Grünes Licht für Layer 2
Die Diskussion um "Green IT" - also energieeffiziente und umweltverträgliche IT-Infrastruktur - konzentriert sich stark auf das RZ (Server, Klimatisierung etc.), teils auch auf die Client-Seite (Stromspar-PCs, Druckmanagement). Die Basis bildet jedoch das Netzwerk. So bemühen sich auch die Hersteller von Switches verstärkt um umweltfreundliche Lösungen und ein "grüneres" Image.
Eine moderne Netzwerkinfrastruktur kann wesentlich dazu beitragen, Prozesse und Abläufe in
allerlei Bereichen kostengünstiger, effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Nicht umsonst
engagiert sich Switching-Marktführer Cisco, der Green IT in letzter Zeit stark hervorhebt, in
seiner Initiative "Connected Urban Development" für die netzwerkgestützte Automation
großstädtischer Abläufe wie Verkehrssteuerung oder Wasserversorgung. Auch durch IP-basierte
Zusammenarbeit und Telekonferenzen lässt sich manche sprit- oder kerosinfressende Dienstreise
vermeiden, was Cisco als Anbieter teurer Telepresence-Lösungen ebenfalls gerne betont.
Investitionen in IT können also durchaus helfen, die Umwelt zu schützen.
"Green IT" bedeutet aber auch: Die IT-Branche nimmt den Energieverbrauch der eigenen Geräte
unter die Lupe. Laut Gartner-Analyst Rakesh Kumar müssen Unternehmen schon in den kommenden zwei
Jahren verstärkt darauf achten, dass ihre IT-Managementlösungen Energieverbrauchswerte RZ-weit
konsolidieren können. Ziel ist es, eines Tages die Energieeffizienz eines RZs als Ganzes klar
angeben zu können – was bislang nur bruchstückhaft gelingt.
Neben Servern, Storage, Clients, der RZ-Stromversorgung sowie Kühlung und Klimatisierung tragen
auch die Netzwerkkomponenten deutlich zum Stromverbrauch bei. Denn die Switches und Router müssen
immer mehr Aufgaben stemmen – nicht zuletzt die, Endgeräte via PoE (Power over Ethernet) mit Strom
zu versorgen. Zudem nutzen immer mehr kritische Applikationen wie VoIP-Telefonie (Voice over IP)
die IT-Infrastruktur, die deshalb leistungskräftigere, ausfallsichere Geräte umfassen muss – oft in
redundanter Auslegung. Entsprechend arbeiten die Netzwerkausrüster mit zahlreichen Maßnahmen daran,
den Energieverbrauch (Watt pro GBit/s) zu optimieren. Fortschritte jeglicher Art heben die Anbieter
allerdings stets stark Marketing-getrieben hervor. Da in diesem Segment jedoch allgemein gültige
Prüfsiegel fehlen (es gibt keinen "Energy Star" oder "Blauen Engel" für Switches), müssen
Unternehmen, die umweltfreundliche Netze wollen, die Aussagen der Hersteller in Eigenregie kritisch
prüfen. Zu den relevanten Aspekten zählen Funktionen auf der Komponenten-, System- und
Softwareebene, außerdem die Herstellung, Logistik und Entsorgung der Geräte sowie
Netzwerkplanungsmaßnahmen.
Ein Hauptaspekt, den Cisco und deren Konkurrenten immer wieder betonen, ist die enorm hohe
Port-Dichte aktueller Switches: Viele Ports pro Rack bedeuten zwar einerseits hohe Temperaturen im
RZ (Hotspots), andererseits aber Materialersparnis bei Produktion und Recycling sowie eine
Versorgung von mehr Anschlüssen pro Netzteil, sodass sich der Strom- und Kühlungsbedarf pro GBit/s
verringert.
So argumentiert zum Beispiel Val Oliva, Director of Product Strategy bei Foundry, das
Flaggschiff Bigiron RX-32 bringe 1536 GbE- beziehungsweise 128 10GbE-Ports in einem einzigen
Chassis unter. Eine 512-GbE-Konfiguration, beim RX-32 mit einem Chassis möglich, erfordere 13,12 kW
und emittiere 44,798 BTU Wärme. Dies sind zwar stattliche Werte, es sei jedoch nur ein Viertel des
Verbrauchs vergleichbarer Lösungen.
"Der Stromverbrauch im Switch, abgesehen von PoE, wird zum größten Teil durch den Aufbau des
Netzteils und vor allem der Chiparchitektur bestimmt", so Thorsten Meudt, Market Development
Manager bei HP Procurve. "Das mit Abstand größte Einsparpotenzial bietet der Prozessor
beziehungsweise der ASIC. Je größer die Zahl der Chips, desto wahrscheinlicher ist ein höherer
Stromverbrauch." Procurve setze auf eine ASIC-Architektur, bei der alle Hauptfunktionen in einem
Chip in Hardware abgearbeitet werden. Stapelbare Switches von Procurve hätten, so Meudt, im
Gegensatz zu Geräten einiger anderer Hersteller nur einen ASIC-Hauptchip. Zudem befänden sich die
Switch-Netzteile wie bei Servern auf der Geräterückseite, sodass auch Klimalösungen im Schrank
selbst verwendbar seien.
