Der Gag ist aus vielen Spielfilmen bekannt: Aus einem pixeligen, unscharfen Überwachungsvideo generieren die Experten nach einigem Zoomen ein brauchbares Fahndungsfoto. Doch auch das Marketing der Kamerahersteller trägt mit vermeintlichen Qualitätsmerkmalen ihrer Überwachungsprodukte nicht immer zu einer realen Einschätzung der technischen Möglichkeiten bei. Der Beitrag will falsche Erwartungen beim Einsatz von IP-Video aufdecken und gleichzeitig aufzeigen, worauf es bei einer effektiven und forensisch relevanten Nutzung von Netzwerkkameras wirklich ankommt.Videotechnik kommt nicht nur bei strahlendem Sonnenschein oder in den bestbeleuchteten Bereichen einer Lagerhalle zum Einsatz, vielmehr stellen die 24/7-Anforderungen und der Wechsel der Jahreszeiten eine ständige Herausforderung an die Technik dar. Besonders wichtig ist es, einen kritischen Blick auf die verfügbaren Auflösungen und die damit verbundenen Einschränkungen zu werfen. Pauschal lässt sich sagen: Je höher die Auflösung einer Kamera, desto geringer ist ihre Lichtempfindlichkeit. Das Optimum in puncto Lichtempfindlichkeit bringen heutige Kameras im Bereich der HDTV-720p-Auflösung mit. Kameras mit 1080p-Auflösung gibt es zwar schon seit einigen Jahren, allerdings kommen erst jetzt die ersten wirklich lichtempfindlichen Modelle auf den Markt. Lichtempfindlichkeit und Auflösung Die Lichtempfindlichkeit ist nach wie vor eines der Hauptunterscheidungsmerkmale in der Videotechnik. Für den Laien lässt sie sich allerdings nur schwer bewerten. Die Lux-Angaben in den Datenblättern einer Kamera unterliegen keinerlei Standards oder allgemeingültigen Messmethoden, und es hängt in erster Linie von der individuellen Einschätzung des jeweiligen Herstellers ab, welchen Wert er für seine Kamera vergibt. Besonders kritisch ist die Angabe der Lichtempfindlichkeit bei Belichtungszeiten größer als 1/25 Sekunde zu betrachten, denn dies bedeutet in der Praxis, dass die Fähigkeit der Kamera deutlich abnimmt, Bewegungen im Bild vernünftig darzustellen. In Bild 1 sind zur Verdeutlichung vier Kameras auf dieselbe Szene ausgerichtet: oben links eine Thermalkamera als Referenzkamera sowie drei Modelle der Axis P1354 jeweils mit manuell fest eingestellten Belichtungszeiten. Letztere betragen oben rechts 1/6 s, unten rechts 1/2 s und unten links 1/30 s. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Person in den beiden Aufnahmen mit langen Belichtungszeiten (1/6 s und 1/2 s) unsichtbar wird und damit relevante Bildinformationen fehlen. Liefert eine Kamera nachts zu dunkle Bilder, ist eine zusätzliche Beleuchtung dringend erforderlich. In der Praxis bewirkt eine lichtschwache Kamera darüber hinaus einen deutlichen Anstieg von Bandbreite und Speicherbedarf - bedingt durch ein für die Komprimierungsmethoden ungünstiges Bildrauschen. Unter diesen Umständen kann eine auf 30 Tage ausgelegte Festplattenkapazität womöglich nur für wenige Tage ausreichen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass der Low-Light-Bereich von Kameras bereits unterhalb 500 bis 1.000 Lux beginnt, also in Bereichen, die wir Menschen immer noch als hell bezeichnen. Anwendungsgebiete und Pixel-Dichte Besonders komplex stellt sich die Bestimmung der erforderlichen Auflösung für einen bestimmten Anwendungszweck dar. Als Hilfestellung dienen zwei grundlegende Regeln: Die erste Regel beinhaltet die Frage nach dem Einsatzzweck: Grundsätzlich ist zwischen Kameras mit dem Anspruch zur Identifikation (Gesichter, Kennzeichen etc.) sowie Kameras für die Darstellung einer Übersicht zu unterscheiden. Die zweite Grundregel besagt, dass diese beiden Zwecke prinzipiell nicht in einer Kamera vermischt werden sollten, Kompromisslösungen wirken sich im Regelfall negativ auf die Identifizierbarkeit aus. Dies ist in der Theorie einfacher als in der Praxis: Besonders bei hohem Kostendruck oder mit dem Wunsch der Minimierung des technischen Aufwands ist der Anwender schnell geneigt, solche Kompromisse einzugehen. Weitere Orientierung gibt die DIN EN 50132-7: Sie