Entscheider und Planer befinden sich in der Zwickmühle: Die neue Bauproduktenverordnung (BPV), nach der sie das Brandverhalten von Kabeln und Leitungen beurteilen könnten, ist seit dem 1. Juli 2013 gültig, doch die Hersteller können noch keine verbindlichen Aussagen über die Klassifizierung ihrer Kabel treffen. Die Tabellen in diesem Artikel können jedoch als Orientierung und als "Bindeglied" zwischen den bisher gültigen und zukünftigen Anforderungen dienen.Seit dem 24. April 2011 gilt die neue europäische Bauproduktenverordnung (Construction Product Regulation, CPR) Nr. 305/2011. Ihr vollständiger Name: "Verordnung (EU) Nr.305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG des Rates". Dazu gibt es eine Berichtigung der deutschen Version vom 12. April 2013. Mit dieser Verordnung sind auf europäischer Ebene erstmals Kabel und Leitungen - und dazu gehören auch Datenkabel - als Bauprodukte brandschutztechnisch klassifiziert. Zuvor wurde das Brandverhalten von Kabeln und Leitungen fast ausschließlich nach DIN VDE beurteilt. Diese Prüfungen sind mit denen der BPV jedoch nicht vergleichbar. Leistungserklärungen zu jedem Produkt Die BPV-Klassifizierungstabelle umfasst sechs Klassen von A bis F. Diese richten sich nach den Kriterien Wärmefreisetzung und Flammenausbreitung. Für die Zusatzanforderungen wie Rauchentwicklung (s), Azidität (a) und brennendes Abtropfen (d) gibt es jeweils drei zusätzlichen Klassen. Wesentliche Teile der neuen BPV traten - Artikel 68 entsprechend - am 1. Juli 2013 in Kraft. Die Hersteller und Verwender von Bauprodukten hatten somit eine mehr als zweijährige Übergangszeit, die mit der Verordnung verbundenen Änderungen umzusetzen. Zu diesen Änderungen gehört auch die Verpflichtung für die Hersteller, in einer Leistungserklärung zu jedem Produkt unter anderem die Stufen oder die Klassen zur Beurteilung des Brandschutzes für Bauwerke anzugeben. Für Kabel und Leitungen sind diese Leistungserklärungen zum Stichtag 1. Juli 2013 jedoch nicht realisierbar. Der Grund dafür ist, dass die entsprechenden DIN EN-Standards noch nicht gültig sind. Bei diesen Standards handelt es sich erstens um die DIN EN 50575 (VDE 0482-575:2012-07) "Starkstromkabel und -leitungen, Steuer- und Kommunikationskabel - Kabel und Leitungen für allgemeine Anwendungen in Bauwerken in Bezug auf die Anforderungen an das Brandverhalten". Die zweite relevante Norm ist der Entwurf der DIN EN 13501-6:2011-11 "Klassifizierung von Bauprodukten und Bauarten zu ihrem Brandverhalten - Teil 6: Klassifizierung mit den Ergebnissen aus den Prüfungen zum Brandverhalten von elektrischen Kabeln". Verzögerungen Die Umsetzung der in der neuen Bauproduktenverordnung verlangten Leistungserklärungen wird in den nächsten Monaten auch deshalb nicht möglich sein, weil die von den Mitgliedsstaaten benannten Prüf- und Anerkennungsstellen, zum Beispiel der VDE in Offenbach, erst nach der Einführung der oben genannten DIN EN 50575 zu akkreditieren sind. Es gab zu diesem Normentwurf aber wiederholte Einsprüche, wodurch sich die Einführung immer wieder verzögert. Im günstigsten Fall könnte die Norm Ende des Jahres 2013 in Kraft treten. Wenn es die neuen Normen für Kabel und Leitungen erst einmal gibt, dann müssen sich nicht nur die nationalen Normungsgremien, sondern auch die Bundesländer (Baurecht) und die Sachversicherer (VdS-Richtlinien) Gedanken darüber machen, welche Kabel mit welchen Brandschutzeigenschaften