Chiphersteller sind vom Primat der Leistungssteigerung getrieben, IT-Sicherheit rangiert erst an zweiter Stelle. Man mag sich die schöne neue Digitalwelt gar nicht erst vorstellen, wenn die Branche aus dem jüngsten CPU-Gate keine Konsequenzen zieht.
Editorial CRN 3/2018
Ältere Rechner können bis zu 30 Prozent langsamer werden, Antivirenprogramme funktionieren nicht mehr, einige AMD-basierte Windows-Geräte verharren im Blue-Screen-Modus, Updates werden hektisch und daher schlampig programmiert und wieder zurückgerufen, immer mehr Computer wie Thin Clients, NAS-Systeme sowie Dienste von Plattformanbietern sind von den Chip-Bugs »Spectre« und »Meltdown« betroffen. Den Überblick über die fast täglich neu ausgerollten Updates für eine Unzahl von Prozessoren können selbst Experten nicht mehr behalten, wie sie CRN gegenüber bestätigen.
Die seit zwei Dekaden unsichere Chiparchitektur ist, wie erst zu Jahresanfang bekannt, schon schlimm genug, die Folgen zeigen sich indes erst jetzt, und sie sind, man kann es nicht anders sagen, für Anwender, Computerhersteller und den Fachhandel katastrophal.
Bis eine neue Chipgeneration ohne Design-Risiken auf den Markt kommt, können noch Jahre vergehen. Daher muss Intel schnell reagieren: In wenigen Tagen seien Updates für 90 Prozent der Prozessoren verfügbar, die in den vergangenen fünf Jahren hergestellt wurden, teilte Intel immerhin prompt mit. Bis Ende Januar wolle man dann auch die Lücken in seinen älteren Chips per Software schließen. Der Schaden und Vertrauensverlust ist dennoch immens. Wie sich die aktuelle Krise auf das Käuferverhalten in den nächsten Wochen und Monaten auswirken wird, ist aktuell noch nicht abzusehen.
Die Seitenkanal-Attacken auf Prozessoren seien erst der Anfang einer neuen Angriffsmethode, sagen Experten voraus. Das ist vor allem ein schwerer Vertrauensverlust in die Halbleiterhersteller, die beim Design ihrer Chips zuallererst von Leistungssteigerung getrieben sind und offenbar erst an zweiter Stelle Sicherheitsaspekte berücksichtigen.
Es hätte längst umgekehrt sein müssen, denn wenn schon das Herz aller Computer mangelhaft schlägt, möchte man sich potenziell unsichere Zukunftstechnologien in vernetzter Mobilität oder im Smart Grid erst gar nicht vorstellen.
Mit den besten Grüßen,
Martin Fryba
CRN-Chefredakteur