Verschickt
Verschickt. »Vergiß mein nicht ? die Postleitzahl«, so warb die damalige Deutsche Bundespost vor vielen Jahren dafür, auf Briefen und Paketen nicht mehr nur »Tante Frieda, Hausboot, Hamburg« oder »Onkel Xaver, dritte Alm rechts, Berchtesgaden« anzugeben.
Verschickt
Inzwischen haben wir das digitale Zeitalter und der nächste Schritt stünde an: »Vergiss mein nicht ? den Barcode-Strich«. Zumindest der jüngeren Generation sollte es ja nun zuzumuten sein, ungefähr bei den Koordinaten 12,3 / 2,4 unten rechts auf dem Briefumschlag einen maschinenlesbaren Barcode aufzustricheln. Einziges Problem: Diese Generation verschickt keine Briefe mehr.
Um ihr Stammpublikum, den solventen Rentner, der unablässig mit Briefen auf Chiffre-Anzeigen im Kontaktmarkt der Tageszeitung antwortet, auch in Zukunft zuverlässig bedienen zu können, hat das Unternehmen daher nun ein »attraktives Nachschlagewerk« herausgebracht. 63.000 Aktualisierungen seien darin enthalten. Das bedeutet nicht, dass ähnlich wie bei dynamischen IP-Adressen jeder Brief, der im Monat verschickt wird, eine eigene Postleitzahl bekommt. Diese Aktualisierungen wurden vielmehr wegen der ungeheuren Dynamik notwendig, die dem Standort Deutschland nach wie vor zu eigen ist. Ständig kommen neue Straßennamen hinzu, andere wiederum, wie etwa zahlreiche Karl-Marx-Alleen oder Friedrich-Engels-Plätze, sind seit der letzten Ausgabe des Post-Kompendiums weggefallen. Der Clou des ganzen Werkes ist jedoch der Preis: 6,95 Euro verlangt der ehemalige Briefmonopolist dafür, dass man ihr die Arbeit abnimmt. Die alte Floskel »Fragen kostet nichts«, dürfte damit endgültig ins vergangene Jahrhundert verbannt sein. Dafür erhält man dann auch wertvolle Tipps, wie die Anschrift zu schreiben ist, damit die Sendung möglichst schnell ankommt. Ob ähnliche Hinweise und Kurse für die Paketzusteller angeboten werden, wird nicht verraten. Sie dürfen weiterhin in einer Mischung aus Kyrillisch und Sanskrit unverständlich formulierte Formulare ausfüllen, die darüber Auskunft geben, in welcher Postfiliale oder in welchem Wohnzimmer das diskrete Päckchen aus Flensburg abzuholen ist. Dafür erfährt man für 6,95 Euro aber, wo sich die Paketautomaten finden, damit man der Post noch mehr Arbeit abnehmen kann.
Erste PC-Händler haben sich die Post bereits zum Vorbild genommen und schon nachgezogen: Sie stellen derzeit am Eingang zu ihren Geschäften Automaten auf, an denen die Kunden Beratungsgutscheine kaufen können. Einen freundlichen »Guten Tag« gibt es schon für 50 Eurocent, dass sich der Verkäufer bei dem Satz »Ich habe da mal eine Frage« nicht auf dem Absatz umdreht, lediglich fünf Euro und eine Antwort auf diese Frage gibt es schon für einen Zehner. Postkunden ? also technikaffine Frührentner mit scheinbar unbegrenztem Zeitbudget, aber ohne echten Kaufwunsch ? zahlen für ihre Fragen jeweils das Doppelte.