Mit zwei Schreiben - die unterschiedlicher nicht sein konnten - hat Yahoo auf den Übernahmeangriff von Carl Icahn reagiert. Während Board-Chairman Roy Bostock versuchte, alles als eine reine Frage des Preises darzustellen, appellierte Yahoos CEO Jerry Yang an die Mitarbeiter, weiterhin an der Eigenständigkeit von Yahoo zu arbeiten. Analysten sehen inzwischen den Stuhl von Yang immer mehr gefährdet, da die Verhandlungen mit Microsoft vermutlich zu sehr von den Emotionen der beiden Yahoo-Firmengründer Yang und Filo geprägt waren.
Nach dem scharfen Brief von Carl Icahn an den Vorsitzenden des Yahoo-Boards Roy Bostock ließ
dessen Antwort nicht lange auf sich warten. Bereits am nächsten Tag reagierte er auf die Vorwürfe
von Icahn, der mit einem eigenen Team angetreten ist, um den gesamten Yahoo-Aufsichtsrat abwählen
zu lassen.
"Das gegenwärtige Board von Yahoo hat – und wird auch weiterhin – mehr im Interesse der
Aktionäre handeln, als die von Icahn aufgestellten Kandidaten", meint Bostock. So habe das Board
das Microsoft-Angebot in 20 Besprechungen diskutiert und sei einstimmig zu der Überzeugung
gekommen, dass Yahoo mehr Wert sei als die angebotenen 31 Dollar je Aktie. Auch die nur mündlich
angebotenen 33 Dollar wären nach Einschätzung des Boards zu wenig gewesen.
"Jerry Yang hat in unserem Auftrag bei einer Besprechung am 3. Mai in Seattle erklärt, dass man
bereit sei, zu einem Preis von 37 Dollar pro Aktie in konkrete Fusionsgespräche einzusteigen",
schreibt Bostock. Doch Microsoft habe stattdessen bereits wenige Stunden später erklärt, dass man
nicht mehr an einer Übernahme interessiert sei.
Bostock weist auch gleich zu Beginn seines Schreibens auf die größte Schwachstelle von Icahns
Übernahmeversuch hin: "Ich darf Sie höflich daran erinnern, dass gegenwärtig kein
Akquisitionsangebot von Microsoft, oder einer anderen Firma auf dem Tisch liegt", schreibt er
bereits im zweiten Absatz. Und er fügt hinzu: "Wir sind stets willens und bereit in jede
Kaufverhandlung einzutreten, die Yahoos vollen Wert für die Aktionäre sicher stellt."
Am Sonntag folgte dann die erste Reaktion aus Redmond, die genau diesen Punkt aufgreift. In
einem knappen Statement erklärt Microsoft darin, dass man verschiedene Alternativen für den eigenen
Ausbau des Online-Geschäftes prüft und verfolgt. Außerdem sei man möglicherweise nur an Teilen von
Yahoo interessiert und nicht an dem Gesamt-Unternehmen. Doch man behält sich ausdrücklich auch eine
komplette Akquisition sowie gar keine Aktionen vor, je nach dem wie sich die weiteren Gespräche
entwickeln. Mit diesem Statement verpflichtet sich Ballmer zu gar nichts, aber schürt die
Spekulationen nur noch weiter an.
In dem sehr langen Brief von Bostock an Icahn wird äußerst detailliert der Kalender der
Gesprächstermine zwischen dem Eingang des Microsoft-Angebots am 31. Januar und der Rücknahme der
Offerte am 3. Mai beschrieben. Dabei versucht Bostock die Gespräche so darzustellen, als wäre es
dabei immer nur darum gegangen, dass Microsoft nicht den geforderten Preis von 37 Dollar bezahlen
wollte.
