Das britische Gesetz gegen Missstände wie Sklaverei betrifft auch deutsche Unternehmen ab einem Jahresumsatz von rund 51 Millionen Euro, die Geschäfte auf der Insel machen. Firmen verpflichtet es zu einer jährlichen Stellungnahme, in der Maßnahmen erläutert werden, die sicherstellen sollen, dass Ausbeutung auf keiner Stufe ihrer Lieferkette oder in irgendeinem anderen Teil ihres Geschäfts vorkommt.
Großen Elektronik-Handelsketten und Distributoren, die um die menschenunwürdigen Zustände bei chinesischen Auftragsfertigern oder die katastrophale Kinderarbeit in kongolesischen Kobaltminen wissen, müssen sich erklären. Mehr aber auch nicht. Denn außer der Pflicht zur Erklärung,
die auf der Unternehmenswebseite stehen soll, sieht der Modern Slavery Act keine Strafen bei Verstößen vor. Dennoch entfalte das Gesetz eine »gewisse Wirkung«, sagt Mark Zimmer.
Der Druck auf das soziale Gewissen von Vorständen und Aufsichtsräten kommt denn auch nicht vom Staatsanwalt. Es sind NGOs, die Missstände untätiger Unternehmen gezielt anprangern können. Die Folgen: Reputations- und Prozessrisiken steigen. Da helfen auch keine vertraglichen Regelungen, mit denen Konzerne ihre Zulieferer nur auf dem Papier verpflichten, ethisch sauber zu handeln und beispielsweise für Arbeitssicherheit zu sorgen.
Eine erste Signalwirkung könnte vom laufenden Prozess gegen Kik ausgehen. 2012 kostete ein Feuer in einer für den Discounter produzierenden Textilfabrik in Pakistan 260 Menschen das Leben. Einen Brandschutz gab es nicht. Schon die Klagezulassung und Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Kläger durch das für Kik zuständige Landesgericht Dortmund sei ein »absolutes Novum, da sich ein Unternehmen in Deutschland erstmals für Missstände seines im Ausland tätigen Zulieferers« vor Gericht verantworten müsse, gibt Zimmer, spezialisiert auf Arbeitsrecht, zu bedenken. »Die ganze Industrie schaut mit Argusaugen auf den Ausgang dieser Schadensersatzklage.«
Noch liegt das juristische Gutachten nicht vor, das die nach pakistanischem Recht zu urteilenden deutschen Richtern eingeholt haben. Ob die Richter eine tatsächliche Schuld von Kik feststellen, ist keinesfalls sicher. Immerhin ist ein erster Schritt getan, das unhaltbare Sein ins Bewusstsein der Akteure und somit einer breiteren Öffentlichkeit zu heben – zum 200. Geburtstag von Karl Marx ist das ein gutes Signal.