Bevor die DSGVO im vergangenen Mai in Kraft trat, herrschte in vielen Firmen, Behörden, Vereinen und sonstigen Organisationen nicht grundlos wochenlang hektisches Treiben, das sich meist in einem planlosen Aktionismus erschöpfte. Die drakonisch hohe Strafe bis 20 Millionen Euro oder vier Prozent des Jahresumsatzes einer Firma bei einem Verstoß gegen das Gesetz zeigte und zeigt immer noch Wirkung. Fünf Monate danach ist das eingetreten, was Experten vorhergesagt haben: heillose Verwirrung.
Mit der Folge, dass viele vor der DSGVO kapitulieren und das Rad der Digitalisierung wieder zurück in die analoge Vergangenheit drehen. Verunsicherte Lehrer zum Beispiel: Einige gehen dazu über, Zeugnisse wieder per Hand zu schreiben, um das auf sie von der Schulleitung abgewälzte Risiko eines Datenschutzverstoßes nicht in Kauf nehmen zu müssen, wenn sie auf ihren privaten Computern Schülerdaten speichern, die dann womöglich gehackt oder gestohlen werden könnten. 100-prozentige Sicherheit gibt es schließlich nicht.
Ungewollte Schützenhilfe erhalten Anwälte ausgerechnet von Datenschützern selbst, die eigentlich wissen müssten, was unter die DSGVO fällt und was nicht. Datenschutzbeauftragte, netzpolitische Sprecher von Parteien und sonstige Experten, die sich berufen fühlen, zum Thema Datenschutz sprechen zu können, schaffen allerdings keine Klarheit, weil sie sich oft genug widersprechen, welche Fälle die DSGVO abdeckt und welche nicht.
Datenschützer würden die DSGVO bewusst überinterpretieren, bedauert Axel Voss, CDU-Abgeordneter im EU-Parlament und er nennt ein Beispiel: Vorliegende Einwilligungen zur Datenspeicherung, beispielsweise von Newsletter-Empfängern, hätten mit Inkrafttreten der DSGVO nicht erneut eingeholt werden müssen. Auch abschließbare Schränke müsse man nicht kaufen, um Akten oder PCs mit personenbezogenen Daten diebstahlsicher zu verwahren. Solche Auslegungen von übermotivierten Datenschützern gingen laut dem Politiker zu weit. Sein ernüchterndes Fazit: Gut gemeint, aber leider zu schlecht gemacht, wahrscheinlich werde keiner die DSGVO ganz umsetzen können, so seine Einschätzung.
So schwankt auch das Urteil über die Bedeutung der DSGVO zwischen EU-Exportschlager und Datenschutzvorbild für andere Staaten und Konjunkturprogramm für Anwälte und Datenschutzbeauftragte und leider auch für ohnehin überlastete Richter, die über Irrungen und Wirrungen des Datenschutzes zu Gericht sitzen.