klassifiziert sechs Anwendungszwecke und versieht diese mit Angaben zur Pixel-Dichte (Bild 2). Pauschal lässt sich sagen, dass Pixel-Dichten unter 250 Pixel/Meter eher in die Kategorie der Übersichtskameras fallen, während mehr als 250 Pixel/Meter für Identifikationszwecke als geeignet gelten. Die Grenzen sind dabei nicht starr, und ein gutes Bild hängt selbstverständlich noch von weiteren Faktoren ab. Neigungswinkel in der Vertikalen und Horizontalen sollten bei Identifikationskameras deutlich unter 22,5° liegen. Ein horizontaler Öffnungswinkel unter 45° verspricht die besten Ergebnisse sowohl hinsichtlich des Betrachtungswinkels als auch in puncto optische Verzerrungen in den Randbereichen des Bilds. Letztere nehmen mit größeren Öffnungswinkeln deutlich zu. Dynamikumfang und WDR Gegenlicht stellt in der Videotechnik ebenso wie in der Fotografie eine große Herausforderung dar. In der Fotografie lässt sich dieser mit Mehrfachbelichtung und anschließender Bearbeitung der Bilder begegnen. In der Videotechnik hingegen ist von einem Bewegungsanteil im Bild ausgehen, außerdem muss die Gegenlichtkompensation auch für alle 25 bis 30 Bilder pro Sekunde funktionieren. Die entsprechende WDR-Technik (Wide Dynamic Range) im Bereich der Videotechnik bewerben die Hersteller sehr stark und belegen sie häufig mit der Angabe möglichst hoher dB-Werte für den Dynamikumfang. Leider gibt es auch für diese Angaben - ebenso wie für die Lichtempfindlichkeit - keine allgemein gültige Definition. In einer Szene mit einer extremen Lichtquelle und einem sehr hohen Lichtwert (zum Beispiel >100.000 Lux) ist es praktisch unmöglich, eine Stelle zu finden, in der die Beleuchtung einen sehr geringen Wert aufweist (zum Beispiel 0,1 Lux). Ob eine Kamera mit guten WDR-Eigenschaften ausgestattet ist, lässt sich relativ einfach testen: Dazu ist beispielsweise eine Person vor einem hellen Hintergrund (Fenster) zu positionieren. Die Kamera wird nun so ausgerichtet und eingestellt, dass sie den kompletten Oberkörper und den Kopf abbildet. Ist das Gesicht gut erkennbar, zeichnet man anschließend Bewegungen der Person auf. Sind auch diese sauber dargestellt, ohne dass es zu Bildfehlern kommt (Geisterbilder zusätzlicher Arme oder Löcher im Bild), dann verfügt die Kamera in aller Regel über ausreichend gute WDR-Eigenschaften. Infrarot-Beleuchtung und IR-LEDs Wenn sich die Beleuchtung in einer Szene sehr stark reduziert, schalten die meisten Überwachungskameras in den Schwarz-Weiß-Betrieb um. Bei lichtschwachen Kameras geschieht dies naturgemäß früher als bei lichtstarken. Liegt eine gewisse Grundbeleuchtung beispielsweise durch Straßenlaternen vor, können leistungsfähige Kameras sowohl tagsüber als auch nachts im Farbbetrieb bleiben. Die übliche Umschaltung von Farb- auf Schwarz-Weiß-Bilder geht in erster Linie mit dem Verlust der Farbinformationen einher, wenn man zusätzliche Effekte wie Bildrauschen und Bewegungsunschärfen unberücksichtigt lässt. Sind die Bilder so dunkel, dass die Kameratechnik keine vernünftigen Ergebnisse mehr liefert, ist eine Zusatzbeleuchtung erforderlich - wahlweise im sichtbaren oder im für das menschliche Auge unsichtbaren Infrarot-(IR-)Lichtbereich. Falls die freie Wahl besteht, ist der sichtbare Lichtbereich zu bevorzugen. Dieser liefert einerseits die besten Bildinformationen und bewirkt andererseits die größtmögliche Abschreckung im Überwachungsbereich. Beim Einsatz von IR-Beleuchtung gehen nicht nur Farbinformationen verloren, sondern helle Farben können plötzlich dunkel erscheinen und umgekehrt. Auch fahndungsrelevante Informationen wie Textilmuster sind häufig nicht mehr erkennbar, was vor allem bei Installationen mit einem hohen Sicherheitsanspruch zu berücksichtigen ist. Die linke Aufnahme von Bild 3 beispielsweise stellt die Farben korrekt dar, in der rechten, unter IR-Beleuchtung, erscheinen das Hemd und die Mütze der Person weiß. IR-LEDs, die bereits in der Kamera verbaut sind, bieten eine praktische Möglichkeit, um künstliche Beleuchtung in die zu überwachende Szene zu bringen. Allerdings sollte der Nutzer beim Kauf auf das Alter der verwendeten LED-Technik achten. Als veraltet gelten sogenannte PTH-LEDs (Plated Through Hole) - zumeist erkennbar an der Vielzahl kreisförmig um das Objektiv angeordneter LEDs. Diese lassen sich schlecht kühlen, geben viel Wärme ab und verfügen über eine geringere Lebensdauer. Als wesentlich langlebiger und hochwertiger gelten sogenannte SMD-LEDs (Surface Mounted Device), deren Lichtausbeute deutlich höher ist, was wiederum die erforderliche Anzahl an LEDs merklich reduziert. Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist die Homogenität der Ausleuchtung. Veraltete Technik ist leicht daran erkennbar, dass das Bild mittig in einem Kreis zwar gut ausgeleuchtet ist, die Randbereiche aber deutlich dunkler ausfallen. Mit professionell gestalteten Linsen vor den LEDs lässt sich der gesamte Bildbereich wesentlich besser ausleuchten und eine effizientere Lichtstreuung erreichen. Darüber hinaus sorgen sogenannte adaptive Belichtungssteuerungen in modernen Kameras dafür, dass zum Beispiel eine Person, die direkt auf eine Kamera mit IR-LEDs zugeht, nicht komplett überbelichtet erscheint. Die Kamera regelt automatisch nach und ermöglicht so eine wesentlich bessere Erkennbarkeit im Bild. 180°/360°-Kameras: Perfekt für die Übersicht Hemisphärische 180°/360°-Kameras (Wand-/Deckenmontage), die mit einem Sensor und einem Fisheye-Objektiv einen sehr großen Öffnungswinkel bieten, sind bei Anwendern sehr beliebt: Mit wenigen Kameras lässt sich so ein sehr großer Bereich schnell und vor allem kostengünstig überwachen. Eine der wesentlichen Einschränkungen dabei ist die Tatsache, dass eine Identifikation mit diesem Kameratyp nur bei einem äußerst kurzen Abstand zum Überwachungsobjekt möglich ist. In puncto Auflösung sollte der Anwender bei diesen Modellen mit fünf Megapixeln arbeiten. Dabei ist zu beachten, dass einige Hersteller zwar einen 5-Megapixel-Sensor verwenden, aber Standbilder und Videoströme nur mit maximal drei Megapixeln oder weniger liefern können. Bei den Modellen im Außenbereich empfiehlt sich der Einsatz von Tag/Nacht-fähigen Modellen mit einem beweglichen Infrarot-Sperrfilter. So wird die Kamera im Nachtbetrieb noch lichtempfindlicher, und die Szenerie lässt sich im Zusammenspiel mit IR-Beleuchtung zusätzlich erhellen. Besonders wichtig ist bei dieser Art von Kameras das Thema Datenschutz. An der Grundstücksgrenze oder der Eingangstür etwa in Verbindung mit der Gegensprechanlage eingesetzt, kann diese einen erheblichen Teil des öffentlichen Raums erfassen. Dies ist grundsätzlich nicht zulässig, und der Anwender sollte es tunlichst vermeiden. Fazit Die manchmal in Spielfilmen suggerierten fantastischen Möglichkeiten im Bereich der Videoüberwachung schüren übertriebene Erwartungen und gehen in der Regel weit über das heute technisch Machbare hinaus. In der Praxis sollte die Wahl der Auflösung gut überlegt sein. Wenn es um Pixel-Dichten geht, lässt sich im Kontext der DIN-Norm EN 50132-7 eine Reihe von hilfreichen Informationen finden. Auflösungsdichten von mindestens 250 Pixel/Meter sind minimale Voraussetzung für Identifikationszwecke, idealerweise kommen 1.000 Pixel/Meter zum Einsatz. Lichtempfindlichkeit und Dynamikumfang (WDR) sind elementare Kameraeigenschaften, die aber prinzipiell kritisch zu hinterfragen sind, zumal die Informationen in den Datenblättern der Hersteller stark voneinander abweichen. Beides sollte der Anwender im Rahmen von Praxistests unbedingt mit bewegten Objekten überprüfen und nicht nur über statische Bilder beurteilen. Infrarotbeleuchtung bringt gewisse Einschränkungen mit sich, die dem Laien oft wenig bekannt sind. Beim Einsatz von Kameras mit integrierter IR-LED-Beleuchtung sollte der Anwender auf neueste Technik achten, damit die Videobilder möglichst gut verwendbar sind. 180°/360°-Kameras sind ideal für die Übersicht aber eine Herausforderung bei Identifikationsaufgaben, datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen gilt es dabei unbedingt zu beachten.