Leistungsfähige Switches, so das Argument einiger Anbieter, erlauben vereinfachte und damit
sparsamere Netzwerkarchitekturen: "Wir können zahlreiche Geräte aus dem Netz entfernen und dadurch
den Gesamtstromverbrauch senken", so Trevor Dearing, Portfolio Marketing Manager EMEA für Network
Infrastructure bei Juniper.
Virtual-Chassis-Technik erlaube es, dass bis zu zehn Switches sich wie ein Gerät verhalten. "
Damit kann man ein Layer aus dem traditionellen Netzwerkdesign abziehen", so Dearing – also
Zugangs- und Aggregations-Layer zusammenfassen.
Obwohl das anspruchsvolle VoIP einerseits den Energieverbrauch des IP-Netzes steigert, können
VoIP-Infrastrukturen andererseits auch zum Energiesparen beitragen – nicht nur durch den Wegfall
einer separaten Telefonanlage und -verkabelung: "Einzelne Netzteile müssen immer den Maximalbedarf
pro Telefon abdecken können", so HP-Procurve-Mann Meudt. "Bei PoE können die Switch-Netzteile auch
kleiner dimensioniert werden, da zum Beispiel nie alle Telefone gleichzeitig klingeln müssen. Es
werden weniger Teile benötigt (ein Switch für viele Telefone) und somit auch die Umwelt nicht
unnötig durch Produktion und Entsorgung belastet."
Energie sparen kann man laut Jürgen Kirchmann, Regional Director DACH bei Extreme, auch durch
die Automation des Netzwerkbetriebs. So erlaube es Extremes Universal-Port-Technik, die über
PoE-Switches mit Strom versorgten IP-Geräte wie VoIP-Telefone "zeitgesteuert einzeln oder
etagenorientiert gezielt abzuschalten." Dies könne zum Beispiel sinnvoll sein, wenn Mitarbeiter im
Urlaub sind. Er ergänzt: "Selbstverständlich lassen sich dann auch im Notfall über Bewegungs- und
Alarmmelder diese Netzwerksegmente wieder aktivieren." Eine weitere Option sei die Anbindung des
Zugangskontrollsystems oder der Zeiterfassung an das LAN und die entsprechende Steuerung der
PoE-Versorgung von Access Points, PoE-Telefonen und Gebäudetechnik. Hier biete Extreme mit Partnern
wie Avaya, Siemens und Shoretel weitreichende Lösungen, so Kirchmann. Generell können Switches
durch die Nutzung von LLDP (Link Layer Discovery Protocol) und LLDP-MED (Media Endpoint Detection)
den PoE-Endgeräten jeweils nur den tatsächlich benötigten Strom liefern und so Energieverschwendung
reduzieren. Das Stromsparen ist aber auch schon diesseits unternehmensweit intelligent gesteuerter
VoIP-Infrastrukturen möglich: "D-Link stattet seine Unmanaged und Smart Managed Gigabit Switches
mit einer neuen Generation von intelligenten Ethernet-Chipsätzen aus", erklärt Peter Eggert,
Manager Business Development and Product Management bei D-Link. "Ist beispielsweise an einem Port
kein Kabel angeschlossen oder das darüber verbundene Gerät abgeschaltet, so wird dieser Port
automatisch in einen energiesparenden Standby-Modus versetzt." Zudem verfügten alle Unmanaged
Switches über eine Kabeldiagnosefunktion: "Dieser eigens von D-Link entwickelte Mechanismus
ermittelt selbstständig die Länge der angeschlossenen Kabel und passt die Leistungsabgabe daraufhin
optimal an", so Eggert. Insgesamt lasse sich mit "Green Ethernet" je nach Nutzungsprofil gegenüber
herkömmlichen Geräten bis zu 44 Prozent des Stromverbrauchs einsparen.
Damit Stromsparmechanismen künftig mehr Verbreitung finden, arbeitet die Arbeitsgruppe "
Energy-Efficient Ethernet" (EEE) im Branchenkonsortium IEEE an Stromsparstandards für Switches. "
Bei ihrer Zusammenkunft im März 2008 entschied sich die IEEE P802.3az Task Force für einen
Vorschlag, der niedrigen Stromverbrauch im Ruhebetrieb sowohl für 1000Base-T als auch für 100Base-T
anstrebt", so David Law, 3Com Consultant Engineer und Vorsitzender der IEEE-
802.3-Ethernet-Arbeitsgruppe. Auto-Negotiation-Mechanismen sollen den Strombedarf auf das jeweils
benötigte Minimum drosseln. Die Verabschiedung dieser Standards sei für März 2010 vorgesehen.
Ein wichtiger Aspekt ist auch die Umweltfreundlichkeit der Produktions-, Logistik- und
Entsorgungsprozesse. Die Einhaltung einschlägiger Vorschriften (RoHS, WEEE) ist in Deutschland
Gesetz. Praktisch alle großen Netzwerkausrüster haben zudem jeweils eigene Umweltschutzrichtlinien
und -programme. Mittelfristig ist hier aber sicher mehr Transparenz sowie eine gründliche
staatliche Kontrolle angesagt.