Früher ein Kompendium unbegrenzten Wissens, heute für die Jugend nur ein Staubfänger. Trotzdem hat der Brockhaus immer noch Nutzwert, wie die Kopfnuss herausgefunden hat.
Wollte man früher Verwandte von der eigenen Belesenheit und seinem gebildeten Spießbürgertum überzeugen, musste man sich das Brockhaus-Lexikon zulegen. Die Folgen: ein 1,5 Meter langer und 70 Kilo schwerer Staubfänger in der heimischen Schrankwand – ohne die zahlreichen Sonderhefte, aber immerhin mit Goldschnitt. Die Botschaft: meiner ist länger und mir zweieinhalbtausend Euro wert.
Dann kam das Internet, mit ihm Wikipedia und damit der Tod für die bis dato geliebten und gedruckten Standardwerke. Die Enkel der einst so stolzen Brockhausbesitzer messen ihren sozialen Rang lieber anhand der Größe des Smartphone-Bildschirms. Je mehr Wikipedia-Text auf einmal auf den Bildschirm passt, desto schneller macht das Smartphone schlau – ist doch logisch Alter. Überhaupt stellt sich die Frage: wohin mit solchen Schinken? Statt Schrankwand prunkt der 300-Zoll-Fernseher im Wohnzimmer. Möbel, die früher als »Bücherregale« bekannt waren, sind zu Ladestationen zahlreicher Mobilgeräte geschrumpft worden.
Kritisch wird die Sache, wenn es um das Erbe geht. Weihen die Großeltern feierlich den Enkel ein, dass dieser nach ihrem Ableben den Brockhaus erhalten darf, sieht er die Sache skeptisch. Neben »was soll ich mit dem Zeug?« und »hab ich dafür im Keller noch genug Platz?« dürfte auch der inzwischen deutlich geschrumpfte Wert die Freude erheblich dämpfen. Vielleicht lässt sich ja der Goldrand abkratzen oder aus den Ledereinbänden neue Smartphone-Hüllen bei Dawanda herstellen? Zur Not könnte man aus den Seiten Kunstfiguren aus Pappmaschee herstellen und die gewinnbringend veräußern – trotzdem: wertgeile Erben schauen beim Brockhaus in die Röhre.
Doch den Brockhaus kann man leicht zweckentfremden – und ihn vielfach praktisch einsetzen. Nichts trocknet gesammelte Blätter an einem Herbstmorgen so gut wie ein Brockhaus. Ist der Monitor nicht ergonomisch und steht zu tief – einfach einen Brockhaus unterlegen. Schleudert der BMW im Winter, schafft ein Brockhaus als Gewicht auf der Hinterachse Abhilfe. Falls dann doch Schneeketten nötig werden, kann man dann auch ohne Netzempfang gleich nachlesen, wer diese praktische Winterhilfe eigentlich erfunden hat.