Klinik-Cybersicherheit: Plattformansätze für mehr Resilienz
Angesichts wachsender Cyberbedrohungen und begrenzter Budgets stehen Kliniken vor der Herausforderung, ihre IT-Infrastruktur widerstandsfähig zu machen. Integrierte Sicherheitsplattformen sollen dabei helfen, Risiken zu minimieren, Compliance-Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig zu bleiben.
Krankenhäuser stehen unter Druck: Die Patientenversorgung entwickelt sich in Richtung mehr Digitalisierung, Vernetzung und Datennutzung. Im Zuge dessen wachsen die Angriffsflächen und Risiken durch Cyberattacken. Immer häufiger geraten Gesundheitseinrichtungen ins Visier von Hackerangriffen. Was auf dem Spiel steht, geht längst über den Schutz von Patientendaten hinaus. Betroffen sind kritische Infrastrukturen, die Betriebsfähigkeit der Einrichtungen und letztendlich die Sicherheit von Menschenleben. Die EU-Mitgliedstaaten meldeten im Jahr 2023 309 schwerwiegende Cybersicherheitsvorfälle, von denen der Gesundheitssektor betroffen war – mehr als in jedem anderen kritischen Sektor.
Gefahr erkannt, Problem gebannt?
Allen Risiken zum Trotz bleibt die Reaktion vieler Kliniken aus strukturellen Gründen zögerlich. Ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologie SIT hat die IT-Sicherheit von Krankenhausinformationssystemen (KIS) untersucht und Sicherheitslücken in der Datenübertragung, der Zugangsverwaltung sowie bei der Verteilung von Software-Updates gefunden. Die Gründe für die Sicherheitslücken sind vielfältig. Einerseits fehlt es an finanziellen und personellen Ressourcen. Andererseits ist die IT-Landschaft in vielen Häusern über Jahre heterogen und intransparent gewachsen. Zahlreiche Speziallösungen, veraltete Geräte und nicht mehr unterstützte Betriebssysteme ohne aktuelle Sicherheitsupdates gehören zur Tagesordnung.
Außerdem sorgt die Digitalisierung für eine explosionsartige Zunahme vernetzter Medizingeräte. Prognosen zufolge werden bis zum Jahr 2026 mehr als 70 Prozent aller medizinischen Geräte onlinefähig sein. Das bedeutet Millionen potenzieller Einfallstore für Cyberkriminelle, von denen viele unzureichend abgesichert sind.
Budgetrestriktionen treffen auf wachsende Anforderungen
Besonders problematisch ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund angespannter Klinikhaushalte. Vielerorts gilt: Sicherheit ja, aber bitte ohne Mehrkosten. Doch IT-Sicherheit ist ein kontinuierlicher Prozess, der Investitionen, Expertise und klare Zuständigkeiten erfordert. Dabei stehen die Verantwortlichen unter doppeltem Druck. Einerseits verschärft sich die Bedrohungslage, andererseits die regulatorischen Anforderungen, etwa durch die Medizinprodukteverordnung (Medical Device Regulation, MDR) der Europäischen Union (EU) und ihre zweite Richtlinie zur Netzwerk- und Informationssicherheit (Network and Information Security Directive 2, NIS2).
Gerade die MDR-Implementierung kann für Medizinprodukte-Hersteller erhebliche Kosten verursachen. Diese Kosten variieren stark je nach Größe des Unternehmens, der Komplexität der Produkte und dem aktuellen Stand der Compliance. Doch ungeachtet der wirtschaftlichen Situation jedes einzelnen Hauses sind die Ausgaben aber dennoch zwingend erforderlich, um gesetzeskonform und sicher zu operieren.
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Effizienz durch einheitliche Plattformlösungen
Die Lösung besteht in einem konsolidierten, plattformbasierten Sicherheitsansatz. Statt vieler Einzelprodukte setzen immer mehr Einrichtungen auf einheitliche Sicherheitsplattformen, die Endpunkte, Netzwerke, Cloud-Umgebungen und Geräte des Internet of Medical Things (IoMT) in einem System abdecken.
Solche Ansätze nutzen KI, um Anomalien frühzeitig zu erkennen, Risiken zu bewerten und automatisiert Gegenmaßnahmen einzuleiten, durch die infizierte Geräte sofort vom Netz getrennt oder verdächtige Datenbewegungen blockiert werden. Gleichzeitig reduzieren sie den operativen Aufwand erheblich: Weniger manuelle Eingriffe, konsistente Regelwerke und zentrale Dashboards sorgen für mehr Transparenz und Kontrolle bei geringerem Ressourceneinsatz.
Kosteneffizienz durch Konsolidierung
Gerade angesichts begrenzter Budgets ist der wirtschaftliche Aspekt entscheidend. Integrierte Plattformen ermöglichen eine wirksamere Gefahrenabwehr sowie messbare Einsparungen bei Lizenzkosten, Schulungen und Wartung. Durch den Einsatz einer Plattformlösung halbierte die Klinikgruppe Nuffield Health aus Großbritannien den Zeit- und Ressourcenbedarf für ihr Sicherheitsmanagement.
Auch in der DACH-Region zeichnet sich ein Umdenken ab. Statt Sicherheitslücken punktuell zu schließen, erkennen immer mehr Kliniken den strategischen Mehrwert einer ganzheitlichen Cyberabwehr. Denn im Vergleich zur Investition in eine Plattformlösung verursacht jeder erfolgreiche Angriff ein Vielfaches an Kosten durch Betriebsunterbrechungen, Datenverlust oder -wiederherstellung, Bußgelder oder Reputationsverluste.
Sicherheit als Qualitätsmerkmal
Eine funktionierende IT-Sicherheitsarchitektur schützt nicht nur Daten, sondern auch den Klinikbetrieb und damit Leben. Wenn Ransomware OP-Pläne blockiert, Labordaten nicht mehr abrufbar sind oder ganze Standorte vom Netz genommen werden müssen, ist die medizinische Versorgung von Patienten real gefährdet. Sicherheit wird so zum Qualitätsmerkmal und Wettbewerbsfaktor im Gesundheitswesen.
Kliniken, die frühzeitig in Plattformlösungen investieren, verschaffen sich nicht nur einen Vorsprung in puncto Resilienz. Sie gewinnen auch Freiräume, etwa um ihre Sicherheitsteams strategischer einzusetzen, Audits effizienter zu bestehen oder neue digitale Dienste sicher einzuführen. Und sie stärken das Vertrauen der Patienten in eine moderne, verantwortungsbewusste Versorgung.
Weniger Komplexität, mehr Wirkung
IT-Sicherheit muss kein Kostentreiber sein. Denn wer Komplexität reduziert, Ressourcen bündelt und auf integrierte Systeme setzt, erzielt oft mit weniger Aufwand bessere Sicherheitsergebnisse. Für Kliniken heißt das, nicht mehr Einzelmaßnahmen nebeneinanderzustellen, sondern strategisch zu konsolidieren. So lassen sich Sicherheit, Compliance und Wirtschaftlichkeit besser in Einklang bringen. Der Weg dorthin beginnt mit einer ehrlichen Bestandsaufnahme und der Bereitschaft für neue Ansätze.