Interview mit SGI-Manager zur RZ-Kühlung

Kluge RZ-Architektur

30. September 2014, 6:00 Uhr | Dr. Jörg Schröper

Im LANline-Interview erklärt Bill Mannel, General Manager Compute Servers bei SGI, warum bei der Effizienz von Kühlsystemen immer noch Ausbaupotenzial besteht. Ohne ein optimales Zusammenspiel von Computing-Hardware und Kühlsystem lässt sich das Optimum nicht erreichen.LANline: Herr Mannel, laut dem Analystenhaus Experton kannten 2007 nur sieben Prozent der IT-Entscheider in Deutschland den Energieverbrauch ihrer Anlagen. In diesem Jahr sind es mit 85 Prozent deutlich mehr. Was hat dieses Umdenken bewerkstelligt, und wie wichtig ist Rechenzentrumsbetreibern aus Ihrer Sicht aktuell das Thema Green IT? Mannel: Unsere Kunden sehen das Thema Energieverbrauch im Rechenzentrum ganz unterschiedlich. Das hängt ganz simpel und einfach von den Kosten ab. Während in den USA Energie nach wie vor ein billiges Gut ist, ist Strom in Europa in den letzten Jahren immer teurer geworden. Außerdem sind dort die Energiekosten Teil des IT-Budgets. Auch das ist in den USA anders. Je weniger die IT-Abteilung also für Strom ausgibt, desto mehr Geld bleibt für die eigentliche Aufgabe, den Ausbau der IT-Infrastruktur, übrig. Wir sehen daher eine große Nachfrage in Europa und speziell in Deutschland nach energieeffizienter, grüner IT. LANline: Mit welchen Anforderungen auf Kundenseite werden Sie als Hersteller konfrontiert? Mannel: RZ-Betreiber treten an uns heran, wenn sie Hochleistungssysteme benötigen - für die Forschung, in der Entwicklung oder für Big Data Analytics. Sie betrachten zunächst die Leistung, und die hat ihren Preis, wenn es um Energieverbrauch geht. In Ausschreibungen wird uns deshalb häufig ein so genannter Power Envelope genannt. Das heißt, jeder Hersteller wird dazu aufgefordert, ein System mit einer bestimmten maximalen Leistungsaufnahme pro Knoten zu konfigurieren. Es geht also darum, die größtmögliche Server- und Speicherdichte zu erzielen, stromsparende sowie effiziente Komponenten zu verbauen und beim Design der Systeme die Hitzeentwicklung und -abfuhr zu beachten. Denn dies beeinträchtigt nicht nur die Leistungsfähigkeit der Systeme und die Durchschnittszeit zwischen Ausfällen, also also die Mean Time Between Failures, sondern hat auch Auswirkungen auf den Stromverbrauch für die Kühlung und Klimatisierung. LANline: Sie haben gerade Komponenten erwähnt. Welche Rolle spielt die Auswahl der richtigen Hardware? Mannel: Im Allgemeinen gilt, dass ein Server pro 100 Watt Leistungsaufnahme zusätzlich 70 Watt für die Kühlung benötigt. Die Komponentenauswahl ist also sowohl in Bezug auf die Stromkosten als auch den Aufwand für die Kühlung entscheidend. Für uns als Hersteller und für den Rechenzentrumsbetreiber als Kaufentscheider sind dabei Kennzahlen wie Leistung pro Watt im Falle von CPUs oder der Wirkungsgrad der Netzteile wichtig. Je höher der Wert in beiden Fällen ist, desto energieeffizienter arbeitet das gesamte System. Im Moment werden wir in Ausschreibungen standardmäßig aufgefordert, einen Wirkungsgrad von mindestens 90 Prozent nachzuweisen. Außerdem gibt es Komponenten beziehungsweise Technologien, wie zum Beispiel Flash-Speicher, die es uns erlauben, Systeme mit wesentlich kleinerem Footprint zu entwickeln, die also bei gleicher Leistung deutlich weniger Platz beanspruchen. Weniger Komponenten bedeuten im Umkehrschluss natürlich auch geringeren Energieverbrauch. Einen Schritt weiter gedacht, kann