Grenzwertige Kupferklasse
Der künftige 10GBaseT-Standard setzt für den Parameter ACR Werte, die nur wenig über dem Niveau der Klasse E liegen. Grund genug zu prüfen, ob nicht hochwertige Kat.-6-Kabel die Grenzwerte bei mehr als 250 MHz einhalten und damit den Standard noch unterstützen.

Es sind schon heute Systeme verfügbar, die den künftigen Standard 10 GBaseT unterstützen werden.
Der Nutzer einer strukturierten Verkabelung muss die Sicherheit haben, dass alle von ihm gewünschten Dienste übertragen werden können. Deshalb werden anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen, die entsprechend der EN 50173-1 aufgebaut werden, vor der Übergabe messtechnisch überprüft.
Die Grundlage dieser Abnahmemessungen sind heute typischerweise die in der Norm für die Klasse E festgelegten Grenzwerte. Diese definieren die Übertragungseigenschaften der Verkabelungsstrecke bis zu Frequenzen von 250 MHz. Entsprechend der Norm werden für solche Verkabelungsstrecken Komponenten der Kategorie 6 eingesetzt. Auf Grund des kaum höheren Preises kommen im Bereich der Kupferkabel weitgehend Produkte der Kategorie 7 zum Einsatz. Bei den Abnahmemessungen werden alle Strecken auf alle in der Norm spezifizierten Parameter überprüft.
Auf in dieser Weise installierten Kabelinfrastrukturen sind im Bereich der Datenkommunikation alle drei Varianten (10BaseT, 100BaseTX, 1000BaseT) des Standardverfahrens Ethernet übertragbar. Unter der Bezeichnung 802.3an wird vom IEEE derzeit die nächste Generation des Ethernet-Standards entwickelt. Das Übertragungsverfahren, für das die Abkürzung 10GBaseT festgelegt wurde, wird die Möglichkeit bieten, einen Datenstrom von 10 GBit/s auf der Schicht zwei des OSI-Modells zu übertragen. Nach den ehrgeizigen Plänen des IEEE soll der Standard bis zur Mitte des Jahres 2006 veröffentlicht werden.
Anwendungsmöglichkeiten für das Übertragungsverfahren sind vorerst vorwiegend in Rechenzentren oder Speichernetzen zu sehen. Derzeit liegt der erste Draft des Standards vor. Dieser setzt auf den unteren Schichten des OSI-Modells einen Übertragungskanal voraus, der aus einem 4-paarigen, symmetrischen Kupferkabel mit definierten Übertragungseigenschaften bis Frequenzen von 500 MHz besteht.
Grund für die Verwendung von Kupferkabeln an Stelle von Lichtwellenleitern ist unter anderem die einfachere Handhabung der verfügbaren Twisted-Pair-Kabel. Die Beschränkung der Übertragungsfrequenz auf 500 MHz wird durch das aufwändige Codierverfahren PAM 12 ermöglicht.
Die genauen Anforderungen an die Verkabelung werden im Anhang Nummer 10 zum amerikanischen Industriestandard TIA/EIA 568-B.2 spezifiziert. Hierzu liegt ebenfalls ein erster Draft vor. Für den wichtigen Parameter der Einfügedämpfung werden demnach für die Übertragung von 10GBaseT Grenzwerte gefordert, die denen der Klasse F der EN 50173-1 entsprechen. Für die Nahnebensprech-Dämpfung sind Grenzwerte auf dem Niveau der Klasse E – extrapoliert bis 500 MHz – gefordert. Oberhalb von 330 MHz wurden die Werte noch leicht abgeschwächt.
