Kaum ein Thema im Bereich der Infrastruktur ist so häufig und ausgiebig in der Diskussion wie das Thema der IT-Gebäudeverkabelung. Schaut man sich die Verteilung der Investitionskosten in eine IT-Infrastruktur an, dann wird dem Anwender auch klar, warum dies so ist: Mit einem verschwindend geringen Anteil an den Kosten der Infrastruktur soll die Basis des Informationsflusses für einen langen Zeitraum gedeckt werden.
Verkabelungsstrecken liegen in Zwischendecken auf Kabelpritschen oder Unterböden und sind
gleichzeitig die Autobahn, auf der Echtzeitanwendungen im Bereich Fertigungsautomation, Voice over
IP und Videokonferenzen möglich werden. Die Rede ist von Kabeln sowie passiven Anschluss- und
Verteilerkomponenten, die etwa zehn Prozent der Kosten bei der Errichtung einer IT-Infrastruktur
erzeugen.
Sie sollen Reserven für die kommenden zehn bis fünfzehn Jahre bereithalten. Die Einführung von
10 Gigabit Ethernet über Twisted-Pair-Kupferkabel macht deutlich, wie rasant sich in den
zurückliegenden Jahren das Datenaufkommen und damit der Bedarf an Bandbreite entwickelt haben. Dank
der Festlegung der Leistungsfähigkeit von Einzelkomponenten in Kategorien und der
Übertragungsstrecken in Link-Klassen in der ISO/IEC 11801 im Jahr 2008 entsteht Planungssicherheit
bereits vor der Bauausführung.
In der Norm sind verschiedene Bereiche einer Verkabelungsstruktur definiert, woraus sich der
Einsatz der jeweiligen Übertragungsmedien klar erkennbar verteilt:
Bei der gebäudeübergreifenden Verkabelung sowie in der Verbindung zwischen den Etagen hat sich
die Glasfaser seit Langem durchgesetzt. Im Vergleich zum Kupferkabel bietet die Glasfaser
erhebliche Vorteile. Dazu gehören die große Bandbreite, die Möglichkeit, sie platzsparend zu
verlegen und ein geringes Dämpfungsverhalten, das die Überwindung großer Distanzen erlaubt. Hinzu
kommt bei Bedarf die Fähigkeit zur Direktverkabelung auf Etagenebene bis 300 Meter und damit
Einsparung von Etagenverteilern, Räumen, Energie- und Betriebskosten. Außerdem ist sie
unempfindlich gegenüber elektromagnetischen Einflüssen und nahezu abhörsicher.
Ihr größter Vorteil, die Unempfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Einflüssen, kann
allerdings auch gleichzeitig größter Nachteil sein. Sie kann keine elektrische Energie übertragen
und ist daher für den Einsatz von PoE-Anwendungen (Power over Ethernt, IEEE 802.3af-2003) nicht
anwendbar. Komponenten für FTTD-Anwendungen (Fiber to the Desk) sind durchschnittlich um den Faktor
2 teurer als Kupferkomponenten. Niemand kann in die Zukunft schauen und seriös argumentieren, wie
sich die Relation von Glasfaser- zu Kupferkabel bei der Tertiärverkabelung weiter entwickelt. Dies
hängt ganz entscheidend von den Bedürfnissen des Anwenders und den verwendeten Applikationen ab.
Eine Büroapplikation wird mit Sicherheit weniger Bandbreite benötigen als die Übertragung einer
Echtzeitsimulation in einem Forschungs-und Technologiezentrum. Auch das Sicherheitsbedürfnis des
Anwenders spielt in der Planungsphase eine entscheidende Rolle. So kommen Glasfasern auf der
Etagenverkabelung im medizinischen Umfeld bereits seit langer Zeit zum Einsatz.
Mit steigenden Datenraten und zunehmenden Bandbreitenbedarf entstanden auch neue Anforderungen
an die verwendeten Glasfasertypen. War vor zehn Jahren das so genannte Fast Ethernet (100 MBit/s,
IEEE 802.3u) das Maß der Dinge, stellt 10 GBit/s Ethernet neue Anforderungen an die Eigenschaften
von Glasfasern. Daher sind in der aktuellen Ausgabe der EN 50173-1 neue Faserkategorien definiert.
Mit der Arbeit der IEEE 802.3ba Arbeitsgruppe für 40-GBit/s (40G Base-SR4, 4?×?10G) und
100-GBit/s-Ethernet Anwendungen wurde deutlich, dass mit OM3-Fasern noch nicht Schluss sein konnte.
Darum spezifizierte im Herbst 2009 der TIA/EIA-Standardausschuss eine neue 50µm-Multimode-Faser,
nämlich OM4, mit einer effektiven modalen Bandbreite von 4700MHz*km. Dies trägt den bestehenden und
zukünftigen Anwendungen in Rechenzentren Rechnung:
Welche Faser für welche Applikation geeignet ist, stellt die Tabelle 1 dar.
Tabelle 1. Zusammenhang von Applikation, LWL-Typ und Reichweite.
