Zeit zu handeln
Zeit zu handeln Viele Unternehmen haben in ersten Projekten bereits Erfahrungen mit dem Auslagern der IT gemacht. Das führt dazu, dass in den nächsten Monaten zahlreiche Verträge auslaufen. Viele fragen sich daher, wie es weitergehen soll.


Weltweit nähern sich Outsourcing-Verträge mit einem geschätzten Gesamtvolumen von bis zu 100 Milliarden US-Dollar in den nächsten zwei bis drei Jahren dem Ende ihres Lebenszyklus. Dies zwingt die betroffenen Unternehmen die möglichen Handlungsalternativen für ein Re-Sourcing zu sondieren und zu bewerten. Hierfür bieten sich grundsätzlich vier Alternativen an, die in Verbindung mit vier Kriterien eine Art Entscheidungsmatrix bilden, die Hilfestellung bei der Wahl der richtigen Alternative bieten kann. Vergleichsweise einfach in der Umsetzung ist die Vertragsverlängerung bei der die bestehenden Vertragsbestandteile und -strukturen weitestgehend unverändert bleiben. Zwingend bei dieser Option ist eine abschließende Analyse und Bewertung der Leistungen des Betreibers, um gegebenenfalls Anpassungen beim bestehenden Vertrag vornehmen zu können – zum Beispiel bei Service Level Agreement (SLAs) oder Governance-Strukturen. Meist fallen diese Anpassungen geringfügig aus und nur die damit verbundenen Preise müssen aktuellen Marktgegebenheiten angeglichen werden. Um die Konformität der bestehenden oder neu angebotenen Preise zu prüfen, können eine »Proxy-Bid«, bei der ein reales oder fiktives Konkurrenzangebot eingeholt wird, oder ein Benchmark ausreichende Indikatoren sein.
Die Alternativen Entgegen einer Verlängerung steht die Option der Neuausschreibung, bei der das auslagernde Unternehmen den existierenden Vertrag terminiert oder auslaufen lässt. In Abhängigkeit von der gewählten Sourcing-Strategie und des Sourcing-Modells werden die Services entweder neu geschnitten oder in ihrer bestehenden Konfiguration am Markt nachgefragt. Wichtig bei einer Neuausschreibung ist, dass das auslagernde Unternehmen die Kontrolle über die benötigten Daten erhält, die für die Ausschreibung essenziell sind. Im Falle von Schwierigkeiten kann auch ein Contract-Benchmark herangezogen werden, bei dem ein unabhängiger Dritter die benötigten Informationen erhebt. Die Option der Restrukturierung greift häufig schon vor dem eigentlichen Auslaufen eines Vertrages. Auslöser für eine Restrukturierung sind beispielsweise eine Anpassung der Geschäftsstrategie und eine damit einhergehende Veränderung der Sourcing-Strategie und des Sourcing-Modells. Die Vertragsleistungen müssen im Einzelnen auf ihre Anwendbarkeit geprüft werden und an der Sourcing-Strategie ausgerichtet werden. Mögliche Folgen einer Umstrukturierung sind sehr zahlreich und reichen beispielsweise von der frühzeitigen Verlängerung des bestehenden Vertrages unter angepassten Vertragsleistungen bis hin zu einer frühzeitigen Beendigung des Vertrages. Auch die Anreicherung des Provider-Mix kann eine Konsequenz aus einer Restrukturierung sein. Allen Outsourcing-Bemühungen entgegen steht das Backsourcing, bei dem ausgelagerte IT-Dienstleistungen wieder ins Unternehmen zurückgeführt werden. Allerdings werden meist nicht alle ausgelagerten Leistungen zurückgeführt, sodass man dann von einem selektiven Backsourcing spricht. Häufig basiert die Entscheidung für diese Option auf einer generellen Unzufriedenheit beispielsweise durch unzureichende Leistungen des Providers, sowie der Feststellung, dass ausgelagerte Leistungen, Kernkompetenzen sind. Kritisch bei einem Backsourcing-Vorhaben ist es sicherzustellen, dass die benötigten Ressourcen rechtzeitig aufgebaut sind, um einen unterbrechungsfreien Betrieb zu gewährleisten. Bevor eine Entscheidung zugunsten einer dieser Optionen fällt, sollten auslagernde Unternehmen mindestens die vier im Folgenden vorgestellten Kriterien prüfen und deren Auswirkungen bewerten. Anhand dieser Faktoren lässt sich leichter bestimmen, welche Option unter welchen Bedingungen geeignet ist. Es ist zu beachten, dass die Kriterien und deren Bewertung unternehmensspezifischen Gegebenheiten angepasst werden müssen.
