Netzwerkschränke

Die Zukunft ist schon mitbedacht

13. Februar 2007, 0:25 Uhr | Holger Janssen/dp

Unabhängig von der Größe der Installation und des Netzwerks benötigt jedes Unternehmen 19-Zoll-Schränke für Server, Massenspeichergeräte und Verkabelung. Dabei kann kein Schranktyp sämtliche Anforderungen einer Installation erfüllen. Bei der Auswahl eines Netzwerkschranks sind aber nicht nur offensichtliche Kriterien wie derzeitige und absehbare Anforderungen relevant, sondern er sollte auch erweiterbar und nachrüstbar sein. Denn wer weiß zum Beispiel, welche Servermaße in ein paar Jahren üblich sind?

Eine modulare Grundausführung bietet den Vorteil, dass der Anwender zum Beispiel die Bautiefe
eines Schranks an die aktuellen Gegebenheiten anpassen kann. Außerdem werden Server immer schwerer,
und die Gehäuse müssen dieser Entwicklung in Bezug auf Steifigkeit und Tragfähigkeit Rechnung
tragen. Zudem sollten Schrankhersteller berücksichtigen, dass immer mehr Anwender Betriebszustände
überwachen wollen oder Überwachungseinheiten für Sicherheitszwecke einsetzen müssen. Hierzu
benötigen sie entsprechende SNMP-Schnittstellen oder ein modulares Überwachungssystem mit
entsprechenden Messfühlern, Sensoren und Ein-/Ausgängen. Ein weiterer wichtiger Bereich ist die
Stromversorgung. Angesichts der Tatsache, dass pro Schrank etwa 10 kW erforderlich sind, ist ein
Schrank mit einer einzelnen 13A-Steckdose deutlich unterdimensioniert. Sinnvoller sind
zweckbestimmte Verteilertafeln mit einer Kapazität von bis zu 63 A.

Grundsätzlich untergliedern sich Netzwerkschränke in Verteilerschränke für die Verkabelung sowie
in Serverschränke für die aktiven Komponenten. Letztere enthalten neben Servern, Switches und
Routern, Massenspeicher-Arrays, Backup-Speicher, USVs sowie Baugruppenträger zur Stromversorgung
und Kühlung. Bei den Verteilern finden sich entweder offene Rahmengestelle oder geschlossene
Verteilerschränke. Die Rahmenlösung ist in den USA weit verbreitet, während Europäer traditionell
die Schranklösung bevorzugen. Aufgrund der Expansion großer amerikanischer Unternehmen in Europa
kam es in letzter Zeit zu einer steigenden Nachfrage nach offenen Rahmengestellen. Außerdem trennen
große Datenzentralen zunehmend den Verteilbereich räumlich von den Serverfarmen, um den Raum mit
hohem Kühlbedarf und damit den Energieverbrauch des Gebäudes zu reduzieren. Denn Verteiler erzeugen
im Gegensatz zu Serverfarmen keine nennenswerte Wärme und können außerhalb des klimatisierten
Gebäudebereichs untergebracht werden. Zudem lässt sich mit der getrennten Unterbringung der
Wirkungsgrad der Klimaanlage erhöhen, da sich der Temperaturunterschied zwischen kühler Zuluft und
warmer Abluft erhöht.

Kabelverteiler

Im Verteilerschrank werden die eingehenden Backbone-Verbindungen mit den einzelnen
Geräteanschlüssen verbunden. Dies erfolgt über Verteilerfelder (auch Patchpanels genannt), wobei
sich die dichten Reihen der Anschlussbuchsen auf der Vorderseite befinden, damit der Anwender
Umkonfigurationen problemlos vornehmen kann. Gleichgültig ob ein Unternehmen Rahmengestelle oder
Schränke verwendet, müssen die Kabel so geführt sein, dass sie nicht beschädigt werden und die
vorgeschriebenen Mindestbiegeradien einhalten. Damit der Techniker die Kabel zügig installieren
kann, benötigt er auf der Rückseite der Patchpanel einen guten Zugang. Vorne müssen die Kabel so
übersichtlich geführt sein, dass der Anwender sie problemlos identifizieren und umpatchen kann. Das
heißt auch, dass er über genügend Kabelspielraum verfügt, um entsprechend lange Patch-Kabel
einsetzen zu können, die den maximalen Abstand zwischen der Buchse ganz links oben und der ganz
rechts unten überbrücken können. Zudem ist zu beachten, dass die für höhere Bandbreiten
erforderlichen Kupferkabel der Kategorien 6 bis 7 aufgrund ihrer weit reichenden Schirmung dicker
und nicht so biegsam sind wie zum Beispiel ungeschirmte Kabel der Kategorie 5 und deshalb mehr
Platz benötigen. Um ausreichend Raum für Kabel zu bieten, muss ein Patch-Schrank deshalb einen
Grundriss von mindestens 800 x 800 mm haben. Damit nimmt er unter Berücksichtigung des Platzbedarfs
für die Türen auf der Vorder- und Rückseite effektiv 2400 x 800 mm Nutzfläche in Anspruch. Als
Faustregel für die vertikale Anordnung gilt, dass für jeweils zwei Höheneinheiten (HE) Patch-Raum
eine HE Raum für Kabelmanagement zur Verfügung stehen sollte, sodass einem 42 HE hohen Schrank mit
28 Patchpanels 672 Patch-Buchsen zur Verfügung stehen. Bei einem zwei Meter hohen Schrank nehmen
die 672 Patch-Buchsen ein Volumen von 3,84 Kubikmeter in Anspruch, was einem mit entsprechenden
Kosten verbundenen Raumbedarf von 0,0057 Kubikmeter pro Anschluss entspricht.

