Merkels Auto-Show hat schon Kratzer Von Wolfgang Bunse, dpa (mit Bild)
Berlin (dpa) - Bundesregierung und Industrie wollen «gemeinsam» das Elektroauto aus der Forscher-Werkstatt holen und in wenigen Jahren in Serie auf die Straße bringen. Bis 2020 sollen schließlich 1 Million stromgetriebene Autos durch Deutschland...
…rollen. Heute sind es etwa 2000.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich an die Spitze dieser Bewegung gesetzt. In der für Montag von Politik, Industriebossen und Wissenschaftlern vorbereiteten - und der dpa vorliegenden - Erklärung heißt es unter anderem: «Insgesamt wird Elektromobilität nur dann Erfolg haben, wenn alle Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen.»
Unstimmigkeiten im Planungsvorfeld hat die Kanzlerin jedoch nicht verhindern können. Da ging es auf Industrieseite darum, wer die höchsten Koordinierungs-«Funktionen» im Schulterschluss mit Merkel bekleiden darf und wer am Montag in ihrer Nähe auf Fernsehbildern erscheint. Im Spitzentrio sitzen nun der ehemalige SAP-Chef Henning Kagermann sowie als Koordinatoren Autoverbandspräsident Matthias Wissmann und IG-Metall-Chef Berthold Huber.
Dem Automobilclub ADAC half auch nicht, dass 17 Millionen Autofahrer Mitglieder sind. Als Präsident Peter Meyer keinen Zutritt zum innersten Zirkel bekam, entschied er sich zunächst mal, am Montag fern zu bleiben. Jetzt beklagte auch Verbraucher-Lobbyist Gerd Billen, dass die «Stimme der Verbraucher» - also Autofahrers Wille - für Fragen der späteren Nutzung des E-Autos missachtet werde.
Auch regierungsintern lief nicht alles glatt ab. Zwar hatte die Kanzlerin die Geschäftsstelle Elektromobilität der Bundesregierung im Wirtschaftsministerium von Rainer Brüderle (FDP) angesiedelt, die Leitung aber dem von Verkehrsminister und CSU-Mann Peter Ramsauer geleiteten Ressort überlassen. Was mit der gemeinsamen Federführung beim Thema E-Auto taktisch klug gedacht war, erweist sich jedoch mindestens als zweifelhaft.
Brüderles Beamte beklagten in einem der dpa vorliegenden Vermerk für die Kabinettssitzung am Mittwoch dieser Woche: «BMVBS (Verkehrs- und Bauministerium) tendiert zu unabgestimmter Pressearbeit, so dass bezüglich der Zuständigkeiten (ein) falscher Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen konnte.» Klar: Ramsauer zeigt gerne, wer Herr im Haus ist, und Brüderle kontert gerne beißend ironisch.
Viel «Gemeinsames» zwischen handelnden Personen ist da bisher nicht zu erkennen. Ob das «Zukunftsthema Elektromobilität» der Kanzlerin am Ende doch noch Punkte bringt, muss zunächst offen bleiben. Tatsache ist, dass seit Bekanntwerden des «Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität» in der großen Koalition inzwischen drei Jahre vergangen sind. Verbleiben nur noch zehn, um das Versprechen von einer Million Strom-Mobile bis 2020 einzulösen.
In der Automobilindustrie selbst rechnen Experten mit einer frühestens 2013 oder 2014 startenden ersten Serienfertigung. Noch drücken die hohen Kosten und die Batterie-Speicherprobleme. Sie begrenzen die Reichweite einer Stromladung auf zumeist 100 bis 130 Kilometer. Das berührt vor allem Fernfahrten, weshalb das künftige E- Auto heute zumeist oft als Zweit- oder Drittfahrzeug angesehen wird.
In der Stadt werden Autos nach Angaben aus der Automobilbranche ohnehin zumeist nur im Schnitt zwischen 50 und 80 Kilometer am Tag bewegt. Vertreter und sonstige Pkw-Fernfahrer könnten heute schon eher auf Hybrid-Fahrzeuge ausweichen, bei denen nach knapp 100 Elektro-Kilometer der spritbetriebene Ersatzmotor anspringt. Und die Kosten? In Fachkreisen wird nach dpa-Informationen davon ausgegangen, dass ein E-Auto in der Herstellung auch 2020 noch bis zu 10 000 Euro teurer sein dürfte als ein vergleichbarer Wagen. Das führt in den nächsten Jahren zur Frage, ob der Bund nicht doch noch mit einer Prämie aushilft, um solche Fahrzeuge attraktiver zu machen. Vorläufig - also am Montag - ist hier mit einem klaren Nein zu rechnen.
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