Zwischenbilanz zum Thema IPTV: Der Ball kommt ins Rollen
Zwischenbilanz zum Thema IPTV: Der Ball kommt ins Rollen. IPTV ? die Übertragung traditioneller Fernsehinhalte über IP-Netzwerke und die Vermarktung dieses Angebotes im Rahmen so genannter Triple Play Services zusammen mit Telefonie und Internetzugang ? steht nach Ansicht vieler Marktbeobachter in Europa vor dem Durchbruch. Was ist jedoch wirklich dran an der ganzen Aufregung, und lässt sich damit auch Geld verdienen?
Zwischenbilanz zum Thema IPTV: Der Ball kommt ins Rollen
Sportliche Großereignisse werfen ihre Schatten voraus: Die Weltmeisterschaft in Deutschland soll nicht nur ein großes Fest mit vielen Freunden zu Gast bei uns werden, sondern auch das ganz große Geschäft. Ein Aspekt dieses Geschäftes ist die möglichst umfassende und einträgliche Übertragung aller Spiele zu möglichst vielen Zuschauern. Denn Sport ist und bleibt neben der im englischen euphemistisch als Adult Entertainment und im deutschen im Geschäftsleben meist als Erotik umschriebenen Pornographie einer der gefragtesten Inhalte. Premiere weiß das schon lange, die alteingesessenen europäischen Telefongesellschaften haben das aber inzwischen auch verstanden. So etablieren sich derzeit in nahezu allen westeuropäischen Ländern so genannte Triple Play-Angebote, die den TK-Riesen helfen sollen, dem Umsatzverfall durch die Deregulierung zu entgehen. Jan Hein Bakkers, Research Manager European Broadband Markets and Technologies beim Marktforschungsunternehmen IDC, stellt in allen europäischen Ländern sowohl bei den Einnahmen aus dem Festnetzgeschäft als auch beim durchschnittlichen Umsatz pro Kunden mit breitbandigem Internetzugang erhebliche Rückgänge fest. Die Lösung seien zusätzliche Angebote, etwa IPTV, und die Bündelung dieser Angebote. Das erhöhe sowohl die Kundenbindung als auch den Umsatz wieder. Der Zeitpunkt zur Einführung sei günstig: Die Technologie habe einen Stand erreicht, in dem die Services in vernünftiger Qualität angeboten werden können. Während Bakkers für 2006 mit circa zwei Millionen angeschlossenen Haushalten in Westeuropa rechnet, sollen es 2009 bereits zehn Millionen sein. Großereignisse wie die Weltmeisterschaft im Fußball in Deutschland sollen zum Interesse wesentlich beitragen.
Auch die Marktbeobachter von Steria Mummert Consulting sind zuversichtlich. Rund 60 Prozent der Telekommunikationsunternehmen in Deutschland wollen in den nächsten drei Jahren in Triple Play investieren ? so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Unternehmens. Bis 2010 sollen allein in Deutschland rund drei Millionen Haushalte mit Telefon, Fernsehen und Internet von einem Anbieter versorgt sein. Die von Mummert Befragten sehen jedoch vor allem Chancen für Kabelbetreiber. Das Internetfernsehen (IPTV) soll es dagegen im Wettbewerb schwer haben.
Grund ist das im Vergleich zu anderen europäischen Ländern bereits sehr breite Free-TV-Angebot in Deutschland. Über den Erfolg von Triple Play würde daher die Kooperationsbereitschaft der Anbieter sowie die Angebotsvielfalt entscheiden. Den voraussichtlichen Umsatz beziffert Steria Mummert Consulting 2010 mit rund einer Milliarde Euro.
Gil Ilany, Director Solution Marketing Broadband Access beim TK-Ausrüster ECI, bestätigt im Wesentlichen die Beobachtung des Analysten. »Wir sehen dieses Jahr eine große Zahl an Implementierungen in Europa und glauben, dass 2007 dann damit begonnen wird, mit den Angeboten auch Geld zu verdienen.« Der Haken an der Sache: Für 2009 prognostiziert IDC einen ARPU von knapp 20 Euro pro Haushalt für diese Services. Nach Ansicht vieler Marktbeobachter sei das viel zu wenig, um damit auch Geld zu verdienen. Ilany glaubt diesen Prognosen jedoch nicht: »Ein gutes Beispiel für funktionierende Triple Play-Angebote ist die italienische Firma Fastweb, die rund 70 Euro verlangt.« Damit lasse sich dann auch auf Seiten der Carrier komfortabel leben.
Umesh Kukreja, Director Marketing beim Metro Ethernet-Anbieter Atrica, der in Triple Play eine der drei Stützen seines Geschäfts sieht, will sich auf verbindliche Zahlen nicht festlegen, ab wann Triple Play rentabel wird. Sein Unternehmen hat aber einen Kunden in Frankreich, der mit rund 50 Euro pro Monat auskommt.
Ilany gibt jedoch zu, dass gerade in Frankreich, dem wegen der großen Anbietervielfalt diesbezüglich vielleicht am weitesten fortgeschrittenen Markt in Europa, zwar auch Angebote um 30 Euro existieren. Deren Inhalte seien aber auf die Dauer nicht wettbewerbsfähig, das Angebot sei lediglich in der augenblicklichen Situation notwendig, um dem Platzhirsch France Telecom Kunden in großer Zahl abzujagen. »Sobald ausreichende Nutzerzahlen erreicht sind, werden auch diese Unternehmen durch die Offerierung von Premium-Diensten ihre Angebote verteuern.« Diesen Aspekt betont auch Mac Taylor vom Marktforschungsunternehmen Moriana Group. »Der angebotene Inhalt wird der entscheidende Punkt sein. Für interessante und begehrte Inhalte werden Kunden auch angemessen bezahlen.« Außerdem seien neue technische Möglichkeiten, wie etwa die, Sendungen auf einem zentralen Server aufzeichnen zu lassen und sie später anzusehen, vielversprechend. Umsatzmöglichkeiten sieht Taylor auch in besser angepassten Werbeformen ? seien dies nun lokalisierte Werbeeinblendungen oder sogar die Veränderung etwa von Bandenwerbung bei Sportereignissen bzw. die Anpassung von Werbeeinblendungen in aufgezeichnete Sendungen.
Kommentar
IPTV ? Fernsehübertragung über das Internet Protokoll ? ist die Grundlage für die viel diskutierten Triple Play Services, die Bündelung von Sprache, Daten und Video über einen Anschluss. Triple Play soll der Hebel sein, mit dem Telekommunikationsfirmen den alteingesessenen Fernseh- und Medienunternehmen den Rang ablaufen wollen. Gleichzeitig ist es der Rettungsanker, den die TK-Riesen angesichts stagnierender bzw. sinkender Umsätze und Erlöse aus dem althergebrachten Festnetzgeschäft und dem Preisdruck bei Breitbandangeboten auswerfen. Netzwerkanbieter wie Allied Telesyn oder ECI versprechen sich viel davon, stehen doch vor der Realisierung immense Investitionen an. Knackpunkt sind jedoch die Inhalte ? lediglich für einen anderen Übertragungsweg für Altbekanntes werden die Verbraucher wohl kaum Geld ausgeben.