Ein Rahmengestell ist dagegen typischerweise nur 500 mm tief und braucht keinen Platz zum
Herausschwenken von Türen. Es ist 550 mm breit, wobei auf beiden Seiten zusätzlich 250 oder 350 mm
breite Kabelkanäle vorzusehen sind. Da das Kabelmanagement außen erfolgt und nicht direkt an den
Patchpanels, ist die gesamte Höhe frei verfügbar. So stehen in einer 42 HE hohen Einheit 1008
Buchsen zur Verfügung. Die Volumenberechnung für das Rahmengestell ergibt einen Raumbedarf von 1,25
Kubikmetern, was 0,0012 Kubikmeter pro Buchse und somit im Vergleich zum Schrank einer fünfmal
höheren Packungsdichte entspricht. Hinzu kommt die bessere Zugänglichkeit für den Techniker. Auf
den ersten Blick bietet sich somit für Patch-Anwendungen ein offenes Rahmengestell geradezu an.
Doch der physische Schutz ist der offensichtlichste und wichtigste Unterschied zwischen Schränken
und offenen Rahmengestellen. Und wer diese physische Sicherheit benötigt – und dazu zählt auch die
Zugriffsicherheit, kommt nicht um einen Schrank herum.

Zugriffsicherheit

Netzwerkschränke befinden sich normalerweise in Datenzentralen, Telekommunikationsräumen oder in
Bürobereichen. In all diesen Umgebungen, gleichgültig, ob sie eigensicher sind oder nicht, gilt es,
den Zugriff auf die untergebrachten Geräte zu beschränken. In Rechenzentren und insbesondere in
Anlagen mit Colocation-Betrieb, müssen sich Kunden darauf verlassen können, dass ihre Einrichtungen
sicher von denen anderer Kunden getrennt sind. So arbeiten viele Rechenzentrumsanbieter mit
Sicherheitskäfigen zur getrennten Unterbringung von Kundengeräten. Falls der Schrank im eigenen
Unternehmen in einem Telekommunikationsraum untergebracht ist, befinden sich dort oft weitere
Einrichtungen wie Brand- und Einbruchalarmsysteme oder Steuerkonsolen für Klimaanlagen, die von
anderem Personal gewartet werden. In solchen Fällen ist es sinnvoll, den Zugriff auf den
Netzwerkschrank zu beschränken. In Bürobereichen ist das Problem noch akuter, weil dort ein
unverschlossener Schaltschrank für alle Mitarbeiter zugänglich wäre. Als Kompromiss gibt es
neuerdings auch Rahmengestelle mit abschließbaren Türen zu den Patch- und Kabelkanalbereichen, um
so einen beschränkten Zugriff auf die Patch-Seite des Rahmens zu gewährleisten und trotzdem die
hohe Packungsdichte zu erreichen. Das Risiko versehentlicher oder vorsätzlicher Eingriffe auf die
Backbone-Seite des Rahmens ist begrenzt, da die Kabel einzeln auf der Rückseite der Patch-Buchsen
befestigt werden.

Zugriffsicherheit betrifft auch Serverschränke in besonderem Maße. Da Firmen in der Regel ohne
ihre Systeminfrastruktur nicht funktionieren können, müssen sie sicherstellen, dass nur
autorisiertes Personal auf die Server zugreifen kann. Die Lösungen reichen hier von einfachen
mechanischen Schlössern bis hin zu über das Netzwerk überwachten und remote verwalteten
vollelektronischen Sicherheitssystemen. Die Unterbringung aktiver Netzwerkkomponenten bringt für
Schränke vielschichtige Probleme mit sich. Das reicht von der Sicherheit über das Wärmemanagement
und mögliche Serverkonfigurationen bis hin zur mechanischen Belastbarkeit und zum Kabelraum. Hier
kommen nur geschlossene Schränke in Frage.

