Die Spielarten von Kategorie 8

40GBase-T in der Diskussion

29. Juli 2014, 6:00 Uhr | Dr. Jörg Schröper

RZ-Betreiber benötigen eine leistungsfähige Verkabelung, und gerne soll das nötige Geschwindigkeits-Upgrade ohne einen grundsätzlichen Technikwechsel möglich sein. 40GBase-T gilt dabei als attraktiver Problemlöser, wenn es denn rechtzeitig auf den Markt kommt. Dazu muss sich die Branche allerdings zunächst auf eine passende Verkabelung einigen und den investitionswilligen Anwender nicht mit Normierungslobbyismus vergraulen.

Zu den wichtigsten - und sehr kontrovers diskutierten - Trends bei der Verkabelung zählen die derzeitigen Bestrebungen der Branche, eine Kupferverkabelung für 40 GBit/s Ethernet einzuführen. Kupfer hat nach Einschätzung vieler Experten durchaus noch immer einige signifikante Pluspunkte gegenüber einer LWL-Verkabelung zu verbuchen. Als Argumente nennen die Verfechter unter anderem die geringeren Gesamtkosten inklusive des aktiven Equip-ments und die einfachere Handhabung - wobei für Letztere wahrscheinlich schlicht der Gewöhnungsfaktor ausschlagge-bend ist.
Ziel der Bemühungen der Industrie und der einschlägigen Normierungsgremien ist eine 40GBase-T-Technik, die wie stets bei solchen Neuerungen ihren Einsatzort wohl zunächst im Rechenzentrum finden wird. Dort spielt ein weiterer Vorteil der Kupferverkabelung - nämlich die PoE-Fähigkeit - eine eher untergeordnete Rolle. Punkten sollte der Ansatz dafür umso mehr bei den ökonomischen Überlegungen und bei der Reichweite, denn viele Untersuchungen belegen, dass sich bereits mit deutlich weniger als 100 Metern die meisten Längenanforderungen im RZ erfüllen lassen. 40GBase-T bedeutet eine Verkabelung mit vierpaarigen und symmetrischen Kabeln. Dies steht im direkten Gegensatz zu dem Parallelkonzept, auf das sich die Branche bei den Lichtwellenleitern geeinigt hat. Mehrspur-Kupferleitungen wird es zunächst also nicht geben. Bei der IEEE beschäftigt sich die "Task Force" IEEE 802.3bq mit 40GBase-T.
Ziel dieser Arbeitsgruppe ist die Definition von Anforderungen an Übertragungsstrecken für Server-Switch-Links bis zu einer Reichweite von mindestens 30 Metern mit zwei Steckverbindungen (End of Row, Server-Switch-Link) und von Port-to-Port-Links mit Patch-Kabeln von fünf bis zehn Metern Länge.
In Zusammenhang mit dem vor Kurzem veröffentlichten technischen Report ISO/IEC 11801-99-1 "Guidance for Balanced Cabling in Support of At Least 40 GBit/s Data Transmission" betonen die beteiligten Experten wie Yvan Engels, Leoni-Kerpen-Manager und LANline-Lesern als Autor und Referent auf den Tech Foren bekannt, dass eine Realisierung nur mit geschirmten Kabeln möglich sei. Dazu gibt es zunächst zwei Varianten, nämlich Übertragungsstrecken der Klasse I mit Kategorie-8.1-Komponenten. Dies sind Kabel und Steckverbinder auf der Basis einer optimierten und bis 1,6 GHz extrapolierten Kategorie 6A. Die zweite Variante ist die Übertragungsstrecke der Klasse II mit Kategorie-8.2-Komponenten, also Kabel und Steckverbinder auf der Basis einer optimierten Kategorie 7A und extrapoliert bis 1,6 GHz. Engels erwartet eine Verabschiedung von IEEE 802.3bq jedoch nicht vor Mitte 2015.
Laut dem entsprechenden deutschen Normierungsgremium, dem DKE/GUK 715.3 "Informationstechnische Verkabelung von Gebäudekomplexen", dient der technische Report nicht nur als Leitfaden für die Arbeitsgruppe IEEE 802.3bq, sondern auch als Planungsgrundlage für 40-GBit/s-Verbindungen im Rechenzentrum nach DIN EN 50600-2-4 und VDE 0801-600-2-4:2014. Thomas H. Wegmann vom DKE zufolge ist geplant, die Festlegungen zu der darin enthaltenen Übertragungsstrecke Klasse II auch in einer deutschen Norm zu veröffentlichen.
Für den Anwender und potenziellen Käufer von 40GBase-T sieht die Welt also vordergründig sehr gut aus: Die zuständigen Normierungsgremien und die beteiligte Industrie arbeiten an Standards und Produkten - und zwar mit dem Hochdruck, der aus der Forderung auf dem Markt nach schnellen Übertragungsarten resultiert. Das Jahr 2015 wäre für viele Anwender sicher ein guter Startpunkt in das 40GbE-Szenario über Kupfer.
Als ärgerlich könnte sich für viele Käufer jedoch die Vielfalt erweisen, mit der sich das Thema Kategorie 8 insgesamt auf dem Markt präsentiert. Immerhin waren die Initialpapiere aus der Feder der amerikanischen TIA gekommen. Das darin angedachte Konzept mit einer - womöglich sogar ungeschirmten - Cat.8 und einem RJ45-Stecker geistert immer noch durch die Branche. Auch die in den genannten europäischen Papieren aufgeführten 1.600 MHz stehen tatsächlich noch nicht ehern fest, denn die Experten berichteten unter anderem auf dem LANline Tech Forum immer wieder auch von der Forderung nach 2.000 MHz. Zur Klarstellung: Es geht dabei grundsätzlich nicht um eine angelegte Frequenz, sondern darum, für welchen Frequenzbereich bestimmte übertragungstechnische Parameter einzuhalten sind. Unter anderem beeinflusst dies natürlich auch die passende Messtechnik, wie der Beitrag auf Seite 26 zeigt.
Wie die maßgeblichen Kurven für Paramater wie Insertion Loss oder NEXT exakt aussehen, hat einen entscheidenden Einfluss auf das Design der kommenden Produkte. So streiten sich die Experten durchaus darüber, ob die Anforderungen einfach von den bekannten Grenzwerten der Kategorien 6A oder 7/7A zu extrapolieren sind, oder ob es Verschärfungen oder Erleichterungen geben soll. Hinzu kommt die Diskussion der unterstützten Reichweite. Dies hat neben den Klassen I und II auch zur Definition der Klassen/Channel Y sowie Epsilon und Gamma geführt.
 
