Interview: Florian Sippel, Noris Network

Wettbewerbsfaktor Energieeffizienz

23. Juli 2025, 7:00 Uhr | Jörg Schröper
"Wir übererfüllen die vom Energieeffizienzgesetz geforderten Vorgaben seit über zehn Jahren – aus Umwelt-, aber auch rein wirtschaftlichen Gründen. Eine hohe Energieeffizienz ist in Rechenzentren – anders als beispielsweise in manchen Konzern-ITs, wo der Aspekt nicht direkt auf der Gewinnerzielung liegt – gleichzusetzen mit ökonomischem Erfolg", so Florian Sippel, COO beim Rechenzentrumsbetreiber und IT-Dienstleister Noris Network.
© Noris Network

Nachhaltigkeit und Energieeffizienz haben sich zu geschäftskritischen Faktoren entwickelt. Florian Sippel, COO beim Rechenzentrumsbetreiber und IT-Dienstleister Noris Network mit RZs in Nürnberg, München, Ingolstadt und Hof, stand Rede und Antwort zu Energieeffizienzgesetz und Nachhaltigkeit.

connect professional: Herr Sippel, mit dem Energieeffizienzgesetz hat die Bundesregierung im November 2023 die Grundlage für ein Effizienzregister für Rechenzentren ab einer elektrischen Anschlussleistung von 300 kW oder mehr geschaffen. Nun wurde die ursprüngliche Frist, der 15. März 2024, auf Ende des Jahres verschoben. Was bedeutet dies für große Anbieter wie Noris Network?
Sippel: Für uns hat das keine mittelbaren oder unmittelbaren Auswirkungen. Wir übererfüllen die vom Energieeffizienzgesetz geforderten Vorgaben seit über zehn Jahren – aus Umwelt-, aber auch rein wirtschaftlichen Gründen. Eine hohe Energieeffizienz ist in Rechenzentren – anders als beispielsweise in manchen Konzern-ITs, wo der Aspekt nicht direkt auf der Gewinnerzielung liegt – gleichzusetzen mit ökonomischem Erfolg. Entscheidend ist vielmehr, dass das Energieeffizienzgesetz nun auch die IT von Unternehmen und den Verbrauch von Verwaltungen, deren Kerngeschäft ja nicht den Rechenzentrumsbetrieb umfasst, in die Pflicht nimmt.

connect professional: Und wenn die vielen Vorgaben hinsichtlich Energieeffizienz, Energie- und Umweltmanagement, Auditpflicht, Nutzung von Abwärme, Energieeinsparmaßnahmen und klimaneutrale Stromversorgung nicht eingehalten werden?
Sippel: Dann dürfen diese Rechenzentren bald nicht mehr betrieben werden.

connect professional: Bedeutet das, dass man mit einem Sanierungs-Boom in der IT-Infrastruktur von Unternehmen und Einrichtungen der öffentlichen Hand rechnen muss?
Sippel: Es ist tatsächlich davon auszugehen, dass Unternehmen stark in ihre Infrastruktur investieren werden, weil sie es per Gesetz müssen. Allerdings stehen Organisationen nicht nur finanzielle Anstrengungen bevor, denn Rechenzentren bilden in der Regel das Herzstück des gesamten Geschäftsbetriebs. Bei einer umfassenden Sanierung besteht die Gefahr, dass der gesamte Betrieb zum Erliegen kommt. Und das kann sich heute kaum ein Unternehmen leisten. Demgegenüber reicht aber auch eine stückchenweise Modernisierung der IT-Infrastruktur sehr oft nicht aus, um den hohen Anforderungen des Energieeffizienzgesetzes zu entsprechen. Man kann also davon ausgehen, dass der Trend zur Auslagerung an IT-Dienstleister weiter zunehmen wird.

connect professional: Aber was bedeutet das Energieeffizienzgesetz konkret? Wie wird diese Energieeffizienz schlussendlich gemessen?
Sippel: Mit dem Energieeffizienzgesetz soll der Energieverbrauch in Deutschland bis 2030 um 26,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2008 sinken. Bund, Länder und Unternehmen werden verpflichtet, die dafür notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Dafür werden Informationen zum Energieverbrauch der Rechenzentren in einem öffentlich einsehbaren Energieeffizienzregister eingetragen, in dem sich Kunden informieren können. 
Um die Energieeffizienz messen zu können, wurde der PUE-Wert, die Power Usage Effectiveness, entwickelt. Diese Kennzahl wird berechnet, indem die gesamte Energie, die von einem Rechenzentrum verbraucht wird, durch die Energie geteilt wird, die für IT-Geräte wie Server, Storage und Netzwerkgeräte verwendet wird. Ein höherer PUE-Wert deutet also auf eine geringere Energieeffizienz hin, da ein größerer Anteil der Energie für Nicht-IT-Zwecke verbraucht wird. Der ideale PUE-Wert liegt bei 1,0. Das würde bedeuten, dass die gesamte Energie ausschließlich für die IT-Geräte verwendet und keine Energie für Kühlung, Sicherstromversorgung oder andere Infrastruktur verbraucht wird. Typisch für moderne, effiziente Rechenzentren ist der Wert 1,5, wir liegen mit unseren Rechenzentren bei einem PUE-Wert von 1,2 im Endausbau. Der harte Anschlag für die Einhaltung des Energieeffizienzgesetzes folgt dann im Jahr 2030. Ab dann darf es laut Energieeffizienzgesetz keine Rechenzentren mehr geben, die einen schlechteren PUE-Wert als 1,3 aufweisen.

