Überspannungsschutzgeräte richtig anschließen

Lehren aus der Praxis ziehen

29. Oktober 2015, 6:00 Uhr | Dipl.-Ing. Ulf Krüger, Planerfachberater bei Phoenix Contact Deutschland, www.phoenixcontact.de/ue-schutz./pf

Transiente Überspannungen entstehen durch Blitzeinwirkungen und Schalthandlungen sowie durch elektrostatische Entladungen. Sie stellen ein Gefährdungspotenzial für Personen sowie für elektrische Anlagen und Geräte dar. Der Einsatz geeigneter Überspannungsschutzgeräte ist deshalb längst Stand der Technik.

Die Praxis bietet eine Fülle von Beispielen dafür, dass bei einer nicht sachgerechten Auswahl und Installation der Überspannungsschutzgeräte (ÜSG) die zu schützenden Geräte oder Anlagenteile trotz der eingesetzten ÜSG beeinträchtigt oder sogar vollständig zerstört worden sind. Dieser Beitrag stellt die wichtigsten Aspekte des richtigen Anschlusses von ÜSG dar.
 
Einbauorte und Auswahl
Die Anordnung der ÜSG erfolgt am Übergang zwischen den Blitzschutzzonen (Lightning Protection Zone, LPZ), die in DIN EN 62305-4 (VDE 0185-305-4) definiert sind. Bei Gebäuden oder Anlagen mit einem Blitzschutzsystem sind Typ-1-Ableiter als erste Schutzstufe des Energieversorgungssystems am Übergang von LPZ 0A auf LPZ 1 zu installieren. Dies ist in der Regel der Gebäudeeintritt, oft aber auch die Hauptverteilung der Stromversorgung.
Sofern ÜSG Typ 1 zum Einbau vor dem Energiezähler vorgesehen sind, so muss dieser gemäß den Vorgaben der "Richtlinie für den Einsatz von Überspannungsschutzeinrichtungen Typ 1 in Hauptstromversorgungssystemen" erfolgen, auf die sich auch die "Technischen Anschlussbedingungen für den Anschluss an das Niederspannungsnetz" des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) beziehen. Danach sind im Vorzählerbereich ausschließlich ÜSG Typ 1 auf Funkenstreckenbasis zugelassen, die keinen Betriebsstrom durch Zustandsüberwachungen verursachen.
Bei Gebäuden oder Anlagen ohne Blitzschutzsystem sind am Gebäudeeintritt Typ-2-Ableiter zu installieren. Dies gilt auch für Verbindungsleitungen zu Installationen auf Dächern oder an Außenfassaden von Gebäuden - zum Beispiel Lüftungsanlagen. Weitere Typ-2-Ableiter sind am Übergang zwischen LPZ 1 und 2 zu verwenden. Dieser liegt in der Regel in der Unterverteilung der Stromkreisverteilung oder in der Einspeisung von Schaltschränken und Steuerungen an Maschinen. ÜSG Typ 3 lassen sich unmittelbar vor dem zu schützenden Gerät installieren. Dies verhindert, dass Überspannungen, die auf dem Leitungsweg vom vorgelagerten Typ-2-Ableiter bis zum Endgerät eingekoppelt werden, das Endgerät zer-stören können.
Bei sogenannten TT-Systemen ("Terre Terre") ist folgende Besonderheit zu beachten: Wenn defekte ÜSG, die direkt zwischen Außenleiter und Schutzleiter sowie vor dem Fehlerstrom-Schutzschalter installiert sind, dauerhaft leitend werden, können hohe Berührspannungen auf dem Schutzleiter auftreten, die sich weder vom RCD (Residual Current Device - Fehlerstrom-Schutzeinrichtung) noch von einer vorgelagerten Überstromschutzeinrichtung abschalten lassen. Um Personenschäden durch elektrischen Schlag zu verhindern, sind in TT-Systemen Überspannungsschutzeinrichtungen in einer sogenannten 3+1-Schaltung auszuführen. Dies bedeutet, dass zwischen Neutralleiter (N) und Schutzleiter (PE) eine N-PE-Funkenstrecke zum Einsatz kommt, die die Summe der in den Außenleitern und "N" fließenden Blitzteilströme zerstörungsfrei ableiten kann.
Die 3+1-Schaltung lässt sich aber ebenso in einem sogenannten TN-S-System ("Terre Neutre Séparé") verwenden. Was aber gilt im Fall eines TN-C-S-Systems ("Terre Neutre Combiné Séparé")? Dort ist im TN-C-Teil ein Überspannungsschutz in 3+0-Schaltung zu installieren.
Bis maximal 0,5 m nach der Aufteilung des kombinierten PEN-Leiters lässt sich dieser gemäß DIN VDE 0100-534 ebenfalls noch verwenden. Bei größeren Abständen ist ein Überspannungsschutz zu installieren, der auch Schutz gegen große Potenzialdifferenzen zwischen "N" und "PE" bietet. Dabei handelt es sich um eine 3+1- oder 4+0-Schaltung.
In informationstechnischen und signalverarbeitenden Anlagen kann nach IEC 61643-22/VDE 0845-3-2 abhängig von den Installationsbedingungen auch ein einziges ÜSG mit mehrstufiger Schutzschaltung zum Schutz aller LPZ zum Einsatz kommen. Dessen Installationsort befindet sich unmittelbar vor dem zu schützenden Anlagenteil. Zusätzlich kann auch in diesem Fall ein ÜSG am Gebäudeeintritt sinnvoll sein.
Unabhängig von Art und Bauform des ÜSG gilt, dass geschützte Leitungen auf der Ausgangsseite des ÜSG räumlich getrennt von den ungeschützten Leitungen auf der Eingangsseite zu verlegen sind. Andernfalls können durch induktive Einkopplungen Überspannungen in das System gelangen. Als ungeschützter Leiter gilt dabei auch der Erdungsleiter des ÜSG.
 