Personal- und Wissenstransfer Bezogen auf das Wissen über Prozesse, Strukturen und Services des auslagernden Unternehmens, ist eine Vertragsverlängerung vorzuziehen. Im Falle einer Restrukturierung oder einer Neuausschreibung muss dieser Wissensvorsprung durch einen neuen Provider kompensiert werden, was nicht selten Effizienzverluste zur Folge hat. Ebenfalls können notwendige Personalübergänge den Prozess bei einer Restrukturierung oder Neuausschreibung komplizieren. Beim selektiven Backsourcing ist die »Retained Organization«, falls vorhanden, Schlüssel zum Erfolg, denn hier ist meist noch das benötigte Wissen vorhanden. Bei dieser Option sollte abgewogen werden ob die Rückabwicklung von getätigten Personalübergängen die geeignete Wahl ist oder gänzlich fremde Ressourcen herangezogen werden. Essenziell sind hier die vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf Dokumentation und Know-how-Transfer.
Transaktions-/Wechselkosten Bei einer Vertragsverlängerung verhält es sich auch mit den Wechsel- und Transaktionskosten recht gut, da diese vergleichsweise gering ausfallen. Hier kann der Provider auf den bestehenden Strukturen aufbauen und die Anpassungen können ohne signifikante Eingriffe während des laufenden Betriebes vorgenommen werden. Bei der Wahl eines neuen Providers fallen Transaktionskosten bis zur Schließung des Vertrages (zum Beispiel Providerwahl) sowie Wechselkosten beim Übergang der vorhandenen Services an. Auch beim selektiven Backsourcing fallen Transaktionskosten zur Planung und Aufsetzung der internen IT-Organisation und Wechselkosten zur Rückführung der Services in die interne Organisation an. Ein spezieller Aspekt der Transaktions-/Wechselkosten besteht in dem zuvor genannten Personal- und Wissenstransfer.
Umsetzungsdauer/-komplexität Auch in Bezug auf die Umsetzungsdauer und -komplexität ist die Vertragsverlängerung eine vergleichsweise attraktive Option, da hierbei unter anderem keine erneute Ausschreibung des Projektes notwendig wird. Bei den anderen drei Handlungsoptionen ist zu berücksichtigen, dass ein (nahezu) komplettes Outsourcing-Projekt mit all seiner Komplexität erneut durchlaufen und bewältigt werden muss.
Vendor-Lock-In/ Flexibilität Um eine möglichst große Unabhängigkeit von einem einzelnen Provider zu gewährleisten, sollte ein monolithischer Vertrag neu ausgeschrieben, auf mehrere Provider verteilt oder ins Unternehmen zurückgeführt werden. Allerdings ist die weitestgehend tiefe Verzahnung zwischen Prozessen und Strukturen des auslagernden Unternehmens und des Providers ein ernst zu nehmendes Hindernis im Hinblick auf einen Wechsel und machen diesen damit unvergleichlich schmerzvoll. Als Basis für eine möglichst optimale Entscheidung sind eine kontinuierliche Fortschreibung der Sourcing-Strategie eines Unternehmens in Abhängigkeit von internen und externen Einflussfaktoren sowie ein strategisches Sourcing-Management unerlässlich. Die Sourcing-Strategie gibt den Kurs vor und definiert das zugrundeliegende Sourcing-Modell, die Sourcing Governance und Methoden des Risiko-Managements. Desweiteren muss die Sourcing-Strategie in ein kontinuierliches Sourcing Management überführt werden. Eine mögliche Methodik zur Analyse und Bewertung des Sourcing Managements in Unternehmen ist das CIO Management Framework, mit dessen Hilfe alle Dimensionen (Strategie, Prozesse, Rollen, Tools & Methoden und Leistungsmanagement) des Sourcing Managements beleuchtet werden, um nachhaltig den Reifegrad im Unternehmen zu bestimmen und Handlungsempfehlungen zur Optimierung abzuleiten und umzusetzen, damit beim Sourcing auch der gewünschte Wertbeitrag erreicht werden kann. Auslagernde Unternehmen sollten in jedem Falle möglichst frühzeitig ihre Handlungsoptionen bei bestehenden Outsourcing-Verträgen prüfen. Eine fortgeschriebene Sourcing-Strategie, die durch ein kontinuierliches Sourcing-Management unterstützt wird, und ein Infragestellen des »Status Quo« bilden die Basis für die Entscheidung.
Lars Schwarze ist Senior Manager CIO Advisory Services, Tobias Schmidt ist Business Analyst CIO Advisory bei Deloitte Consulting