Eine vollständige 3-D-seismische Vermessung von Schlammvulkanen am Grund des Mittelmeers hat das Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-Geomar) durchgeführt. Drei Wochen war dafür das Forschungsschiff Poseidon vor dem Nildelta unterwegs. Die Visualisierung ist deutlich preiswerter als klassische Explorationstechnik.
Das neue System zur Erkundung des Meeresbodens ähnelt dem Fanggeschirr eines Fischtrawlers: An
einem quer zur Fahrtrichtung hinter dem Schiff geschleppten Kabel hängen bis zu 25 parallele Ketten
mit Druckaufnehmern, die Hydrophone. Während das Schiff genau definierte Positionen abfährt,
erzeugt ein Luftpulser unter Wasser Schallwellen – sie durchqueren das Wasser und gelangen durch
den Meeresboden in den Untergrund.
Wie bei einem Echo wird der Schall an den Grenzen der Gesteinsschichten reflektiert und gelangt
zurück an die Wasseroberfläche. Dort registrieren ihn die Hydrophone. Mit entsprechenden
Computerprogrammen haben die Wissenschaftler an Bord der Poseidon aus diesen Signalen detaillierte
dreidimensionale Bilder des Meeresbodens erstellt.
"Eine besondere Herausforderung ist dabei die auf wenige Meter exakte Berechnung der
Hydrophonpunkte" erklärt Geophysiker Dirk Kläschen vom IFM-Geomar. Sein Kollege Jörg Bialas betont
den betriebswirtschaftlichen Vorteil der Technik: "Bisher waren derartige Messungen nur mit
millionenschwerem Aufwand durch Spezialschiffe der Explorationsindustrie möglich."
Gefördert von RWE Dea aus Hamburg haben die Forscher in mehrjähriger Arbeit auf der Grundlage
eines mobilen norwegischen Systems P-Cable das speziell auf mittelgroße Forschungsschiffe
zugeschnittene 3-D-Seismik-System entwickelt.
Ausgetestet worden ist es nun vor der Mündung des Nils im Mittelmeer. Ziel der
Expedition unter der Leitung
von Bialas war der Schlammvulkan North Alex. Er liegt in etwa 600 Metern Wassertiefe rund 50
Kilometer vor der ägyptischen Hafenstadt Alexandria – und ist mit anderen Schlammvulkanen
Gegenstand von Untersuchungen im Rahmen des IFM-Geomar-Projekts West-Nil-Delta (WND): Im obersten
Bereich eines gewaltigen Sedimentfächers vor der Mündung des Nils bilden Schlammvulkane natürliche
Austrittsstellen für Gas, Wasser und Schlamm aus kilometertiefen Quellen. In dieser Region sind die
Firmen RWE Dea und BP mit einer Reihe von Feldentwicklungsprojekten zur Gasproduktion aktiv.
"Schlammvulkane fördern eine Mischung aus Ton, Wasser und Gas an die Oberfläche", erläutert
WND-Projektleiter Warner Brückmann. "Dieses Gemisch ist aufgrund seiner geringen Dichte in größerer
Tiefe nicht stabil, da das über ihm lagernde Sediment einen großen Druck ausübt – im Bereich des
Nilfächers steigt der Schlamm entlang von Schwächezonen nach oben." Als Motor des
Schlammvulkanismus gilt vor allem die Bildung von Gasen, in großen Tiefen, in erster Linie
Methan.
"Es handelt sich bei den Schlammvulkanen um riesige Systeme", so Expeditionsleiter Bialas. "Wir
wollen herausfinden, wie die Förderschlote sich nach unten fortsetzen." Dabei habe 3-D Seismik
große Vorteile gegenüber konventioneller Seismik, "die nur zweidimensionale Schnitte des
Meeresbodens abbilden kann". Darüber hinaus kann das neue System aber auch bei Fragestellungen zur
Hangstabilität oder bei der Kartierung von Gashydraten eingesetzt werden. Bialas: "Die Auswertung
aller Daten der Nildelta-Expedition dauert zwar noch Monate, aber die ersten neuen Ansichten des
Schlammvulkans sind schon beeindruckend."
Rochus Rademacher/CZ