Einfallstor Einzelhandel

Wie Cyberkriminelle globale Handelsketten ins Visier nehmen

14. Juli 2025, 13:00 Uhr | Autor: Peter Machat / Redaktion: Diana Künstler
© Corona Borealis Studio – shutterstock.com

Cyberangriffe auf den Einzelhandel nehmen weltweit zu, mit dramatischen Folgen für Betrieb, Daten und Kundenvertrauen. Warum Handelsketten zunehmend ins Visier geraten und welche Sofortmaßnahmen jetzt entscheidend für nachhaltige Cyberresilienz sind.

Der Einzelhandel steht erneut unter massivem Druck. Laut einem aktuellen Bericht von NBC News haben die Cyberkriminellen, die bereits für eine Reihe finanziell motivierter und destruktiver Angriffe auf führende britische Einzelhändler verantwortlich sind, nun auch große Marken in den USA ins Visier genommen. Die Threat Intelligence Group von Google bestätigt: „Große amerikanische Einzelhändler wurden bereits angegriffen“, auch wenn deren Namen bislang nicht öffentlich genannt wurden.

In Großbritannien traf es unter anderem Marks & Spencer, Harrods und die Co-op Group. Die Folgen reichten von leeren Regalen und unterbrochenen Onlinediensten bis hin zum Diebstahl sensibler Kunden- und Mitarbeiterdaten. Die Angriffswelle gewinnt somit an globaler Dynamik – und der US-Markt ist offenbar der nächste Schauplatz.

Die Bedrohung für den Einzelhandel ist real – und sie eskaliert. Für Entscheidungsträger ist jetzt der Moment gekommen, umzudenken. Was muss sofort geschehen, um sich zu schützen? Und welche langfristigen Maßnahmen stärken die Cyberresilienz gegenüber künftigen, unvermeidbaren Angriffen?

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Resiliente Sicherheitsstrategie für den Einzelhandel

  • Attraktives Ziel: Einzelhändler verfügen über große Mengen sensibler Kundendaten, komplexe Lieferketten und eine hohe operative Dynamik – ideale Bedingungen für finanzielle Angriffe.
  • Sichtbarkeit schafft Schutz: Ohne vollständige Transparenz über sämtliche Assets ist kein wirksamer Schutz möglich. Echtzeitübersicht ist die Grundvoraussetzung jeder modernen Abwehrstrategie.
  • Netzwerksegmentierung ist Pflicht: Flach strukturierte Netzwerke ermöglichen lateral ausgreifende Bewegungen von Angreifern – eine segmentierte Architektur erschwert dies erheblich.
  • Third Party Risks im Blick behalten: Ob Lieferant, Cloud-Partner oder POS-Anbieter – jede Verbindung vergrößert die Angriffsfläche und schafft potenzielle Einfallstore.
  • Cyber Exposure Management: Kontinuierlicher, priorisierter und automatisierter Schutz hilft, aktuelle Risiken wirksam zu adressieren.
  • Proaktiv statt reaktiv: Nur wer reale Angriffspfade versteht und berücksichtigt, kann gezielt schützen, was geschäftskritisch ist.

Warum der Einzelhandel? Das Ziel verstehen

Der Einzelhandel war schon immer ein lohnendes Ziel für Cyberkriminelle – aus nachvollziehbaren Gründen. Tagtäglich verarbeiten Handelsunternehmen sensible Kundendaten, Kreditkartendetails, Kontoinformationen und Mitarbeiterdaten in Millionen von Transaktionen. Diese gewaltige Datenmenge gleicht einer digitalen Goldmine – ein einziger erfolgreicher Angriff kann zehntausende bis Millionen wertvoller Datensätze offenlegen, die sich im Darknet sofort zu Geld machen lassen.

Doch es geht nicht nur um Daten. Auch die Struktur des modernen Einzelhandels erhöht die Anfälligkeit. Digitale Ökosysteme aus Online-Shops, mobilen Apps, Kassensystemen und Backend-Plattformen basieren auf einer Vielzahl technischer Lösungen – viele davon wurden nicht für die heutigen Bedrohungsszenarien entwickelt. In Verbindung mit angebundenen externen Diensten, Cloud-Infrastrukturen und Logistiksystemen entsteht so eine fragmentierte und schwer überblickbare Angriffsfläche.

Hinzu kommt der stetige Druck, Kundenerwartungen zu erfüllen: Immer verfügbar, jederzeit performant – insbesondere in Stoßzeiten wie Black Friday oder zur Vorweihnachtszeit. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, werden IT-Einführungen oft beschleunigt, Sicherheitsupdates verschoben oder Reaktionszeiten verkürzt. Diese operative Dringlichkeit eröffnet Cyberkriminellen ideale Angriffsmöglichkeiten. Hohe Gewinnchancen bei vergleichsweise geringem Aufwand machen den Einzelhandel zum bevorzugten Ziel für finanziell motivierte Angreifer.