für Rechenzentrumsbetreiber daher auch die Virtualisierung von Servern, Storage und Desktops eine adäquate Alternative sein, um Strom zu sparen. LANline: Aktuelle IT-Trends wie Big Data und Big Data Analytics oder Server- und Desktop-Virtualisierung stellen IT-Verantwortliche vor die immer größere Herausforderung, viel Rechenleistung auf kleinstem Raum zu schaffen, und das mit möglichst geringer Energieaufnahme und geringstmöglichem Aufwand für die Kühlung. Auf was müssen sie bei der Auswahl energieeffizienter Systeme in erster Linie achten? Mannel: Zu allererst sollten Rechenzentrumsbetreiber evaluieren, ob die Applikationen die vorhandene Infrastruktur überhaupt effizient nutzen. Unsere Erfahrung zeigt, dass eine niedrige Auslastung der Hardware eher die Regel ist als die Ausnahme. In naher Zukunft werden Kennzahlen wie Leistung pro Watt und Wirkungsgrad noch wichtiger werden. Effiziente Komponenten sorgen gerade bei Hochleistungssystemen mit hoher Packungsdichte dafür, dass sich die Wärmeentwicklung in Grenzen hält und damit auch der Aufwand für die Kühlung, der ohnehin einer der größten Posten auf der Stromrechnung eines Rechenzentrums ist. Dabei spielt auch kluges thermisches Rack-Design eine wichtige Rolle. Denn wenn die Komponenten im Server effizient belüftet und gekühlt sind, verringert das auch den Gesamtaufwand für die Klimatisierung des Rechenzentrums. LANline: Platzsparende Hardware mit geringer Energieaufnahme ist aber nur die eine Seite der Medaille. Worauf müssen Rechenzentrumsbetreiber bei der Kühlung und Klimatisierung achten? Welche Aspekte spielen bei der Auswahl der perfekten Kühltechnik die entscheidende Rolle? Mannel: Kurz und knapp gesagt: Kosten und die räumlichen Gegebenheiten geben die Marschrichtung bei der Auswahl der Kühltechnik vor. Wer Platz hat und nicht auf die Kosten achten muss, kann die einfachste, aber auch ineffizienteste Methode wählen, die klassische Luftkühlung mit Kalt- und Warmgang und Kompressor-Kältemaschinen. Für Unternehmen, die ihre Rechenzentren wie Facebook, Yahoo oder Amazon in Gegenden und Ländern mit niedriger Umgebungstemperatur betreiben, kann dies aber durchaus eine Alternative sein. Optimierungsansätze gibt es auch hier. Zum Beispiel sind größere Ventilatoren deutlich effizienter. Einen Schritt weiter gehen wassergekühlte Rack-Türen, die immerhin 85 bis 90 Prozent der Abwärme abbauen können und nur mit geringen Zusatzkosten verbunden sind. Bis vor etwa drei Jahren war dies in den meisten Fällen ausreichend. Allerdings sind seitdem die Leistungsanforderungen an das Rechenzentrum und damit auch die Server- und Speicherdichte enorm gestiegen, sodass die Kühlleistung nicht mehr ausreicht. Die Lösung ist die sogenannte Cold-Sink-Technik, die sich in die Infrastruktur für die Warmwasserkühlung integrieren lässt. Dabei werden die Komponenten mit der größten Hitzeentwicklung, also die Prozessoren, durch Wärmeaustausch mit Kühlplatten heruntergekühlt. Die effizienteste, aber gleichzeitig aufwändigste und damit teuerste Alternative ist die so genannte Immersionskühlung. In einem geschlossenen Gehäuse sind alle Komponenten in eine thermisch, aber nicht elektrisch leitende Kühlflüssigkeit getaucht, beispielsweise spezielles Öl oder die von 3M entwickelte Kühlflüssigkeit Novec, die die Wärme aufnimmt und abtransportiert. Die Abwärme ist beispielsweise für die Gebäudeheizung nutzbar. LANline: Gibt es so etwas wie die optimale Kombination aus Kühlung und Hardware, die