Doch er erklärt an keiner Stelle, warum Yahoo diesen Betrag nicht schon viel früher verlangt
habe, sondern erst nach drei Monaten. Er erklärt auch nicht, warum Yahoo diese Forderung nicht
schriftlich vorgelegt habe. Denn diese Preis-Forderung wurde erst am 3. Mai morgens mündlich am
Flughafen Seattle von Jerry Yang und Yahoo-Mitgründer David Filo gegenüber Steve Ballmer und
Microsofts Plattform-Chef Kevin Johnson genannt. "Es war sicher keine gute Board-Entscheidung, die
Verhandlungen mit Microsoft den beiden emotional engagierten Firmengründern zu überlassen – wobei
Filo nicht einmal einen Sitz im Board hat", sagt Gordon Crawford, Portfolio-Manager bei Capital
Research Global Investors, in dessen Portfolio auch Yahoo-Aktien sind, die einen Anteil von sechs
Prozent ausmachen. Inzwischen gibt es auch die ersten Klagen gegen Yang und Filo. Zwei
Pensions-Fonds aus Detroit haben bereits gegen die beiden eine Milliarden-Klage wegen "unzulässigem
Verhalten im Rahmen der Gespräche mit Microsoft" eingereicht.
Doch viel schwerwiegender als die Differenzen über Preise und Gespräche ist Bostocks
Verschweigen der vielen anderen Themen und Problemen aus der Übernahmeschlacht. So wird mit keiner
Silbe auf die vielen sachlichen Bedenken eingegangen, die Yang immer wieder in den Vordergrund der
Diskussionen gerückt hat.
Auch die vielen Maßnahmen, die Yang mit Rückendeckung des Boards nach dem 1. Februar hektisch
eingeführt hat, werden nicht erwähnt. Insbesondere fehlt jede Stellungnahme zu dem von Yang
angedrohten Outsourcing des Anzeigen-Geschäftes an Google. Hier scheint Yang jetzt Druck zu machen.
Berichten der New York Post zufolge wurde schon am vergangenen Freitag ein Entwurf der Vereinbarung
fertig gestellt, und das Announcement soll bereits in dieser Woche erfolgen.
Diese Vorgehensweisen deuten auf tiefgreifende Differenzen zwischen dem Board-Vorsitzenden Roy
Bostock einerseits und dem Unternehmensgründer Jerry Yang andererseits hin. Während Bostock in
seinem Brief an Icahn alles so darstellt, als wäre es in den Verhandlungen nur um den Kaufpreises
gegangen, schrieb Yang am selben Tag einen flammenden Durchhalte-Appell an alle Mitarbeiter: "
Dieses ist der wichtigste Moment in unser Firmengeschichte. Yahoo ist ein großartiges Unternehmen,
das seine führende Rolle im Online-Werbemarkt weiter ausbauen wird." Darüber hinaus fordert er von
allen Mitarbeitern, sich "nicht durch Gerüchte und Spekulationen verunsichern zu lassen", sondern
weiterhin mit aller Kraft an der Umsetzung der von ihm erarbeiteten Strategie zu arbeiten.
Das deckt sich mit seinen Statements, als das Microsoft-Angebot noch auf dem Tisch lag. "Yahoo
kann sich als eigenständiges Unternehmen wesentlich besser entwickeln, als wenn es eine
Microsoft-Abteilung wird", lautete seine mehrfach wiederholte Einschätzung über eine Fusion mit dem
Softwaregiganten aus Redmond.
Und so mehren sich die Anzeichen, dass das eigentliche Problem des Deals nicht der Preis sondern
die Person Jerry Yang ist. "Es scheint die typische Gründermentalität vorzuliegen, die man häufig
auch beim bevorstehenden Ruhestand von mittelständischen Unternehmenspatriarchen vorfindet", sagt
Peter Falvey von Revolution Partners, einer Investment Bank in Boston.
Er glaubt, dass man schon bald einen Deal ohne Yang präsentieren wird. "Bostock und Icahn werden
alles versuchen, um eine Lösung ohne Kampfabstimmung auszuhandeln, und das heißt einerseits mit
Microsoft reden und andererseits den Einfluss von Yang begrenzen", lautet seine Einschätzung der
weiteren Ereignisse.
Das sieht Sandeep Aggarwal von Colins Stewart ähnlich: "Es gibt praktisch keine Alternative zu
diesem Deal. Microsoft hat keinen Plan B und sobald bei Yahoo die emotionalen Hemmschwellen
entfernt sind wird alles ganz schnell über die Bühne gehen." Jeffrey Lindsay von Sanford Bernstein
sieht das genauso: "Entweder kann sich das Board anpassen und schnellstmöglich wieder Verhandlungen
aufnehmen oder Icahn übernimmt den Laden mit seiner Mannschaft."
Harald Weiss/CZ/pk