Wie die Zukunft der USA aussehen wird, kann zurzeit niemand voraussagen. Umso wichtiger ist es, dass sich deutsche Behörden und Unternehmen ihre digitale Abhängigkeit schnellstmöglich beenden. Wie das gehen kann, zeigt ein deutsches Bundesland.
Bereits am ersten Tag seiner neuen Amtszeit verkündete Donald Trump, dass sich die USA vom Pariser Klimaabkommen verabschieden und man die World Health Organization (WHO) verlassen werde. Welche Konsequenzen das haben wird, ist noch nicht absehbar. Denkbar ist, dass Trump diese wichtigen Abkommen beziehungsweise Mitgliedschaften vor allem als Druckmittel sieht, um seine Ziele zu erreichen. Wie Trump die globale Vormachtstellung der amerikanischen IT-Konzerne für sich nutzen wird, ist noch unklar. Seine Ankündigung, 500 Milliarden US-Dollar in das KI-Projekt Stargate zu investieren, gibt allerdings schon mal einen deutlichen Fingerzeig, in welche Richtung es gehen wird. Sicher ist, dass der Mann, der sich gerne als Deal-Maker sieht, jede Gelegenheit nutzt, um seine Verhandlungsposition zu stärken. Dabei ist ihm bis zur Androhung von Sperrung von Diensten und Applikationen jedes Mittel recht.
Dass Meta- und Facebook-Boss Mark Zuckerberg bereits im Vorfeld die Nähe zu Trump suchte, indem er das Ende von Fact-Checkern verkündete, lässt erahnen, was noch alles kommen könnte. Die Tatsache, dass 90 Prozent aller PCs derzeit noch von Microsoft und deren Wolke abhängig sind, dürfte Trump bewusst sein. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, was das bedeutet. Wenn selbst TikTok mit seinen über 170 Millionen Followern in den USA zum Spielball eines Spiels wird, dessen Ausgang allein in den Händen eines unberechenbaren Präsidenten liegt, ist kein in den USA operierendes Unternehmen sicher vor seinem Einfluss – und somit auch niemand, der auf diese angewiesen ist.
Ohne die Software- und IT-Unternehmen aus den USA könnte derzeit wohl keine Behörde und kein Unternehmen in Deutschland mehr funktionieren. Und auch ohne die Dekrete von Trump spielen die amerikanischen Software-Giganten ihre Marktmacht schon seit längerer Zeit aus. Beispielsweise hat Microsoft bereits vor Jahren angekündigt, dass alle Daten in die Cloud wandern werden – und somit auch teils hochsensible Informationen über Bürger und Kunden. Zwar beschwichtigt der Konzern gerne und verweist darauf, dass man an einer europäischen Lösung arbeite. Dass das im Ernstfall allerdings keinen Unterschied machen wird, hatten Sicherheitsexperten schon lange vor der zweiten Amtsperiode Trumps betont.
Mit Trump stehen nun turbulente Jahre an. Was noch alles kommt, weiß niemand. Wie die Sperre von TikTok exemplarisch zeigt, ist zurzeit nur eines sicher: Ein verlässlicher Partner sind die USA schon heute nicht mehr. Für Unternehmen und Behörden, die weiterhin auf Microsoft und andere Dienste aus den USA angewiesen sind, wird es nun höchste Zeit, die digitale Unabhängigkeit anzugehen. Das Bewusstsein dafür wächst auch in der Politik – doch leider nicht auf den höchsten politischen Ebenen. Zumindest muss man zu diesem Schlusssatz kommen, wenn man sich die derzeitigen Priorisierungen in den politischen Debatten anschaut. Das dürfte auch daran liegen, dass andere Themenfelder weniger komplex sind und sich besser dazu eignen, Wählerstimmen zu gewinnen. Stichwort: Migration.
Um die Digitale Souveränität mit dem notwendigen Tempo voranzubringen, braucht es politischen Willen. Wie das aussehen kann, zeigt sich in Schleswig-Holstein. Hier wurde das Thema frühzeitig auch auf Minister-Ebene ernstgenommen und an Lösungen gearbeitet, bei denen offene und somit kontrollierbare Open-Source-Software im Mittelpunkt der Strategie steht. Für die Umstrukturierung der Verwaltungs-IT wurde zudem eine „Open Innovation und Open Source Strategie“1 entwickelt, die in diesem Umfang einzigartig in Deutschland ist – und somit als Vorbild dienen kann.
