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Zahl der Unternehmensaufgaben steigt

Immer mehr IT-Händlern droht das Aus

Die Wirtschaftskrise verschärft sich und zwingt auch immer mehr IT-Unternehmen zur Geschäftsaufgabe. Vor allem kleinen und mittelgroßen Fachhändlern geht zunehmend die Luft aus. Die Distributoren sehen in den Finanzierungsproblemen eine Hauptursache für das zunehmende Händlersterben.

Autor:Nadine Kasszian • 8.7.2009 • ca. 3:25 Min

Vor allem kleinere und mittelgroße IT-Fachhändler im Consumer-Business geraten mit zunehmender Verschärfung der Wirtschaftskrise unter Druck. Denn die oft gepriesene ungebrochene Kauflust der Privatkonsumenten entlädt sich vor allem bei Flächenanbietern, Discountern und Online-Verkäufern. »Viele Händler mussten die Kosten reduzieren, Belegschaft abbauen oder mehrere Ladengeschäfte zu einem zusammenlegen«, schildert Geschäftsführer Peter Schragmann die Situation auf der Münchner Computermeile »Schillerstraße«, wo er sein Ladengeschäft »NetService 2000« betreibt. Auch er selbst hat mit Umsatzeinbußen im zweistelligen Bereich zu kämpfen. »In der Vergangenheit hatten wir einfach nur einen Preisverfall. Jetzt kommt noch ein Umsatzrückgang dazu, weil die Leute einfach nicht mehr so viel kaufen«, sagt er.

Wenig optimistisch stimmen da aktuelle Zahlen und Statistiken zu Unternehmensinsolvenzen in Deutschland: Laut der Wirtschaftsauskunftsdatei Credit-reform stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2009 um gut 14 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreswert. 16.650 Firmen mussten demnach einen Insolvenzantrag stellen, im ersten Halbjahr 2008 waren es nur 14.570. Finanzierungs- und Liquiditätsengpässe, gepaart mit einer sehr schlechten Auftragslage, seien die Hauptgründe für den Abwärtstrend. Davon betroffen sieht Creditreform vor allem kleine und mittelgroße Betriebe: 61,5 der insolventen Betriebe setzten im Jahr weniger als 500.000 Euro um, jeder dritte insolvente Betrieb (32 Prozent) falle in die Umsatzklasse bis fünf Millionen Euro und nur 6,6 Prozent der insolventen Betriebe setzt mehr um. Die Zahl der Konkursanmeldungen von GmbHs nimmt gleichzeitig zu: von 32,8 auf 38,5. Der Verband Creditreform beziffert den bisher entstandenen Schaden auf 20,8 Milliarden Euro – das sind 5,5 Milliarden mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeit-raum – und geht davon aus, dass der negative Trend sich in den kommenden Monaten fortsetzt. Das statistische Bundesamt verzeichnet im ersten Quartal 2009 einen Anstieg der Unternehmensinsolvenzen von zehn Prozent, wobei der IT-Einzelhandel deutlich über diesem Durchschnitt liegt: Hier ergab sich in den ersten drei Monaten ein Anstieg um 18 Prozent auf insgesamt 46 Insolvenzverfahren.

Seit längerem bereitet diese Tendenz auch schon der IT-Distribution Sorgen: »Wir bemerken eine höhere Ausfallquote durch die Krise im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum – mit deutlich steigender Tendenz«, sagt Reinhold Ittermann, als Director Credit & Collection zuständig für die Ingram Micro Financial Services. Der Manager sieht einen deutlichen Trend: »Zunächst handelte es sich dabei primär um sehr kleine SMB-Kunden, die unter mangelndem Auftragseingang verbunden mit knapper Liquidität litten. Mittlerweile ist aber zu beobachten, dass auch schon größeren Unternehmen die Luft ausgeht.« Auch Broadliner Actebis Peacock bestätigt, dass sich die Insolvenzquote im Handel stark erhöht habe. Die Entwicklung sei bereits seit Beginn des Jahres deutlich zu erkennen gewesen. »Die Zahl der Unternehmensaufgaben steigt«, sagt Stefan Wisst, Leiter Finanzen und Kundenservice bei Actebis Peacock. »Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Fälle im KMU-Bereich fast verdoppelt.« Die Faktoren, welche die Fachhändler in arge Bedrängnis führen, werden fast immer in folgendem kausalen Zusammenhang geschildert: »Wegen der stark gebremsten Nachfrage geraten die ohnehin schon niedrigen Margen noch weiter unter Druck. Sieht dann die Verkaufsbilanz nicht so gut aus, sind Banken und Kreditversicherer schnell am Kürzen der Limits, und damit ist jede Unternehmensentwicklung in Gefahr«, fasst Michael Binkert, Geschäftsführer des Distributors BHS Binkert, zusammen. Dazu komme vor allem noch die mangelhafte Ausstattung mit Eigenkapital bei vielen kleineren Händlern.

Doch die Wirtschaftskrise bedroht keineswegs nur den klassischen SMB-Fachhandel und Reseller mit Ladengeschäft. »Vor allem Etailer spüren die Auswirkungen sehr schmerzlich. Einige Großversender üben eine erdrü-ckende Dominanz im Markt aus und decken alle wichtigen Produktsegmente ab«, schildert Binkert die Konsolidierungswelle im Segment der Online-Vermarkter. Diese wiederum haben mit Billigstpreisen in den vergangenen Jahren nicht nur den klassischen Fachhandel, sondern auch die vormaligen Billigheimer unter den IT-Anbietern, Flächenmärkte und Discounter, stark unter Druck gesetzt. Und nicht zuletzt zeigt sich: Vor allem auch das Business-Segment zeigt sich we-gen des anhaltenden Investitionsstaus von der Krise betroffen. So muss Eva Heister, Manager Finance beim Projektdistributor Algol, feststellen, »dass der ein oder andere Reseller derzeit schwer zu kämpfen hat. Manche haben ihr Geschäft bereits aufgeben müssen oder stehen zumindest kurz vor der Insolvenz«. Als Gründe führt sie »die aktuelle Skepsis der Banken bei der Vergabe von Krediten und die Zurückhaltung bei der Umsetzung großer Projekte« an.

Hoffnung auf eine Besserung der Wirtschaftslage macht im-merhin der Branchenverband Bitkom: Nach der aktuellen Prognose wird sich der deutsche Hightech-Markt im kommenden Jahr wieder leicht erholen. Nach einem Rückgang von 2,5 Prozent in 2009 wird für 2010 wieder ein schwaches Wachstum um 0,3 Prozent erwartet. Auch Fachhändler Peter Schragmann von NetService 2000 hofft auf eine Verbesserung der Situation im kommenden Jahr: »Wenn es im nächsten Jahr so weitergeht, muss man sich als Händler die Frage stellen, ob sich das Geschäft noch lohnt.«