connect professional: Was bedeutet das in der Praxis?
Sippel: Es wird neben der Tendenz zum IT-Outsourcing Cloud Computing eine Dezentralisierung stattfinden, hin zu kleinen, modularen Rechenzentren. Das ist im Übrigen auch ein Grund dafür, weshalb wir bei Noris Network kürzlich die Rechenzentrumsmanufaktur innovIT AG aus Seeheim-Jugenheim in die Unternehmensgruppe aufgenommen haben. Mit der Akquisition von innovIT erweitern wir unser Produktspektrum um die Fähigkeit, schnell und flexibel modulare Edge-Rechenzentren mit bis zu fünf Megawatt Leistung in Deutschland und international schlüsselfertig zu errichten und zu betreiben. Diese kleinen Rechenzentren passen auf einen LKW, enthalten alle Anschlüsse und sogar Klimaanlagen und können je nach Bedarf auf- oder abgerüstet und so woanders wiederverwendet werden. Die modularen Rechenzentren können sogar mit IT-Komponenten betriebsfertig geliefert werden. Alle Module werden vor Auslieferung im Werk getestet und einem Probelauf unterzogen. Und natürlich beugen sie sich mit einem PUE-Wert von 1,15 den Vorgaben des Energieeffizienzgesetzes.

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F.Sippel
"Wir kühlen unsere Edge-Rechenzentren mit direkter freier Kühlung, sparen uns also Wärmetauscher und filtrieren die Luft in einem zweistufigen Verfahren", so Florian Sippel, COO von Noris Network.
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connect professional: Wie ist dieser Wert heute möglich?
Sippel: Wir kühlen unsere Edge-Rechenzentren mit direkter freier Kühlung, sparen uns also Wärmetauscher und filtrieren die Luft in einem zweistufigen Verfahren. Die Abwärme geht nach außen und kann sogar dafür verwendet werden, Produktionshallen zu beheizen oder Nahwärmenetze mit Wärme zu versorgen. 

connect professional: Und das wäre mit großen Rechenzentren nicht möglich?
Sippel: Doch, nur bekommt man die Abwärme aus einem Multimegawatt-Rechenzentrum gar nicht los. Da bräuchte man neue Abnehmer wie große Gewächshäuser oder Wärme müsste transportiert werden, und das ist stark verlustbehaftet. Kleine Edge-Rechenzentren eignen sich dafür wesentlich besser. 

connect professional: Welche Herausforderungen sehen Sie als Energieexperte für die Energiewende und wie können wir sie erfolgreich meistern?
Sippel: Zunächst einmal führt kein Weg an der Wende vorbei. Denken Sie an den Green Deal der EU-Mitgliedsstaaten. Dabei handelt es sich um ein Paket politischer Initiativen, mit dem die EU auf den Weg gebracht werden soll, einen grünen Wandel zu vollziehen, um bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Es geht neben Fragen der Finanzierung also vor allem darum, welche Wege am schnellsten zum Ziel führen. Laut einer der Analyse Land for Renewables1 des Europäischen Umweltbüros (EEB) würden nur rund 2,2 Prozent der EU-Gesamtfläche benötigt, um die Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu errichten, die für einen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und der Kernenergie bis 2040 benötigt werden. Die große Herausforderung ist das Speichern dieser grünen Energie. Wir müssen also mehr Speicher bauen, um die konservierte Energie aus Wind und Sonne bedarfsorientiert abrufen zu können. Aber auch Wasserstoff, der sozusagen rückverstromt wird, wird als Energieträger an Bedeutung gewinnen. Unabhängig davon sind wir davon überzeugt, dass Rechenzentren ihr Potenzial als Primärregelenergieanbieter in den nächsten fünf bis zehn Jahren voll ausschöpfen können. 

connect professional: Vielen Dank für das Gespräch.


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