Software-Defined-Networking und Network-Function-Virtualization werden als Heilsbringer für die Netze der Zukunft propagiert. Flexible, agile Systeme sollen Anwendungen überall, jederzeit und möglichst auf Knopfdruck in bester Qualität bereitstellen. Ein Roundtable mit hochkarätigen Vertretern von Standardisierungsgremien und Herstellern sollte klären, ob die Netzbetreiber und Service-Provider schon bereit sind für SDN und NFV.
Es ist so menschlich wie trügerisch, sich in einem gut gebauten Haus sicher zu fühlen. Nicht anders verhält es sich mit einmal eingerichteten Netzwerken, die ihre Funktion in jeder Hinsicht perfekt erfüllen – solide, vorhersagbar in ihrem Verhalten und zuverlässig. Sie mögen sich hinsichtlich der Amortisierung im Plan befinden und die Basis für gute Geschäfte liefern. Trotzdem kann sich eine vertraute Technologie schnell auch als Sackgasse erweisen, wenn sie vor neue Herausforderungen gestellt wird. Glücklicherweise können selbst die ausgereiftesten Netzwerke mit neuen Techniken auf einen neuen Stand gehoben werden – dank SDN oder NFV. Aber ist das tatsächlich so?
Dieser Frage ging eine Roundtable-Diskussion am Rande des SDN-Weltkongresses in Düsseldorf nach. Das Metro Ethernet Forum, das Open Daylight Project sowie CTOs, CEOs und Präsidenten von Equipment-Herstellern, diskutierten mit funkschau, um Antworten auf die Frage zu finden, welche Auswirkungen die SDN/NFV-Welle auf die gegenwärtige Netzwerklandschaft haben wird.
Dass es dabei nicht um kleinliche Details der technischen Implementierung gehen sollte, machte Michael Howard, Analyst bei Infonetics Research klar, der als Einstieg zur Diskussion wissen wollte, wie SDN und NFV Netzwerk- und Service-Providern helfen könne, Einkünfte zu generieren und die im Wettbewerb kleiner werdenden Margen des Geschäftes zu verbessern. Schließlich haben alle Netz- und Service-Provider in ihre Ausrüstungen investiert, um das zu liefern, was die Kunden heute wollen.
Eben das sei zu hinterfragen, meint auch MEF-Chairman Andrew McFadzen von Orange Business Services. „Warum sollten wir bestehende Infrastrukturen verändern, wenn sie doch ihre Funktion erfüllen? Der Ausgangspunkt ist doch, ob neue Technologien Geld einsparen oder Effizienz und Produktivität erhöhen. Oder, ob es eine Möglichkeit gibt, zusätzliches Geschäft als Ergebnis neuer Services zu generieren, die durch SDN oder NFV geschaffen werden?“
Nichts ist beweiskräftiger als ein Beispiel, das McFadzen liefert: „Das Hauptgeschäft von Orange Business Services ist die Bereitstellung von Wide-Area-Networks für Unternehmenskunden. Wenn wir einen typischen Kunden nehmen, dann betreibt dieser vielleicht 1.500 Standorte weltweit – einige davon sehr groß, andere sehr klein. Alle diese Standorte verfügen über eine komplexe Infrastruktur. Um diese Standorte zu implementieren, müssen wir einen Techniker vor Ort schicken sowie eine entsprechende Hardware. Die Kosten für das Shipment, das Benzin und das Engineering nehmen einen erheblichen Teil der Gesamtbetriebskosten ein. Wenn Network-Function-Virtualization meint, dass ich die Funktionen aus der Box herauslösen und sie in die Cloud stellen kann, verbunden mit einer sehr einfachen Netzverbindung auf Kundenseite, die möglicherweise auch noch von dem Unternehmen bereitgestellt wird, von dem ich lokale Circuits beziehe, dann spart dies enormes Geld.“
Auch Prayson Pate von Overture Networks sieht Möglichkeiten für die Kosteneinsparung ebenso wie für die Steigerung von Umsätzen. Er verweist auf die Umsatzsteigerungen bei Service-Providern um 13 Prozent in den Jahren 2008 bis 2013, gibt aber auch zu bedenken, dass gleichzeitig die Gewinnspannen deutlich gesunken sind. „Der Großteil der Umsatzsteigerungen resultierte aus dem Wireless-Business das wiederum Auswirkungen auf die Festverbindungen hat. Es werden also neue Einkünfte ermöglicht, die sich nicht unbedingt auf die Ergebnisse auswirken. Mit SDN und NFV wird es möglich, neue Services zu kreieren. Die Cloud bietet neue Möglichkeiten, dynamische Services bereitzustellen, die User mit neuen Anwendungen zu geringeren Kosten verbinden. Das geht natürlich nicht ohne eine effektive Kontrolle des Netzwerks.“