Turbulenzen im Schulungsbereich: Hey, Teacher, leave us Kids alone. Schulungsunternehmen gehen pleite, Schulungsbereiche bei Distributoren werden zusammengelegt. Ist das Schlagwort des »lebenslanges Lernen« ein reines Lippenbekenntnis, und neigt sich das einst blühende Geschäft mit Trainings und Schulungen seinem Ende zu? Mitnichten ? allerdings kommt es darauf an, was und wie trainiert wird. Für VADs sind Schulungen nach wie vor ein Instrument der Kundenbindung und -Akquise, mit dem sie ihre Kompetenz beweisen. Me-too-Angebote allerdings haben keine Lebensberechtigung mehr.
Co-Autor: Peter Marwan
Die Meldungen der vergangenen Wochen lassen vermuten, dass es mit dem Geschäft mit den Trainings bergab geht: Der börsennotierte Schulungsanbieter GFN AG, der zuletzt rund 100 Mitarbeiter beschäftigte, musste für sich und seine gesamten Töchter, GFN E-Learning AG, Rent a Trainer GmbH, GFN Training GmbH sowie die GFN College GmbH Insolvenz anmelden. Der Schulungsbereich des Netzwerk-VADs Azlan aus dem Hause Tech Data, und der des Mitbewerbers Actebis Peacock, Peacock Campus, wollen ihre Trainingskapazitäten zusammenwerfen, der Trainingsbereich der mittlerweile weitgehend in Ingram Micro integrierten VAD-Tochter Compu-Shack wurde an Experteach verkauft.
»So wie vor zwei Jahren läuft das Schulungsgeschäft nicht mehr«, spürt Guido Nickenig, Education Manager beim Kölner Netzwerkdistributor Algol, und auch Martin Twickler, Geschäftsführer des Security-VADs TLK, konstatiert rückläufige Trainingsanmeldungen: »Während früher aus einem Systemhaus oft gleich vier, fünf Mitarbeiter zur Schulung anrückten, ist es eben heute nur noch einer.« Dieser gäbe sein Wissen an die Kollegen weiter, die dann beim Hersteller die Zertifizierung ablegten. Doch generell sei das Interesse an Schulungen vorhanden, darin sind sich die Distributoren einig. Allerdings komme es darauf an, was und wie geschult würde.
Große Schulungsunternehmen haben eine breite Palette von gängigen Schulungen und Zertifizierungen im Portfolio, die auf das Interesse an persönlicher Weiterbildung abzielen. Diese Rechnung geht jedoch inzwischen nicht mehr auf. In Zeiten schmaler Budgets hat der Kunde genau im Auge, was das Training konkret an Mehrwert für sein Unternehmen bringt. In Me-too-Schulungen von Word, Windows, Corel oder Excel investiert heute kein Firmenchef mehr, sondern fordert diesbezüglich die Weiterbildung der Mitarbeiter in Eigeninitiative.
»Deshalb wird sich auch E-Learning immer mehr durchsetzen«, prognostiziert Bärbel Schmidt, Geschäftsführerin von Actebis Peacock. Sie schätzt, dass Online-Trainings in naher Zukunft einen Anteil von 50 Prozent des Schulungsgeschäfts einnehmen werden. Und Twickler überspitzt: »Schulungscenter, die jetzt Schwierigkeiten haben, führen eine ganze Reihe an Kursen im Programm, die einfach überflüssig sind. Eine Schulung »wie pack? ich meinen Router aus?«, ist eben Nonsens.«
Doch nicht nur gekürzte Reisebudgets, oder verkleinerte Teams, die es viele Betrieben wirtschaftlich unmöglich machen, drei bis vier Wochen auf einen Mitarbeiter zu verzichten, machen den Broadlinern unter den Schulungsanbietern zu schaffen. Sie haben auch damit zu kämpfen, dass sich sowohl bei Microsoft als auch bei anderen wichtigen Marktgestaltern die Innovationszyklen verlängert haben. »Microsoft, aber auch Netzwerk- und Security-Anbieter, bringen inzwischen in wesentlich längeren Abständen etwas wirklich Neues«, hat etwa Nickenig beobachtet. Gleichzeitig macht sich bemerkbar, dass sowohl bei Endkunden als auch bei den Partnern inzwischen ein gutes Basiswissen bereits vorhanden ist. Darauf bauen viele IT-Spezialisten einfach im Selbststudium auf.