die beste Mischung aus Leistung und Energieeffizienz bietet? Mannel: Die Komponenten variieren natürlich, und eine intelligente Stromversorgung spielt ebenfalls eine Rolle. Aber grundsätzlich sind aus unserer Sicht wassergekühlte und lüfterlose Blade-Server in ebenfalls wassergekühlten Einhausungen die leistungsstärksten und gleichzeitig energieeffizientesten Systeme - dank hoher Packungsdichte, Warmwasserkühlung und wesentlich effizienterer In-Row-Kühl-Racks statt Ventilatoren. Außerdem lassen sich die zirkulierende Luftmenge sowie der Strombedarf der Kühlkomponenten effizient temperatur- und lastabhängig regeln. Sowohl was die Rechenleistung, die Kühlleistung, den Energieverbrauch, aber auch die Investitionskosten betrifft, ist dies im Moment die effizienteste Kombination. LANline: Wie kann man die langfristigen Auswirkungen auf die Gesamtbetriebskosten für Unternehmen in puncto Energieeffizienz quantifizieren? Mannel: Die wichtigste Kennzahl eines energieeffizienten Rechenzentrums ist die so genannte Power Usage Effectiveness. Diese Größe setzt die insgesamt im Rechenzentrum verbrauchte Energie ins Verhältnis mit der Energieaufnahme der Hardwarekomponenten. Der PUE-Wert ermittelt die Effizienz des Energieeinsatzes. Liegt er bei 1,0, geht praktisch keine Energie verloren. Ein Wert von 1,3 bedeutet zwar, dass 30 Prozent der Energie ungenutzt bleiben. Mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln ist dies aber ein sehr guter Wert, der sich auch mit überschaubaren Investitionen erreichen lässt. Der PUE-Wert ist aus meiner Sicht die entscheidende Kennzahl bei einer Rentabilitätsbetrachtung, denn daran erkennen Rechenzentrumsbetreiber, ob sie jeden Monat wertvolles IT-Budget an die Stromkonzerne verschwenden, anstatt es für den Ausbau der IT-Infrastruktur zu verwenden, die letztendlich Basis des Unternehmenserfolgs ist. Die Investition in Green IT bringt sicherlich keinen schnellen ROI. Aber mittel- bis langfristig schlägt man damit zwei Fliegen mit einer Klappe, nämlich mehr Leistung bei weniger Stromverbrauch. LANline: Welche Möglichkeiten hat ein RZ-Verantwortlicher, wenn er eine bestehende Infrastruktur schnell und kosteneffizient auf Energieeffizienz trimmen will? Mannel: Der einfachste und kostengünstigste Weg ist die Nachrüstung mit wassergekühlten Racks. Das setzt allerdings voraus, dass die IT-Verantwortlichen mit der aktuellen Leistungsdichte zufrieden sind. Wer mehr will, kommt um eine der exotischeren Kühlmethoden nicht herum. LANline: Herr Mannel, vielen Dank für das Gespräch.

Bill Mannel, General Manager bei SGI: "Der einfachste und kostengünstigste Weg ist die Nachrüstung mit wassergekühlten Racks."

Cell-Technik: Die hocheffiziente Kühlung von Server-Containern (Cells) setzt auf einen geschlossenen Kühlkreislauf auf Container- anstatt auf Rack-Ebene. Die Kombination von Wasser- und Luftkühlung ermöglicht innerhalb der Zelle eine höhere Packungsdichte.

Wasserkühlung: Bei der Wasserkühlung erfolgt die Kühlung im Server-Raum über Wasserschlangen (Water Coils) direkt am Server, entweder in Form von Türen an den Racks oder auch - noch effizienter - über Kühlplatten direkt an der CPU.

Luftkühlung: Traditionell setzen Rechenzentrumsbetreiber auf die Kühlung des Server-Raums per Klimaanlage (CRAC Unit). Die überschüssige Hitze leitet das System über Kühlgerät, Pumpen und Wärmetauscher aus dem Rechenzentrum - mit hohem Energieaufwand.

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