Für den Parameter ACR sind zwei wesentliche Aspekte hervorzuheben. Zum einen wird ersichtlich, dass die für die Übertragung von 10GBaseT geforderten ACR-Werte nur wenig über dem Niveau der Klasse E liegen. Dies verdeutlichtlicht das Ziel, den neuen Standard über vorhandene Klasse-E-Links übertragen zu können. Der Hauptgrund, warum keine Verkabelungsstrecken der Klasse F gefordert werden, liegt in der Menge der installierten Basis. Verkabelungsstrecken der Klasse F haben nur eine sehr geringe Verbreitung, wogegen eine Technologie, die Verkabelungen der Klasse E voraussetzt, zum Zeitpunkt der Ratifizierung des Standards auf etwa einem Drittel aller installierten Verkabelungen lauffähig sein wird und damit auch weltweit zu einem wirtschaftlichen Erfolg werden kann.
Der zweite wesentliche Punkt sind die ab 250 MHz negativen ACR-Werte, die im Normalfall keine gesicherte Datenübertragung mehr erlauben. Daher werden derzeit aufwändige Elektroniken entwickelt, die ein so genanntes Next-Cancellation-Verfahren realisieren. Dadurch werden die Nebensprechdämpfungswerte des Übertragungskanals soweit angehoben, dass der resultierende ACR-Wert positiv bleibt.
Sowohl dem Planer als auch dem Installateur und Nutzer stellt sich auf Grundlage der Forderungen für die Verkabelungsstrecke die Frage, ob die heute verfügbaren Komponenten der Kategorie 6 den Anforderungen von 10GBaseT gerecht werden können, oder ob zur Einhaltung der Grenzwerte bei Frequenzen oberhalb von 250 MHz doch Verkabelungsstrecken der Klasse F zu installieren sind.
Um hier eine unabhängige Aussage zu erhalten, haben wir mit verschiedenen auf dem Markt verfügbaren Kategorie-6-Komponenten und Kategorie-7-Kabeln Links aufgebaut und vermessen.
Beim Parameter ACR wird deutlich, dass die für die Übertragung von 10GBaseT geforderten Werte von Kat 6 und 7 eingehalten werden. Die hohe Reserve erklärt sich durch die Verwendung von geschirmten Komponenten und Kabeln. Da die Entwicklung des neuen Standards überwiegend in den USA vorangetrieben wird und dort nur wenig geschirmte Systeme installiert sind (und werden), werden auch die Anforderungen, die der Standard an die Verkabelung stellt, an dem mit ungeschirmten Komponenten Erreichbaren orientiert.
Im Draft für den Standard TIA/EIA 568-B.2-10 wird auch ein neuer Parameter mit der Bezeichnung »Alien Next« beschrieben. Hierunter ist die Störung eines Signals durch Signale benachbarter oder umliegender Kabel zu verstehen. Für diesen Parameter sind im Draft ebenfalls Grenzwerte definiert. Auch herrscht innerhalb des Normungsgremiums weitgehend Einigkeit über ein Labormessverfahren zur Erfassung des Parameters. In diesem Messverfahren wird unter idealisierten Bedingungen ein Worst-Case simuliert. Da der Parameter Alien-Next in den realen Installationen (es fehlen vergleichbare Rahmenbedingungen und entsprechende Messgeräte) nicht messbar ist, wird die Einhaltung der geforderten Grenzwerte für diesen Parameter wohl nur über einen Vergleich mit messbaren Parametern (wie Next) möglich sein. Man darf jedoch davon ausgehen, dass die hierzulande üblicherweise eingesetzten Komponenten über ausreichende Dämpfungseigenschaften verfügen, beziehungsweise, dass bei Verwendung von hochwertigen geschirmten Systemen die Alien-Next-Problematik nahezu nicht existiert.
Abschließend darf festgestellt werden, dass heute schon Systeme verfügbar sind, die den künftigen Standard 10 GBaseT unterstützen werden. Dazu sind hochwertige Anschlusskomponenten der Kategorie 6 und Kabel der Kategorie 7 notwendig. Der Standard 10GBaseT erfordert nach heutigem Kenntnisstand somit nicht die Installation von Verkabelungsstrecken der Klasse F.
Dipl.-Phys. Karl Meyer, Röwaplan