IT-Fachkräfte gewinnen und halten

Bochum hat das Know-how – jetzt braucht es die richtigen Anreize

18. Februar 2025, 9:00 Uhr | Interview: Diana Künstler
© Lutz Leitmann/Stadt Bochum

Bochum bildet Top-Talente in der IT aus – doch bleiben sie auch hier? Prof. Dr. Christian Zenger über die Herausforderung, Fachkräfte langfristig an die Stadt zu binden und warum IT-Sicherheit aus Bochum die Zukunft mitgestaltet.

Prof. Dr. Christian Zenger ist Gründer der Physec GmbH und seit 2023 Juniorprofessor für Secure Mobile Networking an der Ruhr-Universität Bochum. Er studierte in Köln, Bonn sowie den USA und promovierte an der RUB im Bereich Cyber-Physical Security und erhielt mehrere Auszeichnungen für seine Forschung im Bereich Wireless Physical Layer Security. Gemeinsam mit Dr. Heiko Koepke gründete er 2016 Physec. Die Firma ist spezialisiert auf IoT-Sicherheit. Prof. Dr. Zenger wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Innovationspreis NRW 2024, als Innovator unter 35, eine der weltweit renommiertesten Auszeichnungen des MIT Technology Review. Neben der Unternehmensführung setzt Zenger sich für die Wissensvermittlung und den Ausbau des Start-up-Mindsets an Universitäten ein.

Im Interview mit connect professional spricht Prof. Dr. Christian Zenger über Innovation, Fachkräfte und was Bochum tun muss, um international konkurrenzfähig zu werden.

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Christian Zenger, Physec
Prof. Dr. Christian Zenger, CEO und Co-Founder von Physec: „Im Kontext der IT-Sicherheit gehört Bochum international zu den Top-3-Standorten. Aufbauend auf der Ruhr-Universität und dem Max-Planck-Institut gibt es einige Unternehmen, die daraus entstanden sind, so wie wir die PHYSEC. Aber es gibt auch einige, die deshalb hier nach Bochum gekommen sind.“
© Lutz Leitmann/Stadt Bochum

connect professional: Welche spezifischen Standortvorteile bietet Bochum für IT-Unternehmen im Vergleich zu anderen Städten in Deutschland oder sogar international?  

Christian Zenger: Bochum zeichnet sich durch eine ausgezeichnete Bildungslandschaft aus und ist eine charmante Stadt. Mit Schwerpunkten in IT-Sicherheit, Informatik und Elektrotechnik bietet Bochum eine ideale Grundlage für technologische Innovationen und Talentförderung. Die ansässigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind führend und schaffen einen Pool an qualifizierten Fachkräften, der Unternehmen anzieht.

connect professional: Diesen Vorteilen zum Trotz ist von Bochum allerdings selten die Rede, wenn es um die besten Tech Hubs in Deutschland geht. Oft werden hier eher Berlin, München oder Karlsruhe genannt. Was meinen Sie, woran das liegt?  

Zenger: Bochum hat lange Zeit kaum oder nur unzureichend in ein starkes Standortmarketing investiert. Die Wahrnehmung als bedeutender IT-Standort blieb so oft aus, weil schlichtweg die finanziellen Mittel und Maßnahmen für überregionale Sichtbarkeit gefehlt haben.

connect professional: Wie bewerten Sie die Entwicklung von Bochum als IT-Standort in den letzten Jahren und welche Schlüsselereignisse haben Ihrer Meinung nach den größten Einfluss auf diese Entwicklung gehabt?  

Zenger: Die Entwicklung Bochums im IT-Bereich ist sehr positiv, insbesondere das Horst-Görtz-Institut (HGI)1 spielte dabei eine zentrale Rolle. Es hat entscheidend zur Stärkung des Standorts beigetragen und ein starkes Fundament für die IT-Sicherheitsbranche geschaffen.

connect professional: Welche Rolle spielen die Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Bochum bei der Förderung von Innovationen und der Ausbildung von IT-Fachkräften?  

