Nimmt man die Ängste der Menschen ernst und orientiert sich zugleich am menschlichen Denken, lässt sich selbst Terrorismusbekämpfung mit verringerten Nebenwirkungen betreiben. Diese Erkenntnis verbreitete auf der CeBIT 2008 der Hersteller Co-Decision auf dem französischen Gemeinschaftsstand. Seine Software fördert bei der Terrorismusbekämpfung internationale Zusammenarbeit, ohne nationale Eigenheiten und kulturelle Besonderheiten im Datenschutz anzutasten.
Co-Decision hat eine Lösung namens Decider Track entwickelt. Sie basiert auf kooperierenden
Softwareagenten für reale Agenten und Polizeikräfte. Das System kann sich an unterschiedlichste
Datenbanken ankoppeln und unterstützt typisch menschliche Vorgehensweisen bei diffusen
Verdachtsfällen. In den USA, Kanada sowie einigen europäischen, asiatischen und sogar arabischen
Ländern ist das Produkt entweder bereits im Einsatz oder in der Diskussion.
Der Charme des Ganzen: Es funktioniert ohne zentrale Verdächtigendatenbank. Die von
Datenschützern gefürchtete Zusammenführung von Bürgerdaten lässt sich durch den Einsatz des
Produkts vermeiden. Die Zusammenschaltung der Datenbanken und Kommunikationssysteme erfolgt nur
temporär, auf eine spezielle Fahndung ausgerichtet und im Falle einer konkreten Gefahr. Wer nicht
ohnehin aufs Radar der Fahnder gerät, muss somit auch nicht zentralisiert erfasst werden.
Dies hat zwei konkrete Vorteile: Erstens ist es nicht notwendig, Bürgerdaten an die
Zentraldatenbanken von Ländern zu übergeben, deren demokratischer Zukunft man nicht unbedingt
vertrauen kann – was im Grunde auf jedes Land zutreffen könnte. Zweitens ist auch eine
Zusammenarbeit zwischen Diensten und Ländern möglich, die sich nicht weit genug über den Weg
trauen, als dass sie mehr als das unbedingt notwendige Maß an Informationen austauschen wollten.
Die arabischen Emirate und die USA etwa werden noch lange keine gemeinsame Verdächtigendatenbank
haben, können aber durchaus schon bei konkreter Gefahr begrenzt kooperieren.
Die Funktionsweise von Decider Track lässt sich am besten anhand eines Beispielfalls erklären:
Hat ein Fahnder irgendwo auf der Welt den Verdacht, die Wahrscheinlichkeit eines terroristischen
Anschlags sei im Steigen begriffen, wählt er sich an seiner Konsole in das System ein und
authentifiziert sich unter Angabe seiner Rolle. Dann stellt er sich ein Netz an Softwareknoten
zusammen, die bei Agenturen und Dienststellen auf der ganzen Welt verteilt sind und ihm vielleicht
Entscheidungshilfen geben können. Er startet eine zunächst wenig zielgerichtete Suche nach
Hinweisen auf erhöhte terroristische Aktivitäten, die die Finanzierungskomponente einschließen –
Decider Track gibt es nicht umsonst auch in einer Version, die Aktienhändlern bei Kaufs- und
Verkaufsentscheidungen hilft. Vielleicht melden dem Agenten dann einige der angeschlossenen
Datenbanken Einträge, bei denen zum Beispiel immer wieder ein oder zwei Namen potenzieller
Terroristen auftauchen.
Der Fahnder wird nun vielleicht eine Suche nach diesen Namen starten und von den Softwareagenten
bei unterschiedlichen Geheimdiensten und Polizeidienststellen weltweit Informationen erhalten, die
im einem Fall Entwarnung geben – eine der Personen hat sich irgendwo auf der Welt als komplett
harmlos herausgestellt, liegt im Krankenhaus oder ist anderweitig außer Gefecht gesetzt –, während
ein anderer eine verdächtige Reise durch Europa und dann in ein Land des Nahen Ostens angetreten
hat, das für terroristische Trainings-Camps berüchtigt ist. Über das Kommunikations-netz, das
Decider Track bietet, kann der Fahnder nun auch noch Kontakt zu internationalen Kollegen aufnehmen,
die seine Untersuchung mit Gerüchten, Erkenntnissen oder Einschätzungen stützen können, die für
eine Eingabe in die eigentlichen Terrorismusdatenbanken noch viel zu vage sind. Gefüttert mit den
wichtigsten Entscheidungskriterien der jeweiligen Länder empfiehlt Decider Track dann vielleicht
sogar selbst die Verhaftung des Verdächtigen – oder hat dem Fahnder bereits genug Input geliefert,
dass dieser andere Schritte ergreifen kann.
Die Art und Weise, wie Decider Track arbeitet, hat die Erfinderin Dr. Martine Naillon nach
eigenen Angaben menschlichem Vorgehen abgeschaut. Die Entwicklerin, deren Karriere Stationen bei
Philips, beim Rüstungshersteller Dassault und beim französischen Verteidigungsministerium aufweist,
betrachtet das ganze System als Abbild eines neuronalen Netzes.
Problemlos auf jede Art von Fahndungsfall anwenden lässt sich das Produkt aber sicherlich nicht
ohne Anpassungsschritte: "Die Vorgehensweise orientiert sich, soweit ich sie richtig verstehe, doch
sehr an nachrichtendienstlichen Methoden", meint etwa Klaus Jansen, Vorsitzender des Bundes
deutscher Kriminalbeamter. "Das heißt allerdings keineswegs, dass die Polizei solch eine Technik
nicht gebrauchen könnte", fährt er fort, "im Gegenteil – aber man müsste auch bei diesem Konzept
sehr genau prüfen, wie es beim konkreten Datenzugriff um die Kompatibilität zu den vielen
verschiedenen Datenschutzregeln in den europäischen Staaten bestellt wäre. Mit einheitlicheren
Vorschriften auf diesem Gebiet wäre unsere Arbeit um einiges leichter."