Die Bayerische Staatsregierung sitzt in München und wartet nun schon seit einigen Jahrzehnten auf die göttlichen Eingebungen. Der Grund ist – dank dem Schriftsteller Ludwig Thoma – bekannt:
Engel Aloisius, einst Dienstmann 172 am Münchener Bahnhof, wurde nach seinem unerwarteten Ableben mit offenen Armen im Himmel aufgenommen. Da es dort aber weder Schnupftabak noch etwas Anständiges zu trinken gab, einigte er sich mit dem lieben Gott auf einen Vergleich: Ihm wurde die Aufgabe übertragen, die göttlichen Ratschlüsse der bayerischen Regierung zu überbringen, mit der Option, dann ein paarmal pro Woche auch im Hofbräuhaus vorbeischauen zu können. Leider versumpfte Aloisius dort ziemlich, so dass die Briefe niemals ankamen.
Aber das ist schon viele Jahre her, heutzutage verlässt sich der Himmel nicht mehr auf ausrangierte Dienstmänner mit Herzschwäche.
Die zunehmende Personalnot beim Bodenpersonal wird mit dem Einsatz modernster Technik wieder wettgemacht. In England, wo man schon 1534, damals unter Führung Heinrich des VIII, eigene Wege in Sachen Kirche und Gottesdienst einschlug, ist der Klerus von Rom unabhängig, aber zentral organisiert. Dort darf nicht jeder Dorfpfarrer am Sonntag in der Messe die Bibelstellen rezitieren, die ihm gerade so in den Sinn kommen: Zentral gesteuert flattern ihm die Predigten per VPN im elektronischen Geschäftsverkehr auf den Laptop.
Damit sich aber kein übereifriger Kirchengänger oder etwa die Konkurrenz von den Methodisten, Presbyterianern oder gar den Katholiken die Predigt über einen ungesicherten WLAN-Zugang vom Dienstlaptop saugt, sorgt das Church Publishing House dafür, dass die Gemeinden über die Branchensoftware »Visual Liturgy« mit dem neuesten Sermon versorgt werden. Eine Schlüsselrolle spielen hier die »Norton«-Produkte von Symantec, denen die Anglikanische Kirche – Gott allein weiß warum – vertraut: Sie sollen nach einem Update den Predigtversand, insbesondere »vlutils.dll« blockiert haben. Die Folge: Peinliches, ziemlich langes Schweigen am Sonntagmorgen in 4.000 Kirchen mit etwa einer halben Million Gläubigen. Die Auskunft auf dem Teleprompter neben der Kanzel »vlutils.dll konnte nicht geladen werden, bitte wenden Sie sich an Ihren Netzwerkadministrator oder beten Sie um Besserung« tröstete die wenigsten, da beides gewöhnlicherweise zu nichts führt – jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 72 Stunden.
Da durch die Störungsmeldung, die sich nur mittels Doppelklick auf die Kirchenmaus ausblenden lässt, auch der »Psalmengenerator 3.0« und die Liedgutverwaltung »Sunday, bloody Sunday 4.1« samt Karaoke-Funktion nicht zugänglich waren, musste improvisiert werden. Und da fiel den Briten auch nicht viel mehr ein, als dem Engel Aloisius: Ein paar Mal, »Hosianna«, ein paar Mal »Halleluja«, in engagierteren Gemeinden noch ein zaghaftes »Football’s coming home« oder »You’ll never walk alone« – damit war der Gottesdienst dann schon vorbei. Und während Aloisius das Hofbräuhaus aufsuchte, pilgerten die Engländer eine Stunde früher in den Pub, um bei einem leckeren, lauwarmen Bitter die Segnungen der Technik zu loben.
Halleluja Symantec, weiter so!