Am Beispiel Bladeserver lässt sich gut aufzeigen, wie schnell eine neue Technik Netzwerkschränke
an ihre Leistungsgrenzen bringen kann. Denn dieser Servertyp wird sehr warm, lässt sich nur
schlecht mit herkömmlichen Mitteln belüften, und durch die hohe Packungsdichte kommt es zu großen
Traglasten. Laut einer IDC-Studie vom letzten November haben Bladeserver zurzeit einen Marktanteil
von unter fünf Prozent am gesamten Servermarkt, doch ihre Wachstumsrate liegt bei über fünfzig
Prozent pro Jahr, und das in einem Markt der in den vergangenen 12 Monaten um etwa acht Prozent
zurückging. Sollten sich diese Wachstumsraten fortsetzen, werden sich die heutigen thermischen
Probleme noch weiter verstärken. Und selbst wenn dieser Servertyp von einer neuen Technik abgelöst
werden sollte, ermöglicht diese wahrscheinlich nur noch höhere Packungsdichten. Die Wärmeableitung
wird bei Serverschränken also auch in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Sie ist derzeit das
am schnellsten wachsende und schwierigste Problemfeld für alle Beteiligten in der Netzwerkbranche.
Denn im Moment werden meist 1-HE-Server ("Pizzaschachteln") eingesetzt. Somit muss das
Klimamanagement des Schrankes immer mehr Abwärme zunächst direkt von der Serverbox und dann vom
Schrank ableiten. Ein typischer 1-HE-Server erzeugt etwa 200 W Leistung; die immer beliebter
werdenden Bladeserverboxen enthalten dagegen 24 einzelne Server, von denen jeder 50 W erzeugt,
sodass die Gesamtlast 1200 W beträgt. Dies ist doppelt so viel wie bei drei 1-HE-Servern bei
gleichem Platzbedarf. In einem typischen 42-HE-Serverschrank mit fünfzig Prozent Auslastung kommt
es je nach Serverkonfiguration zu einer Wärmebelastung zwischen 4 und 8 kW. Während sich die
Mehrzahl der Anwender an den empfohlenen Grenzwert der Platzausnutzung von fünfzig Prozent hält,
müssen Schrankhersteller mit dem ungünstigsten Fall rechnen. Dies entspricht einer theoretischen
maximalen Wärmebelastung von 16 kW. Da in Zukunft keine Abnahme der Wärmeabgabe abzusehen ist,
gehen Schrankhersteller und Spezialfirmen für Wärmemanagement von bis zu 30 kW pro Schrank aus.

Eine mögliche Lösung sind Klimatüren wie sie mehrere Schrankhersteller im Programm haben. Doch
diese eignen sich derzeit nur für bis zu 18 kW. Und insbesondere Schränke mit zahlreichen
Wärmequellen benötigen eine ausgeklügelte Luftführung mit entsprechender vorangehender Analyse.
Denn Hotspots oder Wärmenester, Luftströmung von vorne nach hinten und von unten nach oben, warme
und kalte Korridore, Überlagerung, Rezirkulation und Totzonen erfordern vom Schrankkonstrukteur ein
gutes Verständnis von Strömungslehre und Thermodynamik. Bei Wärmewerten über 18 kW sind die
Konstrukteure derzeit jedoch an ihre Grenzen gekommen. Hier müsste der Anwender auf eine Lösung
zurückgreifen, bei der die lokalen Hitzenester über eine Luft-Wasserkühlung abgebaut werden, die
bis in die Geräte hinein reicht. Das schreckt zwar viele IT-Verantwortliche zunächst ab, doch noch
ist keine Alternative in Sicht.

Neben dem Klimamanagement spielt bei Serverschränken auch die mechanische Konfiguration eine
wichtige Rolle. Denn die 1-HE-Server haben von Hersteller zu Hersteller zahlreiche unterschiedliche
Detaillösungen. Dies betrifft zum Beispiel ihre Tiefe sowie die Einbauposition der
Teleskopschienen. So werden die Server immer tiefer und benötigen zum Teil schon Baugruppenträger
mit 1200 mm Tiefe. Das liegt nicht nur an den Servern, sondern auch an der inzwischen gängigen
doppelt redundanten Stromversorgung, die auf der Rückseite viel Raum für Stromverteilung und Kabel
benötigt. Wer sich nicht auf einen Serverschrank des Serverherstellers festlegen möchte, braucht
einen Schrank, der ohne große Modifikation Server aller größeren Serveranbieter aufnehmen kann.

Fazit

Netzwerkschränke müssen sich den jeweiligen Gegebenheiten anpassen können. Zu den wichtigsten
Erwägungen für Kabelschränke gehört ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Platzbedarf und
Sicherheit. Für Serverschränke kommen Möglichkeiten zur Nachrüstung, die zu erwartende thermische
Belastung und die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel des Serverherstellers hinzu. Aufgrund der
rasanten technischen Entwicklung in der Netzwerkbranche kann ein Schrank, der heute gerade noch den
Ansprüchen genügt, morgen zu einem Hemmnis werden. Deshalb sollten in die Spezifikation eines
Schranks auch die zu erwartenden künftigen Anforderungen einfließen. Außerdem ist es wichtig, dass
der Schrank erweiterbar und nachrüstbar ist. Denn niemand kann vorhersagen, was sich in den
nächsten zehn Jahren tatsächlich durchsetzen wird.


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