Kabel beeinflusst Energiebilanz
Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Verweis auf den Energieverbrauch eines Links. Eine Faustregel besagt, dass das bessere Kabel den Stromverbrauch deutlich reduziert, weil die aktiven Geräte an der Korrekturelektronik sparen können. Multipliziert mit jedem Port kommen so signifikante Größen zusammen. Eine Studie aus dem 802.3bq-Umfeld nennt bei besseren NEXT-Werten Einsparungen von 20 Prozent. Die Entwickler sind offenbar nun aus Erfahrung klug geworden: Insider gehen davon aus, dass es gerade die stromfressende Korrekturelektronik der ersten Chipsätze war, die die Verbreitung des Vorgängers 10GBase-T zu Beginn dieser Technikperiode zunächst kräftig ausgebremst hat.
 
Ärgerliche Namensgebung
Verwirrend für potenzielle Käufer ist nicht nur die Nomenklatur der Kategorie-8-Familie, die die LANline bereits an anderer Stelle beklagt hat. Das Vorpreschen der TIA mit einer Cat.8 war nämlich nicht nur ein Marketing-Kracher, es hat auch das Gefüge der Kabelkategorien in puncto Kompatibilität durcheinandergebracht. Zur Erinnerung: Eine Cat.7 nach TIA existiert nicht, und die europäischen Normierer waren sicher geneigt, ihre Verbesserungen Kategorie 6B und 7B zu nennen. Warum die zugehörigen Produkte damit jedoch besser als eine amerikanische Cat.8 sein sollten, wäre dem Markt verkaufstechnisch nur schwer zu erklären gewesen. Mit den heute bekannten Daten sind damit die Kategorie 8.1 und die TIA Cat.8 nicht rückwärtskompatibel zu einem ISO/IEC-Channel nach Klasse FA.
 
Kein Upgrade-Pfad mit Kategorie 7A
Mancher Kritik muss sich die Branche wohl auch deshalb stellen, weil Verkabelungen mit Kategorie 7A in der Mehrheit nicht 40GBase-T-fähig sein werden, jedenfalls nicht für die derzeit meist installierten Längen. Planer und Betreiber hatten in der Vergangenheit vielfach auf eine Kombination gesetzt: Steckverbinder nach Kategorie 6A und Kabel nach Kategorie 7/7A versprachen die Chance, das nächste Geschwindigkeits-Upgrade durch ein einfaches Tauschen der Stecker bewerkstelligen zu können. Diese Vorstellung müssen die meisten Betreiber nun wohl ad acta legen. Das Ärgerliche daran ist die Tatsache, dass Kategorie-7A-Komponenten so oft zwar dem Installateur eine gute Qualitätsmarge boten, für die bis heute genutzten Übertragungsgeschwindigkeiten aber gar nicht erforderlich waren. Immerhin hat der Betreiber für das verlegte Kategorie-7A-Kabel wohl auch meist keinen höheren Preis gezahlt, als er das für das Kategorie-6A-Pendant hätte tun müssen.
 
Markt unter Zeitdruck
Damit die Hersteller 40GBase-T-Technik erfolgreich auf den Markt bringen können, spielt der Zeitfaktor eine nicht zu unterschätzende Rolle. Je länger es dauert, bis erste Produkte zu kaufen sind, desto eher werden RZ-Betreiber geneigt sein, auf LWL umzusteigen. Eine zu große "Artenvielfalt", inkonsistente Normen oder gar nationale Alleingänge sind für einen 40GBase-T-Erfolg ebenfalls äußerst hinderlich. Für Kupfer spricht jedoch, dass auch die bei einem Umstieg nötige Paralleloptik mit Multimode-Fasern und Mehrfachsteckern bei vielen Technikern auf Skepsis stößt. Der Singlemode-Ansatz könnte so für manchen RZ-Verantwortlichen neue Attraktivität gewinnen, doch gelten dabei die aktiven Komponenten nach wie vor als zu teuer - diese Technik muss man sich bei kurzen Reichweiten leisten wollen. Doch auch die LWL-Technik macht Fortschritte, wie das Interview in dieser Ausgabe auf Seite 21 verdeutlicht.

Der Autor auf LANline.de: jschroeper

Auf der Web-Seite der Task Force IEEE 802.3bq stehen viele Informationen auch öffentlich zur Verfügung.

Das Prinzip-Schaltbild von 40GBase-T.

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