Die Leistungsfähigkeit einer Glasfaser ist hauptsächlich durch ihr Dämpfungsverhalten und die
Bandbreite bestimmt. Koppelt ein Lichtimpuls in eine Glasfaser ein, wird dieser durch die
Materialeigenschaften abgeschwächt. Dies ist die Dämpfung oder der so genannte Dämpfungsbelag. Die
Bandbreite ist vom Dispersionsverhalten der Glasfaser bestimmt. Auf Grund des Dispersionsverhaltens
verändert ein eingespeister Lichtimpuls entlang der Lauflänge der Glasfaser seine „Form“: Je länger
die Faser ist, desto mehr „zerfließt“ der Lichtimpuls. Dieses Verhalten wird durch die so genannte
Modendispersion beschrieben, da das Licht (der Moden) unterschiedliche Wege für seine Ausbreitung
nimmt. Ein weiterer Einflussfaktor auf das Bandbreitenverhalten ist die Materialdispersion, die die
Brechzahl des Glases in Abhängigkeit von der Wellenlänge bestimmt und von den Materialeigenschaften
abhängig ist. Zudem ist auch bekannt, dass Licht durch Totalreflexion übertragen wird, in einer
Glasfaser also zwischen Kern und Mantel. Aber auch dort dringen Moden in den Glasmantel ein und
erhalten damit eine andere Brechzahl und damit ein anderes Dispersionsverhalten.
Dämpfungs- und Dispersionsverhalten einer Glasfaser sind nahezu direkt proportional von der
Länge der Glasfaser abhängig. Je kürzer eine Glasfaserstrecke ist, umso mehr erhöht sich die
Bandbreite. Damit ist auch klar, dass in der strukturierten Gebäudeverkabelung das Problem der
Bandbreitenverluste nicht auf der Ebene der kurzen Sekundär- oder Tertiärverkabelung zu sehen ist.
Bandbreitenreduktionen treten im Bereich der Campusverkabelung auf und an den Schnittstellen der
Kabelstrecken. Das Dämpfungsverhalten und die Bandbreite bei LWL-Rangierkabeln und Pigtails ist
dagegen durch die Qualität der Steckverbinder und nicht durch die Länge bestimmt. Die
Schnittstellen zwischen Glasfasern sind das eigentliche Problem am Bandbreitenlängenprodukt, wenn
sie nicht thermisch hergestellt werden.
Steckverbinder stellen grundsätzlich einen Schwachpunkt dar, besonders auch bei
Glasfaserverkabelung. Auch unter der Voraussetzung, dass der Steckverbinder als Einzelteil von
hoher Güte ist, an der Stirnfläche ist die Glasfaser ungeschützt. An dieser Stelle beeinflussen die
Umweltbedingungen den Übergang der Lichtmoden von einer Faser in die andere Faser. Die Diffusion
von OH-Ionen aus der umgebenden Atmosphäre in den Faserkern ist nur eine Frage der Zeit.
Verunreinigung, Streuverluste und Dämpfung sind die Folge. Hinzu kommen abbressive Einflüsse auf
die Stirnflächen der Glasfaseroberflächen, Exzentritäten der Kerne, unterschiedliche
Brechzahlprofile, Erschütterungen und temperaturbedingtes Dehnungsverhalten des Steckermaterials.
Alle haben Einfluss auf das Langzeit- und damit auf das Dämpfungsverhalten der
Glasfaserschnittstelle. Diese optischen und physikalischen Gegebenheiten sind bei Planung und
Betrieb einer Glasfaserinfrastruktur zu beachten.
An dieser Stelle stellt sich dann auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit von 25-jährigen
Garantieversprechen. Denn auf den Flaschenhals einer Glasfaserübertragungsstrecke, also auf den
optischen Übergang der Lichtmoden an der physischen Schnittstelle zweier Steckverbinder, gibt es
keine Garantie.
Wie soll man sich als Anwender nun entscheiden? Kupferkabel oder Glaskabel auf der Etage? Die
immer schneller werdenden Datenübertragungsraten haben den Markt in Bewegung geraten lassen, und
die Normierungsgremien sind bemüht, Planungssicherheit durch die Verabschiedung von Standards zu
schaffen. Die Normenreihe der EN 50173 unterteilt die Einzelkomponenten und installierten
Komponenten für diverse Anwendungen in jeweils fünf Gruppen (Tabelle 2).
Tabelle 2. Kategorien und Link-Klassen der Kupferverkabelung.
Bis zur Kategorie 6A kommt der abwärtskompatible Steckverbinder RJ-45 (IEC 60603-7-5) zum
Einsatz. Für alles, was darüber hinaus geht, gibt es die proprietären und zueinander nicht
kompatiblen Steckverbinder ähnlich RJ-45 nach IEC 60603-7-7 oder IEC 61076-3-104. Damit ist die
Bedeutung einer neutralen, systemunabhängigen Verkabelung erheblich eingeschränkt. Findet der
Anwender also keine aktiven Komponenten, die mit den geforderten Steckverbindern ausgerüstet sind,
benötigt er Adapterkabel. An dieser Stelle geht dann jedoch der erwünschte Bandbreitengewinn wieder
verloren. Bleibt in der Anwendung noch der Griff zu Verkabelungskomponenten, die den normierten
RJ-45-Steckverbinder nutzen. Und dort liegt eine große Schwachstelle: In Zeiten der Hochkonjunktur
für Klasse-D-Netzwerke (bis 100 MHz Bandbreite) war der RJ-45 leistungsmäßig noch nicht an seiner
Grenze. Mit der neuen Kategorie 6A stößt dieses Konzept jedoch an Leistungsgrenzen. Die Herstellung
eines Twisted-Pair-Datenkabels mit einer Bandbreite bis zu 1.200 MHz ist auf modernen Anlagen
möglich. Aber die Systemreserve bestimmt eben auch der RJ-45-Stecker, der das schwächste Glied in
der Kette darstellt. Dann kommt es darauf an, dass der Anwender zertifizierte und aufeinander
abgestimmte Komponenten einsetzt. Obwohl diese in der passiven Verkabelung nur etwa zehn Prozent
der Gesamtkosten ausmachen, sehen Käufer dabei häufig den größten Verhandlungsspielraum – mit
fatalen Folgen für die Leistungsfähigkeit des Netzwerks.