Dies ist jedoch nicht einfach zu beantworten, da sich aufgrund der unterschiedlichen Faseranzahlen und Kodierungen viele verschiedene Kombinationsmöglichkeiten ergeben. Hinzu kommt nun noch die Verwendung von unterschiedlichen Ferrulen-materialien. Die Erfahrung aus mehreren Begutachtungen zeigt Auffälligkeiten bei den durchgeführten OTDR-Messungen, wenn MPO- und MTP-Mehrfasersteckverbinder zusammengesteckt sind. Oft handelte es sich bei diesen messtechnisch ermittelten Abweichungen gegenüber der Vorgabe um Reflexionsfehler. Diese sind zurückzuführen auf die sich ergebenden geometrischen Abweichungen, wenn unterschiedliche Aderendhülsen zusammengesteckt werden. Man darf aber davon ausgehen, dass bei einer sorgfältigen Validierung von MPO- und MTP-Mehrfasersteckverbindungen auch eine Vermischung beider Techniken fehlerfrei funktionieren kann.
Dazu ist besonders wichtig zu wissen, dass neben den diversen Gehäusebauformen, wie sie in IEC 61754-7-x definiert sind, noch eine zweite normative Bauartbeschreibung für Mehrfasersteckverbinder existiert. Dabei handelt es sich für den Steckertyp MPO um den Standard IEC 61755-3-32 und für den Steckertyp MTP um den Standard IEC 61755-3-31. Innerhalb dieser beiden Standards sind die für den jeweiligen Steckverbindertyp geltenden geometrischen Anforderungen definiert. In den Standards sind noch weitere wichtige Details beschrieben. Neben den geometrischen Anforderungen an die jeweiligen Ferrulen oder Aderendhülsen sind dort auch die sogenannten „Bauformen“ festgelegt.
Wie den Tabellen der jeweiligen Standards zu entnehmen ist, bestehen an dieser Stelle deutliche Unterschiede zwischen den optischen Schnittstellen: Ist bei der Schnittstelle MPO eine Bauform mit zwölf Fasern in einer Reihe beschrieben, so sind im Vergleich bei der Schnittstelle MTP bereits vier mögliche Bauformen definiert.
Die Frage ist nun, was sich im Detail hinter diesen Codes der Bauformen verbirgt. Der jeweilige Standard beschreibt diese Codierung wie folgt: Der vierstellige Code der Bauform ist eine Kombination aus Werkstoff, Nennquerschnitt der Ferrule und Anzahl der Fasern. Die erste Stelle dieser Codes steht somit für den verwendeten Ferrulenwerkstoff. Die zweite Stelle steht kodiert für den Querschnitt der Ferrule und die letzten beiden Stellen repräsentieren die Anzahl der Fasern.
Schaut man sich aktuell Datenblätter von Herstellern dieser Mehrfaserstecksysteme an, dann fällt auf, dass diese Bauartbeschreibung der geometrischen Anforderungen dort oft nicht erwähnt ist. Daher verwundert es auch nicht, dass dann diese für die Beschreibung der Qualität doch so bedeutsamen Anforderungen nachfolgend oft ebenfalls nicht in Ausschreibungen von Fachplanern berücksichtigt sind. Aus diesem Grund ist es auch erklärbar, warum zu einem hohen Prozentsatz bei der späteren Abnahme Probleme im Zusammenspiel mit diesen Mehrfaserstecksystemen – insbesondere bei Vermischung der Schnittstellen – auftreten. Die Komplexität der erwähnten Unterschiede ist allerdings hoch und die normativen Verweise und auch die Zuordnung der vielen Begrifflichkeiten nicht ganz einfach. Die gezeigte Komplexität verdeutlicht, dass es nicht „den“ universellen Mehrfasersteckverbinder gibt, sondern dass es einer anwendungs- und anwenderspezifischen Selektion bedarf. Diese muss möglicherweise das Zusammenspiel mit bereits vorhandenen Steckverbindern (Bestandsverkabelung) umfassen, in jedem Fall jedoch muss auch die Bewertbarkeit der erforderlichen Qualität Teil dieses Auswahlvorgangs sein.
Die GHMT führte in ihrem akkreditierten Prüflabor eine Vielzahl dieser neutralen Validierungsprüfungen an Mehrfaserstecksystemen im Kundenauftrag durch. Auf Grundlage der dabei gewonnenen Erkenntnisse haben sich folgende vier Schritte zur Selektion und Validierung dieser optischen Schnittstellen abhängig von Anwenderwunsch und -vorgabe bewährt:
Schritt 1: Definition der Applikation,
Schritt 2: Festlegen der Faseranzahl und Kodierung,
Schritt 3: Auswahl der Bauform (IEC 61755-3-3x) und
Schritt 4: Beschreibung der Übertragungsklasse, Angabe der maximalen Dämpfung pro Koppelstelle (IEC 61755-3-3x).
Wie jedoch steht es um die Frage der Bewertbarkeit der Qualität? Zur Beantwortung ist zunächst zu klären, welche Prüfparameter, welche Prüfverfahren und welche Messmittel zur Bewertung der Qualität von Mehrfaserstecksystemen herangezogen werden müssen. Aufbauend aus den Erfahrungen mit der Bewertung von optischen „Single Ended“-Steckverbindern wie beispielsweise SC und LC sind auch bei den Mehrfaserstecksystemen die Prüfparameter Mikroskopie, Dämpfung, Reflexionsdämpfung und Interferometrie zur Ermittlung der jeweiligen Qualitätsstufe unerlässlich. Zudem sollten bei den Bewertungen der übertragungstechnischen Performance auch immer Alterungsprüfungen bei den Validierungsprüfungen einbezogen sein, da sich häufig mögliche Produkt- und Konfektionsfehler erst nach einer gewissen Lebensdauer feststellen lassen.
Bisher gibt es keine eindeutige, gleich definierte, transparente Qualifizierungsmöglichkeit. Jeder Hersteller oder Anbieter von Mehrfasersteckverbindern kann somit auf seine eigenen, von ihm definierten Prüfparameter und Qualitätsbewertungen zurückgreifen.
Eine vergleichbare und neutrale Qualitätsbewertung ist auf dieser Grundlage nicht gegeben. Wie bereits im Jahr 2013 für konfektionierte „Single Ended“-Lichtwellenleiter und 2015 für Lichtwellenleiter-Datenkabel erarbeitet, steht nun auch ein GHMT-Testplan zur neutralen und transparenten Bewertung von Mehrfaserstecksystemen zur Verfügung.
Im Lauf des Jahres 2019 bis Anfang 2020 erfolgten umfangreiche Validierungsprüfungen unter Teilnahme renommierter Hersteller von Mehrfaserstecksystemen zur Ableitung der nötigen Limits und Levels des neuen Testplans. Mehr zu diesen durchgeführten Validierungsprüfungen und dem resultierenden GHMT-Testplan für Mehrfasersteckverbinder erklärt Teil 2 dieser Artikelserie.
Bernd Jung ist Spezialist Cabling & Systems bei GHMT, www.ghmt.de.