Für Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister Dirk Schrödter ist Open-Source-Software „ein elementar wichtiger Baustein“, um monopolartige wirtschaftliche sowie technologische Abhängigkeiten zu vermeiden. Denn mit nicht-proprietären Lösungen könne man jederzeit Einfluss auf die Betriebsprozesse der IT-Systeme nehmen – und so Herr über die eigenen Daten sein. „Das ist die digitale Souveränität, die wir brauchen“, weiß Schrödter. Das gelte eins zu eins ebenso für Unternehmen, insbesondere für KMUs.
Zu den Gründen, die einen Umstieg auf Open Source zwingend machen, zählen laut Schleswig-Holsteins Digitalisierungsminister auch die Lizenzpolitiken der großen Hyperscaler. Ein weiterer Punkt sei der Zwang, Cloudsysteme der gleichen Hersteller zu verwenden, warnt Dirk Schrödter. „Das alles sind schwerwiegende Gründe, sich mit Alternativen zu den IT-Systemen von marktdominierenden Herstellern auseinanderzusetzen.“
Eine komplette Strategie zu entwickeln, wie Schleswig-Holstein dies getan hat, erfordert selbstverständlich entsprechende Expertise und Zeit. Abschrecken sollte dies jedoch niemanden – zumal Nichtstun keine Option mehr ist.
Die gute Nachricht ist: Wer Unterstützung und Rat benötigt, kann sich unter anderem an das Zentrum für Digitale Souveränität (ZenDiS)2 wenden. Das Bundesinnenministerium hat diese GmbH des Bundes gegründet, um Aktivitäten rund um das Thema zu bündeln und alle Akteure, die es braucht, zusammenzubringen. Unter der Leitung des ZenDiS ist beispielsweise in Zusammenarbeit mit führenden europäischen Open-Source-Lösungsanbietern eine „Office & Collaboration Suite” entstanden, die auf quelloffenem Code basiert, sodass man als Behörde nicht von einzelnen Unternehmen abhängig ist – vor allem nicht von großen US-Konzernen.
Als Gesamtlösung bietet openDesk alles, was man von einem digitalen Arbeitsplatz erwartet. Dazu gehören neben der Textverarbeitung zum Beispiel auch E-Mail-, Kontakt- und Kalenderfunktionen sowie Videokonferenzen, Tabellenkalkulation, Chats, Cloud-Speicher, Projektmanagement und sogar ein Wiki. Im Gegensatz zu Microsoft wird die Lösung, die seit Oktober letzten Jahres als Cloud-Lösung genutzt werden kann, von europäischen Software-Spezialisten betrieben und weiterentwickelt. Zudem wird es möglich sein, die Suite im eigenen Rechenzentrum zu betreiben. Gerade für hochsensible Daten ist dies ein Schutz, den Microsoft nicht mehr bieten will – und gerade unter einem Präsidenten Trump auch nicht bieten könnte.
„Die Voraussetzungen für einen Umstieg könnten kaum besser sein“, sieht Dirk Schrödter die derzeitige Situation positiv. Das Timing hätte aufgrund Trumps zweiter Amtszeit ebenfalls nicht besser sein können. Zum Glück gibt es jetzt Alternativen. Diese europäischen Lösungen müssen jedoch mit konkreten Aufträgen gestützt werden, damit sie wachsen können – und dauerhaft überleben. Eine 500-Milliarden-Investition erwartet hierzulande niemand. Mit den derzeitigen Budgets wird es jedoch nicht möglich sein, etwas aufzubauen, von dem alle Behörden in Deutschland profitieren können. Und ohne eine echte Alternative zu Microsoft & Co. wäre der Ausblick auf die nächsten Jahre wirklich düster. Nun gilt es, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und finanziell zu unterstützen. Alles andere wäre grob fahrlässig.
1 https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/digitalisierung/linux-plus1/Downloads/_dateien/open-source-strategie.pdf?__blob=publicationFile&v=1
2 https://zendis.de/