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Kupferverkabelung in Profinet-Netzen

Richtlinien erleichtern die Auswahl

Die im Vergleich zur Bürowelt deutlich härteren Einsatzbedingungen für Ethernet-Netze im Industrieumfeld erfordern wesentlich robustere, widerstandsfähigere Leitungen sowie eine auf die jeweilige Applikation zugeschnittene Anschlusstechnik. Die Profibus-Nutzerorganisation (PNO) erarbeitete Richtlinien dazu, die die Auswahl und Ausführung der "Nervenstränge" in Automatisierungslösungen erleichtern sollen.

Autor:Michael Kasper/dp Michael Kasper ist Produkt-Manager im Bereich Sensors and Communication bei Semens Industry Automation in Nürnberg. • 22.3.2009 • ca. 4:05 Min

Ethernet-Netzwerke im industriellen Umfeld sind in der Regel anwendungsbezogen aufgebaut und nur
bedingt auf Veränderungen im Maschinenpark ausgelegt. Daher kann zum Beispiel auf Patch-Kabel
weitgehend verzichtet werden. Zumal diese zusätzlichen Steckverbindungen in den auf kurze
Taktzeiten, hohen Datendurchsatz und maximale Verfügbarkeit ausgerichteten Industrieanlagen als
potenzielle Ausfallquellen gelten.

Die elektrischen Parameter der eingesetzten Leitungen und Anschlusskomponenten entsprechen im
Wesentlichen denen einer permanenten Büroverkabelung mit AWG-22-Leiterquerschnitten und einer
maximal überbrückbaren Distanz von 100 Metern. Grundlage für Applikationen im
Automatisierungsumfeld sind zudem die in nationalen und internationalen Normen (EN 50173, ISO IEC
11801, EN 60603-7-1) festgelegten elektrischen Übertragungsparameter für passive
Ethernet-Komponenten wie Kupferleitungen und Steckverbinder. Darüber hinaus greifen einige
spezifische Ergänzungen: Die Ethernet-Kommunikation im industriellen Umfeld stellt insbesondere an
die mechanischen, chemischen und elektromagnetischen Belastbarkeit höhere Ansprüche und erfordert
spezielle Kabelaufbauten und -werkstoffe. Gleiches gilt für Anschlusskomponenten und
Schaltschrankdurchführungen.

Die Richtlinie "Cabling and Interconnection Technology" der PNO liefert Spezifikationen für
Profinet-Installationen mit einem Komponentenansatz, der auf den internationalen Verkabelungsnormen
IEC 61918 und IEC 61784-5-3 aufsetzt. Sie definiert zum Beispiel die mechanischen und elektrischen
Anforderungen an industrietaugliche Profinet-Leitungen und die empfohlenen Steckverbinder.

Weil kaum eine Applikation wie die andere ist, müssen die spezifischen Umgebungs- sowie
Einsatzbedingungen und damit die Anforderungen an die einzelnen Komponenten vorab genau analysiert
werden. Darauf basierend lassen sich der geeignete Leitungstyp sowie die erforderliche Schutzart
eines Steckverbinders ermitteln, um den dauerhaft störungsfreien und zuverlässigen Netzwerkbetrieb
zu gewährleisten. Die Profinet-Richtlinie steckt hierfür den Rahmen ab und unterstützt bei der
sicheren und zuverlässigen Kombination der einzelnen Komponenten. Sie berücksichtigt auch diverse
Sonderleitungen für Spezialanwendungen.

Wichtiges Auswahlkriterium für industriell genutzte Kabel ist neben den elektrischen und
mechanischen Eigenschaften vor allem der Mantelwerkstoff.

Ein weit verbreitetes Material für Leitungen mit starren oder flexiblen Adern in
Standardapplikationen ist PVC (Polyvinylchlorid), das sich durch gute mechanische Eigenschaften und
hohe Chemikalienbeständigkeit auszeichnet. Ist das PVC mit speziellen UV-Stabilisatoren modifiziert
eignet es sich auch für Leitungen im Außenbereich sowie für die Verlegung auf Kabelpritschen.

Beständigkeit gegenüber Feuchtigkeit ist unter anderem bei Applikationen in der Nahrungs- und
Genussmittelindustrie ein wichtiges Kriterium, wo Maschinen und Anlagen regelmäßig mit Dampf
und/oder Wasser gereinigt werden müssen. Deshalb bestehen hier die Kabel meist aus Polyethylen
(PE), das im Vergleich zu vielen anderen Kunststoffen eine sehr hohe Dauerbeständigkeit gegenüber
Feuchtigkeit mit sich bringt. Aus diesem Grund findet man das Material auch bei Leitungen, die
direkt im Erdreich verlegt sind.