sie bestimmten Gebäudearten und -teilen zuordnen, also was wo zu installieren ist. Dilemma für Entscheider und Planer Die Kabelindustrie hat dazu bereits einen Vorschlag erarbeitet, der bestimmte Brandschutzklassen in Abhängigkeit vom Sicherheitsbedarf verschiedener Gebäudearten und -teile definiert (Gebäudeklassenzuordnung). Entscheider und Planer befinden sich aktuell in einer Zwickmühle: Einerseits ist die neue Bauproduktenverordnung, nach der sie das Brandverhalten von Kabeln und Leitungen beurteilen könnten, schon seit dem 1. Juli gültig. Andererseits können die Hersteller aber noch keine verbindlichen Aussagen zur Klassifizierung ihrer Kabel und Leitungen treffen. Der Hersteller Dätwyler hat drei Tabellen erstellt, die zumindest eine Orientierung über die aktuellen Anforderungen geben sollen, und die zugleich als ein "Bindeglied" zwischen den bisher gültigen Bestimmungen und den zukünftigen Anforderungen dienen können. Tabelle 1 listet einzelne Kabeltypen - Energie- und Datenkabel - und zeigt ihre Klassifizierung im Entwurf der DIN EN 13501-6:2011-11 sowie ihre entsprechende "Baustoffklasse" gemäß DIN 4102. Die Tabellen 2 und 3 geben einen Überblick über die geltenden baurechtlichen Mindestanforderungen und die jüngsten Vorschläge der Kabelindustrie. Zusätzlich sind in beiden Tabellen die bestehenden Anforderungen an das Brandverhalten von Kabeln und Leitungen mit aufgeführt, wie sie zuletzt die DIN VDE 0100-420 vom Februar 2013 und die VdS-Richtlinie Kabel und Leitungen VDS 2025 definiert haben. Orientierungshilfe Diese Zuordnung sollte laut Dätwyler nur als eine Orientierungshilfe dienen. Eine pauschale Vergleichbarkeit der bisher vom VDE als "Kabel mit verbessertem Verhalten im Brandfall" beschriebenen Typen zu den zukünftigen europäischen Klassifizierungen ist nicht möglich. Denn die Kabel sind normalerweise nicht nach DIN 4102-1 klassifiziert. Auch können Kabel, die aus den gleichen Werkstoffen bestehen, aufgrund verschiedener Dimensionen völlig unterschiedliche Brandeigenschaften aufweisen - man denke hier nur an ein N2XH mit 30×1,5 mm² und an denselben Typus mit 1×300 mm². Baurecht in der Übergangsphase Dennoch können diese Vergleiche hilfreich sein. Sie ermöglichen es jedem, selbst zu entscheiden, welche Produkte er in der Übergangsphase einsetzen will oder sollte. Nach Baurecht besteht für die meisten Gebäudearten und -klassen die Mindestanforderung, dass die Kabel "normal entflammbar" sind. Dies entspricht der bisherigen DIN-Anforderung B2 und der zukünftigen EU-Anforderung ECA. Doch wenn man einen Versicherer finden will, sollte ein Betreiber sich vielleicht lieber nicht für das billigste PVC-Kabel entscheiden, sondern für ein Produkt, das wenigstens halogenfrei und raucharm ist, wie es bisher auch der VDE empfohlen hat. Die Preisunterschiede sind häufig gar nicht groß. Gute Prognosen für Datenkabel Bei den Datenkabeln, deren Bauarten nur wenige Varianten aufweisen, lassen sich nach dem derzeitigen Stand schon recht gute Prognosen zur neuen Klassifizierung machen. Gerade in Rechenzentren stellten der Kabelverband, der Sachversicherer und die DIN VDE 0100-420 schon immer besondere brandschutztechnische Anforderungen an die dort eingesetzten Kabel und Leitungen. Eigene Untersuchungen zeigen, dass die meisten Cu-Datenkabel-Konstruktionen etwa von Dätwyler im Bereich der kunststoffisolierten Kabel die bestmögliche Klassifizierung erreichen.