Unverzichtbare Sofortmaßnahmen für den Handel

Für CISOs, CIOs und Sicherheitsverantwortliche im Einzelhandel gilt: Folgende Schritte sind unverzichtbar und müssen umgehend angegangen werden:

  1. Vollständige Asset-Transparenz schaffen: Blindspots gefährden das Situationsbewusstsein. Mithilfe von Cyber-Risikomanagement-Tools sollten sämtliche vernetzte Assets erfasst und bewertet werden – inklusive Schatten-IT, Altgeräte und nicht verwalteter Systeme in Filialen, Lagerhäusern, Büros und Cloud-Umgebungen.
  2. Schwachstellen identifizieren und bewerten: Nach der Bestandsaufnahme müssen alle Assets auf bekannte Schwachstellen geprüft werden – insbesondere in weit verbreiteter Drittsoftware. Auch wenn die jüngsten Angriffe nicht eindeutig auf eine solche Lücke zurückzuführen sind, sollte diese Möglichkeit berücksichtigt werden. Kritische Schwachstellen müssen priorisiert und rasch entschärft werden.
  3. Netzwerksegmentierung umsetzen: Flache Netzwerke sind ein gefundenes Fressen für Angreifer. Eine klare Trennung zwischen kundenorientierten Systemen, Zahlungsumgebungen (PCI) und Backoffice-Funktionen verhindert die laterale Ausbreitung von Angriffen und begrenzt deren Wirkung.
  4. Überwachung auf Gefährdungsindikatoren (IoCs): Threat Intelligence-Teams – etwa Armis Labs – beobachten die Angreiferaktivitäten genau. Unternehmen sollten relevante Daten in ihre SIEM- oder XDR-Plattformen integrieren, Detektionsregeln anpassen und kompensierende Kontrollen etablieren.
  5. Ransomware- und Incident-Response-Pläne testen: Gibt es einen erprobten Notfallplan für Ransomware-Fälle? Lassen sich kompromittierte Systeme innerhalb weniger Minuten isolieren? Wurden Tabletop-Übungen in den letzten 90 Tagen durchgeführt? Diese operativen Fähigkeiten müssen regelmäßig trainiert und weiterentwickelt werden.

Mittelfristiger Fokus: Von reaktiv zu proaktiv

Die sofortige Gefahrenabwehr ist essenziell – aber nur der erste Schritt. Einzelhändler müssen sich langfristig von reaktiver Cybersicherheit hin zu einem proaktiven Cyber Exposure Management bewegen. Dieser moderne Ansatz ermöglicht es, Bedrohungen kontinuierlich zu identifizieren, zu bewerten, zu priorisieren und gezielt zu entschärfen – über die gesamte digitale Infrastruktur hinweg.

Fazit: Cyber-Resilienz ist ein geschäftlicher Imperativ – auch für den europäischen Einzelhandel

Die aktuelle Angriffswelle auf den Einzelhandel ist kein Einzelfall, sondern Teil eines globalen Trends: Cyberkriminelle fokussieren sich zunehmend auf datenintensive Branchen mit fragmentierter Infrastruktur und hohem operativem Druck. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie finanziell motiviert sind oder gezielt Chaos stiften wollen – diese Akteure sind hochgradig organisiert, technologisch versiert und werden durch jeden erfolgreichen Angriff zusätzlich bestärkt. 

Peter Machat, Armis
Der Autor Peter Machat ist Senior Director EMEA Central bei Armis.
© Armis

Während viele US-Einzelhändler ihre Sicherheitsmaßnahmen bereits spürbar verstärkt haben, hinken europäische Handelsunternehmen oft noch hinterher. Besonders in Ländern mit kleinteiligen Handelsstrukturen oder schwächer regulierten IT-Umgebungen besteht akuter Nachholbedarf. Die Bedrohungslage macht keinen Halt an Landesgrenzen – auch Europas Einzelhandel ist im Fadenkreuz.

Jetzt ist der Moment, Cybersicherheit nicht mehr als technische Pflichtübung, sondern als zentralen Erfolgsfaktor zu begreifen. Proaktive Resilienzstrategien sind unverzichtbar – nicht nur, um Angriffe abzuwehren, sondern um Geschäftsabläufe, Kundentreue und Markenvertrauen dauerhaft zu sichern. Denn in einem eng vernetzten Retail-Ökosystem kann eine einzelne Schwachstelle – ob bei einem Lieferanten, in einem veralteten System oder durch menschliches Versagen – Geschäftsabläufe lahmlegen und enorme Kosten verursachen. Wer heute in Sicherheit investiert, schützt nicht nur seine Infrastruktur heute, sondern auch seinen wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft.


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