Der offizielle Startschuss für die aktualisierte Finanzmarktrichtlinie MiFID II fällt am 3.1.2018. Auch wenn bis dahin scheinbar noch etwas Zeit bleibt, wird der rund 2.000 Seiten umfassende Gesetzestext den betroffenen Organisationen in der Umsetzung einiges abverlangen. Worauf also noch warten?
Relevant ist MiFID II für alle Finanzdienstleister und Contact-Center-Betreiber, die sich mit Anlageprodukten an Endverbraucher wenden. Eine umfangreiche Dokumentation sämtlicher Kundengespräche erfordert die Richtlinie und stellt das Finanzwesen damit vor ziemlich anspruchsvolle technische Herausforderungen.
Lückenlose Dokumentation zum Schutz der Kunden
Als eine Art europäischer Sarbanes-Oxley Act wurde MiFID bereits vor fast zehn Jahren ins Leben gerufen mit dem Ziel, die europäische Finanzbranche transparenter zu machen und Kapitalanlegern mehr Schutz zu bieten. Während die erste Fassung sich lediglich auf einige ausgewählte Anlageklassen und Wertpapiere bezogen hatte, ist MiFID in seiner neuesten Fassung deutlich umfangreicher.
Telefonische Beratungsgespräche und jede Form elektronischer Kommunikation müssen zum Schutz der Kunden nun aufgezeichnet, archiviert und fünf Jahre lang aufbewahrt werden.
Der Gesetzgeber bietet dabei nur wenig Hilfestellung und Banken, Versicherungen und Contact-Center im Finanzbereich sind selbst dafür verantwortlich, zum Jahresstart 2018 alle MiFID II-Anforderungen zu erfüllen. Die bezieht sich übrigens nicht nur auf Interaktionen, die am Ende tatsächlich zu einem Geschäftsabschluss zwischen Anbieter und Kunde führen. MiFID II sieht die Auszeichnung sämtlicher Kommunikation vor – also auch von Gesprächen, bei denen Anbieter lediglich Auskünfte erteilen oder beratend tätig sind, unabhängig vom Einverständnis des Kunden. Damit ist jede Organisation, die Wertpapiere vertreibt, von den MiFID II-Regelungen betroffen – vom kleinen Maklerbüro bis zu Banken.
Festhalten an Altsystemen kann Sie teuer zu stehen kommen
Weil sich in der täglichen Praxis Abgrenzungsfragen, wann ein Gespräch aufzuzeichnen ist und wann nicht, nur schwer spontan klären lassen, kommen Organisationen der Finanzbranche um technische Lösungen, die jede Art der Kommunikation durchgängig dokumentieren und sicher archivieren, nicht herum. Allerdings steht gerade die Finanzbranche hier vor einer technischen Herkules-Aufgabe: Die über Jahrzehnte gewachsene IT-Infrastruktur basiert größtenteils auf unflexiblen On-Premise-Lösunge. Die notwendigen Anpassungen, die MiFID II erfordern, ließen sich nur mit großem Aufwand durchführen.
In Anbetracht des knappen Zeitplans wird dies besonders für Organisationen, die mit der Umsetzung von MiFID II noch nicht einmal begonnen haben, zur “Mission Impossible” – ganz zu schweigen vom erheblichen finanziellen Aufwand, der mit der Entwicklung von Funktionen zur rechtssicheren Aufzeichnung der Kundenkommunikation verbunden wäre. Zudem manövrieren sich Organisationen in eine technische Sackgasse. Änderungen, die sie an ihren Legacy-Systemen im Schnellverfahren unter hohem Kostenaufwand durchführen, könnten schon in kurzer Zeit veraltet sein, wenn sich die Gesetzeslage erneut verändert.