Systemhäuser entdecken Rumänien neu
Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für ITK-Investitionen ist Rumänien das Schlusslicht in Europa. Das hält westliche Systemhäuser nicht davon ab, dort direkt zu investieren. Dabei geht es ihnen längst nicht mehr darum, sich einen Platz an einem Billiglohnstandort zu sichern.
Belege manuell einscannen, Dateneingabe, aber auch Software- Entwicklung oder Call-Center- Betrieb: Rumänien ist in der ITBranche überwiegend als Nearshore- Standort bekannt. Westlichen IT-Firmen stehen hier genügend Arbeits- und Fachkräfte zur Verfügung, das dort immer noch günstige Lohnniveau versetzt sie in die Lage, Projekte für Auftraggeber aus Industrienationen günstiger anzubieten, wenn sie Teile davon nach Rumänien auslagern können. Mittlerweile aber hat Rumänien für viele Systemhäuser einen anderen Stellenwert. Das Land wird zunehmend als Absatzmarkt entdeckt. Das ist auf den ersten Blick ungewöhnlich.
Marktforscher von EITO haben errechnet, dass die ITK-Ausgaben pro Kopf in Rumänien 213 Euro betragen. Damit ist das Land hinter Bulgarien und Litauen Schlusslicht in Europa. Zum Vergleich: Der EU-Durchschnitt liegt bei 1.344 Euro, in Deutschland betragen die Ausgaben 1.620 Euro, Schweden und Dänemark führen die Liste der höchsten Pro- Kopf-Ausgaben für ITK-Produkte und -Dienstleistungen mit über 2.400 Euro an. Ergebnisse anderer Marktforscher zeigen wiederum, warum Rumänien als Absatzmarkt, wenn nicht heute, so doch in Zukunft höchst interessant ist. Während die ITK-Ausgaben in den westlichen Ländern nur noch moderat wachsen, in einigen Segmenten wie Hardware sogar rückläufig sind, herrscht in Rumänien Nachholbedarf. IDC geht davon aus, dass beispielsweise IT-Services im rumänischen Markt bis 2009 jährlich um 17 Prozent zulegen werden. PAC geht beim Absatz von Geschäftsanwendungen wie ERP oder CRM sogar von einer 30-prozentigen Wachstumsrate aus.
Starkes Wirtschaftswachstum
So verwundert es nicht, wenn ACP, Österreichs größtes Systemhaus, in dieser Woche den Einstieg in Rumänien bekannt gab. Nicht als Nearshore-Basis, sondern als Absatzmarkt. »Rumänien ist ein hochinteressanter Markt, die Wirtschaft wächst dort jährlich um acht Prozent und dafür braucht sie eine professionelle IT-Ausstattung«, sagt ACP-Chef Stefan Csizy. Bereits im Mai dieses Jahres hatte sich das Dortmunder Softwarehaus Materna in Rumänien eingekauft und das dortige Unternehmen Best IT Solutions in Bukarest mehrheitlich übernommen. Einer ähnlichen Konstruktion hat sich nun ACP bedient. Die Österreicher übernahmen 51 Prozent der Anteile an der Online Datensysteme Romania, einer Tochter des gleichnamigen Berliner IT-Hauses. Die übrigen Anteile behalten die Berliner um Geschäftsführer Heiko Sauer vorerst.
Beide IT-Firmen, ACP und Materna, setzen in Rumänien vor allem auf Kunden aus dem öffentlichen Sektor sowie Finanzdienstleister. Finanz-, Bildungsund Innenministerium, Polizei, Bezirksverwaltungen oder Universitäten bieten noch viel Potenzial. Neben IT-Dienstleistungen ist es in Rumänien vor allem noch das Geschäft mit Hardware, das gute Wachstumsraten verspricht. Abzulesen an den Geschäftszahlen der neuen, jungen ACP-Landesgesellschaft, die mit 14 Mitarbeitern im vergangenen Jahr zwölf Millionen Euro umsetzte.
Bei Hardware, mit der Systemhäuser im deutschen Markt kaum noch etwas verdienen, will ACP in Rumänien aber nicht stehen bleiben. Software-Lösungen, umfangreiche IT-Services, flankiert mit Angeboten zur IT-Finanzierung, so will ACP das gesamte Portfolio schrittweise im rumänischen Markt anbieten und die Zahl der Standort dort in den kommenden Monaten auf zehn ausbauen.