Internet-Überwachung

Nicht ganz so freie Meinungsäußerung

11. April 2016, 15:02 Uhr | Daniel Dubsky

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Schweigespirale im Netz

Bereits in den 1970er Jahren hatte die Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann die Theorie von der »Schweigespirale« formuliert, nach der Menschen sich schwerer tun, ihre Meinung zu äußern, je stärker diese von der Mehrheitsmeinung abweicht. Diesen Effekt gibt es auch im Internet, vor allem in sozialen Netzwerken, in denen die Nutzer in ihrer eigenen »Filterblase« bleiben und ihren Standpunkt oft an dem ihrer Kontakte ausrichten.

Grund für dieses Verhalten ist die Angst vor sozialer Isolation – oder im Falle von Internet-Überwachung die Angst vor einer Bestrafung. Diese mag in Diktaturen stärker ausgeprägt sein als in demokratischen Staaten, dennoch beeinflusst auch dort die Kontrolle des Internets das Kommunikationsverhalten, wie Elizabeth Stoycheff von der Wayne State University in der angesprochenen Studie nachweisen konnte (PDF). Sie präsentierte 255 Untersuchungsteilnehmern ein Facebook-Post zur Bombardierung von IS-Terroristen im Irak und fragte, wie sie dieses liken, teilen oder kommentieren würden. Einige der Probanden wurden dabei darauf hingewiesen, dass sie ihre ehrliche Meinung äußern sollen, aber im Hinterkopf behalten müssten, dass die NSA die Online-Aktivitäten von Internet-Nutzern überwacht und man nicht garantieren könne, dass die Antworten vertraulich bleiben.

Interessanterweise ließen sich diejenigen, die zuvor angegeben hatten, der Überwachung ablehnend gegenüberzustehen, kaum davon abhalten, ihre Meinung zu äußern. Die Nutzer dagegen, die die Überwachung akzeptieren, wurden deutlich zurückhaltender, wenn ihre Ansichten von der angenommenen Mehrheitsmeinung abwichen. Am stärksten ließen sich Stoycheff zufolge die Nutzer beeinflussen, die angegeben hatten, die staatliche Kontrolle sei notwendig, um die nationale Sicherheit aufrechtzuerhalten, und sie hätten ohnehin nichts zu verbergen.

Die Argumentation von Überwachungsbefürwortern, wer nichts zu verbergen habe, hätte auch nichts zu befürchten, ist demnach eine scheinheilige. Denn gerade wer glaubt, er habe nichts zu verheimlichen, passt sich besonders stark an, um nicht aufzufallen – das aber auch nur, wenn er der Überwachung gewahr ist. Als Zyniker könnte man nun anmerken, man brauche die Überwachung nur totzuschweigen, um auch deren Anhängern eine freie Meinungsäußerung zu ermöglichen.


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