Abgefragt

7. April 2005, 0:00 Uhr |

Abgefragt. Gut 20 Jahre nach dem prognostizierten Eintreffen von Orwells Vision vom absoluten Schnüffel- und Überwachungsstaat, die er in seinem Buch »1984« schriftlich niederlegte, können wir zumindest in Deutschland beruhigt davon ausgehen, dass wir auch die nächsten 20 Jahre noch in Ruhe und Frieden unseren Geschäften nachgehen können.

Abgefragt

Dazu ist der als ideenlos verschriene deutsche Amtsschimmel nicht einmal auf so erprobte und vieltausendfach eingesetzte Tools wie Lotus-Notes angewiesen, nein, er schafft sich selbst seine eigenen Waffen. Der Beweis ist die Anwendungsvorschrift für die Kontenabfrage durch die Finanzbehörden: Hegt nämlich ein Sachbearbeiter den Verdacht, dass ein Steuerzahler weniger Steuern zahlen will, als er soll, dann muss er ihn zunächst einmal selber nach seinen Konten fragen. Fühlt sich der Finanzbeamte bei der Antwort auf den Arm genommen, muss er sich ein auf seinem Computer hinterlegtes Formular ausdrucken. »Er wird es per Hand ausfüllen oder in die Schreibmaschine einspannen müssen«, erklärte Nikolaus Gross von der Oberfinanzdirektion München gegenüber der Süddeutschen Zeitung das weitere Vorgehen.

Nachdem das Formular vom Amtsleiter unterschrieben ist, darf es dann per Post an das Bundesamt für Finanzen verschickt werden. Dieses Amt wiederum greift auf den von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen verwalteten Server mit Kontodaten zu, den die Banken seit 2001 zur Terrorbekämpfung und Geldwäschekontrolle bereitstellen. Die so ruck-zuck erledigte Anfrage mit der Antwort »Kontoinhaber: Bin-Laden, Osama, Volks- und Sparkasse Posemuckel« ? wohlgemerkt ohne Kontostand ? wird dann auf dem als vertrauenswürdig eingestuften Postweg wieder zurück an den Sachbearbeiter geschickt. Ob hier aus Kostengründen mittelfristig wieder auf die zuletzt etwas aus der Mode gekommene Postkarte gesetzt wird, diskutieren die Rechnungshöfe der Länder derzeit gerade. Ob für den Prozess auch IT-gestützte Angebote, etwa »Internet«, »Digitale Signatur«, »E-Mail« oder »Datenbankabfragen« verwendet werden dürfen, steht noch in den Sternen.

Die Entscheidung darüber kann erst gefällt werden, wenn die Umweltverträglichkeitsprüfungen für diese Technologien, die Feinstaub-Bilanz, die arbeitsrechtliche Unbedenklichkeitsprüfung ebenso wie die Verfassungskonformität und nicht zuletzt die Prüfung der Verträglichkeit mit den geltenden Datenschutzrichtlinien sowie die Rechtssprechungspraktiken aller EU-Länder geklärt sind.

Experten glauben, dass dies schon 2084 möglich sein wird.


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