Kommentar: Entwicklungen im Geschäftskundenmarkt

Warum mich das Ableben von Ciscos Cius nicht froh macht

9. Juli 2012, 13:35 Uhr | Mathias Hein, freier Consultant in Neuburg an der Donau
Mathias Hein, Consultant

Der Niedergang des "Cisco Cius" ist weniger ein Sieg für Apple oder generell des Tablet-Marktes, sondern mehr eine Niederlage der Entwickler für den Business-Communications-Markt.

Ende Juni freuten sich wieder einmal eine Menge Konkurrenten von Cisco und die selbst ernannten Industrie-Experten über einen weiteren Misserfolg von Cisco. Fakt ist, dass Cisco den Stecker auf dem Cius-Projekt gezogen hat. Viele haben dies schon vor einiger Zeit prophezeit, aber mir persönlich tut das Ableben von Cius leid. Aus meiner Sicht war Cius ein fabelhaftes Produkt. Es war weniger für den Consumer-Markt bestimmt, sondern eindeutig als IP-Endpunkt konzipiert.

Allzu oft wurde Cius als Tablet-Device positioniert. Das Gerät sollte die Sprach- und Videokommunikation optimal unterstützen und wurde eindeutig im Business-Markt positioniert. Daher, so lautet die weit verbreitete Meinung, ist das Konzept gescheitert. Cisco versuchte Apple mit einem teureren, aber letztlich weniger flexiblen Gerät zu übertrumpfen. Das musste schief gehen.

Genau in dieser Sichtweise liegt das Problem. Cius war ein IP-Endpunkt, der sich an einer Cisco-PBX registrieren konnte, wie jedes IP-Telefon von Cisco. Cius war für die Business-Kommunikation in einem Unternehmen optimiert und konnte über WLANs genauso wie alle anderen Cisco-WLAN-Telefone kommunizieren. Darüber hinaus beherrschte das Gerät auch die Videokommunikation. Cius in Kombination mit der Docking-Station bot die Funktion eines VDI-Terminal (ebenso wie das VXC-6000 von Cisco). Es konnten auf dem Gerät auch zusätzliche Anwendungen (Cisco-Anwendungen, Partnern-Apps, Android-Apps) installiert werden. Cius war kein Tablet-Rechner, sondern war von Anfang an als Business-Tool für die Sprach- und Videokommunikation konzipiert und somit ein IP-Endpunkt, auf dem zusätzliche Anwendungen arbeiten konnten.

Als Cisco im Juni 2010 das Produkt zum ersten Mal angekündigte, hoben sich die Unterscheidungsmerkmale des Cius von den Wettbewerbsprodukten deutlich ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte Apple gerade die erste Generation des I-Pads für ein paar Monate auf dem Markt. Klar war das erste I-Pad ein Erfolg , denn es verkauften sich bereits am ersten Tag 300.000 Einheiten. Innerhalb weniger Wochen überstieg der I-Pad-Umsatz bereits die Millionengrenze. Aber das erste I-Pad hatte keine Kamera, so dass Videokonferenzen auf diesem Gerät nicht in Frage kamen. Es konnte darüber hinaus noch nicht einmal zum Telefonieren verwendet werden. Gegenüber dem I-Pad hatte der Cius noch klare Vorteile. Doch im Jahr 2011 kam das I-Pad-2 auf den Markt. Dieses Gerät verfügte über mehrere Kameras, schnelleren Prozessor und unterstützte alle vom Nutzer gewünschten Echtzeitanwendungen.

Cius war erst im Juli 2010 allgemein verfügbar. Nach sechs Monaten verkündete Cisco, dass bereits mehr als 1.100 Unternehmen Cius-Geräte gekauft hätten. Zum gleichen Zeitpunkt gingen die I-Pad-2-Verkäufe in die Millionen.

Zu dieser Zeit änderte sich auch die Cisco-Marketing-Botschaft. Es wurde klargestellt, dass es sich bei einem Cius nicht um einen weiteren Tablet-Rechner für den Consumer-Markt handelte, sondern eher um ein umfassendes Business-Kommunikations-Tool. Cius unterstützte Voice-over-WLAN,  die Video-Telefonie und auf dem Cius konnten Anwendungen von Drittanbietern arbeiten, wenn es sich dabei um XML-Anwendungen oder um Android-Apps handelte. Das interessante an Cius war, dass es in einem Gerät Sprache, Video, Mobilität, Apps unterstützte und einem Unternehmen die volle Konnektivität bot. Die Konkurrenten von Cisco haben und hatten in ihren Angebotsportfolios kein entsprechendes Gerät. Wahrscheinlich werden die Wettbewerber auch nie ein ähnliches Gerät anbieten. Heute ist bereits abzusehen, dass diese Unternehmen kein weiteres Interesse an einer solchen Entwicklung haben. Die wichtigste Frage dabei ist: : Wenn ein Unternehmen wie Cisco nicht den Fuß in die Türe des Marktes für IP-Endpunkte bekommt, wer dann?

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

  1. Warum mich das Ableben von Ciscos Cius nicht froh macht
  2. Woher kommt innovative Harware für den Geschäftskundenmarkt?

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Server, Datacenter

Matchmaker+