Querschnitt und Länge der Anschlussleitungen
Der Querschnitt des Erdungsleiters eines Typ-1-Ableiters beträgt gemäß DIN EN 62305-4 für Kupferleiter mindestens 16 mm2, für Überspannungsschutzgeräte Typ 2 mindestens 6 mm2. ÜSG vom Typ 3 für Informations-, MSR- (Messen, Steuern und Regeln) sowie Sende- und Empfangstechnik erfordern Erdungsleiter mit einem Querschnitt von mindestens 1 mm2. Gegebenenfalls sind die Querschnitte auch größer zu bemessen. Detaillierte Angaben dazu lassen sich den Einbauanweisungen für den Elektroinstallateur entnehmen, die der Packung des ÜSG beiliegen sollten. Häufig stehen sie auch auf der Website des Herstellers zur Verfügung. Stichleitungen von den Phasen oder dem Neutralleiter zum ÜSG müssen nach DIN VDE 0100-534 mindestens die gleichen Querschnitte aufweisen wie die Außenleiter des dazugehörigen Stromkreises.
Über die Forderungen der Norm hinausgehend sind jedoch für Ableiter Typ 1 und Typ 2 Querschnitte von mindestens 6 mm2 aus Kupfer zu empfehlen. Auch dazu lassen sich den Einbauhinweisen der Hersteller detailliertere Angaben entnehmen. Nach DIN VDE 0100-534 soll die Summe der Längen der Anschlussleitungen vorzugsweise 0,5 m nicht überschreiten, sie darf aber auf keinen Fall 1,0 m überschreiten (Bild 1).
Neben der sinnvollen Positionierung des Überspannungsschutzes, der Vermeidung von Leiterschleifen sowie der Nutzung leitender Schaltschrankwände für die Verbindung bietet auch die sogenannte V-Verdrahtung eine Möglichkeit, die wirksame Länge der Anschlussleitungen zu verkürzen (Bild 2). Durch zwei parallele Anschlussschächte lassen sich Phasen- und Neutralleiter in V-Verdrahtung direkt mit dem ÜSG verbinden - wie etwa bei der Baureihe Flashtrab Compact von Phoenix Contact (Bild 3).
 
Anschluss von Kabelschirmen
Zum richtigen Anschluss von ÜSG gehört auch die konsequente Umsetzung des Schirmungskonzepts. Denn Störungen lassen sich nur unterdrücken, wenn der Schirm beidseitig aufgelegt ist. Befinden sich jedoch beide Enden der Kabelschirme auf einem unterschiedlichen elektrischen Potenzial, können dadurch Ausgleichsströme über die Kabelschirme fließen. Speziell bei Daten- und Signalleitungen kann dies zu Störungen der Übertragung führen. In diesen Fällen sollten Kabelschirme nur auf einer Seite der Leitung direkt mit dem Erdpotenzial verbunden sein. Für den Überspannungsschutz lässt sich die andere Seite des Kabelschirms über einen gasgefüllten Überspannungsableiter indirekt erden.

Bild 2. Beim Anschluss von Überspannungsschutzgeräten in V-Verdrahtung verkürzt sich die wirksame Länge der Anschlussleitungen - damit ist nur noch die Länge des Erdungsleiters (C) zu berücksichtigen.

Bild 3. Bei diesem Überspannungsschutzgerät aus der Baureihe Flashtrab Compact von Phoenix Contact beispielsweise lassen sich starre Leiter bis 35 mm2 anschließen.

Bild 1. Die Anschlussleitungen müssen kurz gehalten sein - die Summe der Längen (A) und (B) sollte möglichst nicht mehr als 0,5 m betragen.

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