Zenger: Die Hochschulen sind für die Ausbildung von IT-Fachkräften von überragender Bedeutung und leisten hervorragende Arbeit. Im Bereich Innovation wäre allerdings eine gezielte Förderung wünschenswert, da der Impuls für Innovationen bisher stark von einzelnen Personen abhängig ist.

connect professional: Inwiefern beeinflussen lokale Förderprogramme, politische Entscheidungen oder städtische Initiativen Ihre Entscheidung, in Bochum zu investieren oder den Standort weiter auszubauen?  

Zenger: Für uns ist Bochum als Standort für IT-Sicherheit und als unsere Heimat entscheidend – der Standort selbst ist also der Grund, warum wir hier sind. Förderprogramme und Initiativen sind leider bisher kaum spürbar, was jedoch Potenzial für zukünftige Verbesserungen bietet.

connect professional: Wie wichtig sind für Ihr Unternehmen die Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen IT-Unternehmen in Bochum und der Region? Sehen Sie hier noch Ausbaupotenzial?  

Zenger: Die Zusammenarbeit ist sehr wichtig, allerdings fehlen noch regelmäßige Vernetzungsveranstaltungen, die Innovationen und die bestehende Industrie stärker zusammenbringen. Außerdem wäre eine Gemeinschaftseinrichtung wie eine Kantine auf dem Innovationsquartier MARK 51°72, das Wissenschaft und Wirtschaft zusammenbringt, wichtig, um informelle Austauschmöglichkeiten zu fördern und den Standort noch attraktiver zu machen.

Bochum
„Es wäre ideal, wenn es mehr Gelegenheiten gäbe, uns und unsere IoT-Lösungen den ansässigen Unternehmen zu präsentieren und verstärkt in den Austausch mit anderen lokalen Akteuren zu kommen“, regt Christian Zenger an, um die Zusammenarbeit zwischen Bochums Forschung und Wirtschaft zu optimieren.
© Lutz Leitmann/Stadt Bochum

connect professional: Technologietransfer spielt eine zentrale Rolle in Ihrem Unternehmen. Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft in Bochum – und wie könnte dieser Transfer noch weiter gefördert werden?

Zenger: Die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Wirtschaft funktioniert bereits gut, könnte aber durch gezieltere Plattformen für Präsentation und Vernetzung weiter optimiert werden. Es wäre ideal, wenn es mehr Gelegenheiten gäbe, uns und unsere IoT-Lösungen den ansässigen Unternehmen zu präsentieren und verstärkt in den Austausch mit anderen lokalen Akteuren zu kommen.

connect professional: Wie bewerten Sie die Lebensqualität in Bochum für Fachkräfte im IT-Bereich? Ist die Stadt attraktiv genug, um Top-Talente anzuziehen und zu halten?  

Zenger: Bochum ist eine äußerst attraktive Stadt für Fachkräfte: Sie bietet ein starkes soziales Umfeld, Nähe zu Hochschulen und ein reiches kulturelles Leben. Leider leidet das Image der Stadt immer noch unter dem veralteten „grauen“ Stempel, der der Realität schon lange nicht mehr gerecht wird.

connect professional: Welche Herausforderungen sehen Sie für Bochum, um sich langfristig als attraktiver IT-Standort zu positionieren?  

Zenger: Bochum benötigt dringend zusätzliche Investitionen und Strategien zur langfristigen Bindung von Talenten. Besonders wichtig ist es, hochqualifizierte Fachkräfte vor Ort zu halten. Wenn exzellente Köpfe wie Prof. Dr. Thorsten Holz Bochum verlassen, zeigt das den Handlungsbedarf auf, Fachkräfte stärker an die Stadt zu binden.

connect professional: Welche zukünftigen IT-Trends und -Technologien könnten Bochum besonders beeinflussen oder sogar aus der Stadt heraus gefördert werden? Und wie stellen Sie sich auf diese Entwicklungen ein?

Zenger: Eine stärkere Vernetzung zwischen verschiedenen Branchen – etwa im Bereich Gesundheitswesen und Informatik – könnte in Bochum ein enormes Potenzial entfalten. Solche Ansätze könnten aus Bochum heraus forciert werden, um den Standort für die Zukunft weiter zu stärken.

1 https://hgi.rub.de/
https://www.mark51-7.de/


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