Ebenfalls entscheidend ist das Verhalten des Kabelmaterials im Brandfall. So genannte
FRNC-Materialien (Flame Retardant Non-Corrosive) sind halogenfrei, flammwidrig oder
selbstverlöschend und setzen bei der Verbrennung keine aggressiven Gase oder gar Säuren frei. Damit
lassen sich folgenschwere Sekundärschäden wie die elektrochemische Korrosion von Leiterplatten oder
anderen Komponenten und deren meist kostenintensive Beseitigung vermeiden.

In Schleppketten oder wo immer sonst Leitungen viel bewegt werden oder anderweitig hohen
mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, haben sich Polyurethane (PUR) als Mantelmaterialien
etabliert. Diese sind halogenfrei, mechanisch sehr belastbar und chemikalienbeständig. Ihre
Elastizität bleibt im weiten Temperaturbereich von etwa -20 bis +80 °C zuverlässig erhalten. Für
spezielle Applikationen, etwa im Umfeld von Schweißrobotern im Automobilbau, lässt sich die
Widerstandsfähigkeit gegenüber Schweißfunken durch nachträgliche Strahlenvernetzung des Werkstoffs
mit Beta- und Gammastrahlen weiter erhöhen. Die Energie der Strahlen vernetzt die Moleküle
untereinander und macht das Material widerstandsfähiger gegenüber thermischen, mechanischen und
chemischen Belastungen.

Diese Beispiele verdeutlichen die Vielfalt des Anforderungsspektrums im industriellen Umfeld und
unterstreichen, dass sich die optimale Leitung nur durch eine genaue Analyse der Umgebungs- und
Einsatzbedingungen ermitteln lässt.

Ähnliches gilt für die Anschlusstechnik. Abhängig vom jeweiligen Anlagenkonzept sollten die
Steckverbinder mit einer geeigneten IP-Schutzart ausgestattet sein. Sind die aktiven Geräte
ausnahmslos in Schaltschränken montiert, können RJ45-Stecker in der niedrigeren Schutzart IP20
eingesetzt werden. Sie müssen jedoch EMV-geschützt sein. Am besten erfüllen dies robuste,
metallische Steckergehäuse, die zudem die Funktion der verlässlichen Zugentlastung und Befestigung
der Installationsleitung am Stecker übernehmen.

Zudem müssen die Stecker für die dickeren Adern und Leitungsdurchmesser der
Installationsleitungen ausgelegt sein, die die Teilnehmer in industriellen Netzwerken direkt
miteinander verbinden. Sie müssen schnell und einfach an den Haltekrägen der Geräte zu befestigen
sein und auch unter erhöhter Zug- und/oder Vibrationsbelastung die Datenverbindung sicher aufrecht
erhalten.

Um einiges höher sind die Anforderungen an die Anschlusstechnik bei schaltschranklosen, direkt
an der Maschine installierten Netzwerkkomponenten. Dabei geht es vorrangig darum, die Verbindungen
zuverlässig vor Staub und Feuchtigkeit zu schützen, was in der Regel durch die Ausführung der
Komponenten in Schutzart IP65/67 gewährleistet werden kann. Die im Profinet-Standard spezifizierte
IP20-Schnittstelle (kompatibel zu Komponenten der Bürowelt) lässt sich mit entsprechenden
Schutzgehäusen relativ schnell und einfach für den Einsatz unter rauen Umgebungsbedingungen
nachrüsteten.

Die technischen Eigenschaften allein machen jedoch nicht den einzigen Unterschied aus. Zu den
entscheidenden Voraussetzungen für die Akzeptanz bei den Anwendern zählt auch die schnelle und
einfache Montage der Leitungen und Steckverbinder im Feld. Wo vorkonfektionierte Leitungen mit
angespritzten Steckern nicht eingesetzt werden können und schlechte Licht- oder Platzverhältnisse
die Installation oft zusätzlich erschweren, sollte das Konfektionieren ohne kompliziertes
Spezialwerkzeug möglich sein. Aus vielen Einzelteilen bestehende Steckverbinder sind in dieser
Umgebung nicht förderlich, denn sie verlängern nur die Montagezeiten und erhöhen somit die Kosten.
Die Anwender fordern einfache, auch unter erschwerten Bedingungen praktikable Anschlusslösungen,
wie sie Schnellmontagesysteme bieten. Sie bestehen in der Regel aus Leitungen und Steckern gemäß
den gängigen Kommunikationsstandards und speziellen Schnellmontagewerkzeugen. Die Siemens-Lösung
Fast Connect beispielsweise enthält ein Stripping-Tool, das ein maßgenaues Absetzen von Außenmantel
und Geflechtschirm in einem einzigen Arbeitsschritt gestattet und damit Montagezeit spart.

Jörg Schröper.