigen Gebieten mit niedriger Einwohnerzahl ist es als Access-Technik noch interessant. Anders bei der Gebäude- und Office- oder bei der Wohnungsvernetzung: Hier erlebt Powerline im Schatten von WLAN seit einigen Jahren durchaus einen signifikanten Aufstieg. Wenn es darum geht, einen zentralen Breitbandanschluss dorthin zu "verlängern", wo er tatsächlich benötigt wird, erweist sich Powerline als unschlagbar einfach (meist konfigurationsfrei, ein PLC-Modem erscheint für das Endgerät vollkommen transparent - sieht also aus wie ein "normaler" Ethernet-Anschluss). Handelt es sich um einen für hochauflösende Video-Streams und TV ausgelegten "Triple-Play"-DSL- oder Kabel-Anschluss mit 16 und mehr MBit/s Übertragungsleistung, sind aktuelle 200-MBit/s-Powerline-Modems vielen gängigen WLAN-Lösungen deutlich überlegen. Hinzu kommen spezifische Powerline-In-House-Branchenlösungen, etwa für Hotels und Krankenhäuser. Über sie findet diese Technik derzeit weitere Einsatzfelder.
Die technische Entwicklung von Powerline wurde von zahlreichen unterschiedlichen Unternehmen vorangetrieben. Drei Ansätze haben sich auf dem Markt durchsetzen können. In allen Fällen steht ein Chiphersteller im Zentrum, umgeben von einer kleinen oder auch etwas größeren Schar von PLC-Modemherstellern und organisiert in einer Industrieallianz, die einen "herstellerunabhängigen" Standard postuliert. Die beiden bedeutenderen Konsortien sind die von Intellon und DS2, das von Panasonic hat lediglich lokal im asiatisch-pazifischen Raum Relevanz. Intellon (USA) hat einige mächtige Verbündete, darunter Cisco, Intel, LG, Motorola, Texas Instruments und Samsung. Diese bilden den Kern der "Homeplug Powerline Alliance" (
www.homeplug.org) mit inzwischen insgesamt rund 70 Mitgliedern, darunter auch Devolo, Lea, Linksys, Siemens und Zyxel. DS2 (Spanien) repräsentiert die europäische Powerline-Entwicklung - entsprechend gefördert mit europäischen Geldern im Rahmen des OPERA-Projekts (Open PLC European Research Alliance). Buffalo, Corinex, D-Link, Intersil, Netgear, Pirelli und Toshiba gehören zu den wichtigsten der insgesamt gut 20 DS2-Partner, die sich in der Universal Powerline Association (UPA,
www.upaplc.org) zusammengeschlossen haben. Netgear ist inzwischen in beiden PLC-Lagern mit Produkten vertreten. Panasonic hielt sich bei ihrer PLC-Entwicklung an die Spezifikationen eines bereits existierenden PLC-Industriebündnisses, der Consumer Electronics Powerline Communications Alliance (CEPCA,
www.cepca.org). Neben Panasonic bieten heute auch Unternehmen wie Hitachi, Mitsubishi, Philips, Pioneer, Sanyo und Sony PLC-Produkte nach diesem Standard an.
Alle drei Konsortien sind in der IEEE-Arbeitsgruppe P1901 vertreten, deren Ziel ursprünglich die nahtlose Zusammenarbeit der drei Industriestandards war. Nach langer Zeit guter Fortschritte ist das Ursprungsziel seit Frühjahr dieses Jahres (vorläufig) ad acta gelegt - es geht inzwischen mehr oder weniger nur noch um eine störungsfreie Koexistenz. Der Hauptvorteil dieses Koexistenzvorschlags liegt laut DS2 darin, dass die von Stromversorgungsunternehmen und Service-Providern installierten PLC-Access-Systeme Ressourcen mit existierenden In-House-PLC-Systemen teilen können - mehr allerdings nicht. Grund für diese "Sparausgabe" eines IEEE-Standards ist wohl, dass sich die Parteien weder auf einen gemeinsamen physischen (PHY) noch einen gemeinsamen MAC-Layer einigen konnten - Voraussetzung für echte Interoperabilität. Arbeitsgruppenintern zeichnet sich ein Zusammenrücken von CEPCA und Homeplug-Alliance ab, während sich eine Reihe von Mitgliedern aus allen Lagern inzwischen offen enttäuscht über die P1901-Entwicklung zeigt.
"Die technische Integrität jegliches Standardisierungsvorschlags basiert auf dessen Fähigkeit, Interoperabilität zu garantieren", so Chano Gomez, VP Marketing für IEEE P1901 bei DS2 gegenüber LANline. "Alles darunter wäre schlecht für die gesamte Industrie. Der gegenwärtig im IEEE P1901 erwogene Vorschlag wird als Doppel-PHY-/Single-MAC Lösung verkauft, aber eine genauere technische Analyse zeigt klar, dass sich diese Behauptung nur halten lässt, wenn man die Begriffe PHY und MAC ziemlich dehnt. Weil die beiden PHY-Optionen sehr verschieden sind - eine basiert auf OFDM-, die andere auf Wavelet-Modulation - werden Produkte mit diesen unterschiedlichen Modulationsverfahren niemals zusammenarbeiten. Beide könnten aber von sich behaupten, P1901-konform zu sein. Anwender werden so in die Irre geführt." Wird der künftige Standard auf der Basis der vorliegenden Vorschläge ratifiziert - und danach sieht es zumindest im Moment aus - sieht Gomez im P1901-Standard mehr Schaden als Nutzen, denn die Situation vor und nach dessen Einführung sei im Grunde dieselbe: Nach wie vor gäbe es drei unterschiedliche Ansätze für Powerline der 200-MBit/s-Klasse, die nicht zusammenarbeiten.
Um konstruktiv gegenzusteuern, haben Ende April DS2, Infineon, Intel, Panasonic, Texas Instruments und sechs weitere Unternehmen das Homegrid-Forum (
www.
homegridforum.org) ins Leben gerufen. Hier wollen die Mitglieder schaffen, was unter IEEE-Führung offenbar nicht möglich ist: einen gemeinsamen PHY- und MAC-Standard gemäß ITU-T G.HN - und dies nun gleich sowohl für Powerline als auch Koax- und Telefonkabel. Interoperabilität und gemeinsame Vermarktung stehen ebenfalls auf der To-do-Liste. Vielleicht gelingt das Vorhaben nun auf dieser Schiene, eine offensive Powerline-Vermarktung ist jedoch auf jeden Fall erst einmal wieder zurückgeworfen.