Nickenig hat zudem festgestellt, dass bei nicht mehr ganz neuen Technologien, wie etwa Voice over IP, das Gefühl vorherrsche, es handle sich dabei um einen alten Hut. In so einem Umfeld wird es natürlich schwierig, entsprechende Schulungen zu verkaufen. Geschürt wird diese Einstellung paradoxerweise durch die Präsentation vieler Hersteller: »Bei einer Produktvorstellung wird eine Web-Oberfläche präsentiert, über die das IP-Telefon konfiguriert wird, mit ein paar Mausklicks ist alles erledigt, und das war es dann«, beschreibt Nickenig. Wirklich in die Tiefe, bis auf Bits & Bytes, gehe das so gut wie nie. Genau da komme es dann aber bei Installationen in der Praxis zu Problemen.
Ein weiterer Fehler, der den Schulungsunwillen schürt: Viele Trainings sind zu allgemein gehalten. Es werden Themen angeboten wie »VoIP«, »Security« oder »Networking«. »Das ist alles und damit gar nichts«, moniert Twickler.
Was nach wie vor hoch im Kurs steht, sind gezielte Produktschulungen, die Fachhändler brauchen, um ihr technisches Know-how auf neustem Stand zu halten und Trainings, die sie für Hersteller-Zertifizierungen fit machen. Bei beiden ist klar die Erwartung mit dem Training verbunden, dass ein messbarer Wert durch die Schulung erzielt wird.
So erhält durch eine Zertifizierung der Partner bessere Konditionen und Betreuung und schafft damit erst die Voraussetzung, an bestimmte Projekte heranzukommen. »Es gibt heute kaum mehr Reseller, die einfach mal so aus Interesse eine Schulung besuchen. Zu uns kommen fast ausschließlich Partner, die eine Zertifizierung machen müssen, um ihren Status beim Hersteller zu behalten oder neu zu erwerben«, bestätigt Nickenig.
Für VADs sind qualitativ hochwertige Schulungen nach wie vor sowohl ein wichtiges Kundenbindungs- als auch Kundenakquise-Instrument. »Teilnehmer von Schulungen werden oft zu Kunden. Und es ist keine Seltenheit, dass dies Kunden des Mitbewerbs sind, der selbst keine oder nicht die richtigen Trainings anbietet«, berichtet Twickler.
VADs schulen heute nicht mehr nur Fachhändler: Einen guten Teil des Geschäftes machen sie inzwischen auch mit den Kunden ihrer Kunden. Nicht jeder Reseller hat die Kapazitäten, die IT-Verantwortlichen im Unternehmen mit den neuen Produkten vertraut zu machen. Darin besteht ein wichtiger Mehrwert für den Kunden und ein wichtiger Teil des Selbstverständnisses als Value Added Distributor.
____________________________________________
Schulungen sind nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal für Value Added Distributoren. Allerdings nur, wenn die Qualität stimmt. Die Anforderung der Kunden lautet: In den Trainings der VADs muss dezidiertes und tiefgehendes Fach-Know-how für verschiedenste Produkte und Technologien vermittelt werden, fokussiert auf ein fachliches Spezialgebiet wie Storage, Security, Networking etc. Der Mehrwert des VADs liegt also einmal in seiner detaillierten Expertise ? über Produkte, aber auch über das Zusammenspiel von Produkten.
Aber auch in dem Wissen, für welche Produkte Schulungen mit welcher Ausrichtung Sinn machen und für welche nicht. Durch die enge Zusammenarbeit mit Herstellern sind die Distributoren da klar im Vorteil gegenüber freien Schulungsunternehmen.