Angelockt
Angelockt. Jetzt im Frühjahr kommt wieder die Zeit, in der man gerne zeigt, was man hat: Kurze Röcke und schulterfreie Oberteile mit tiefen Dekolletés werden aus dem Schrank gekramt, anprobiert – und eine Diät wird beschlossen.
Soviel zu den Aktivitäten der weiblichen Hälfte der Menschheit, bei den Männern geht es da schon interessanter zu: Weil niemand haarige Beine, haarige Brustkörbe und haarige Schultern in Fußgängerzonen und Straßenbahnen sehen will, müssen sie sich auf andere Tugenden besinnen. Meist sind das solche, die ganz früh in der Menschheitsentwicklung ausgebildet wurden, als unserer Vorfahren noch als Jäger und Sammler durch die gerade erst vom Eis freigegebenen unendlichen Weiten Westfalens streiften. Etwa die Freude am Besitz von kuriosen Dingen, die sich auch prima zum Angeben eignen: Was früher ein Stein mit einem Loch in der Mitte oder ein besonders lustig geformter Ast gewesen war, ist für den gebildeten Weltmann von heute die Kunst.
Bestes Beispiel ist der französische Multimilliardär François Pinault, der jetzt in Venedig ein Museum eröffnet hat. Ursprünglich war Paris als Standort geplant, dort habe man ihm aber zu viele Schwierigkeiten gemacht, klagt der Superreiche. Warum ist klar, wenn man das Museum betritt: Was dort hängt, erinnert eher an das Foyer eines Kindergartens als an ein Kunstmuseum. Eine Stadt, in der die Mona Lisa den Museumsbesuchern zulächelt, hat es offenbar nicht nötig, mit dem gesammelten Krempel von Monsieur Pinault auf sich aufmerksam zu machen. So gesehen ist die Museumseröffnung nicht gerade ein Pluspunkt für Venedig. Vielleicht lässt sich von den Stadtvätern ja der chinesische Geschäftsmann Zhang Cheng, der jetzt bei Ebay für 24.730 Euro einen gebrauchten tschechischen Militärjet ersteigert hat, überzeugen, diesen in Venedig auszustellen.
Es ist nämlich noch unklar, ob die 1995 außer Dienst gestellte Maschine überhaupt nach China exportiert werden darf, derzeit steht sie nämlich im Städtchen Lewiston im US-Bundesstaat Idaho. Venedig hätte damit dann endlich auch eine Attraktion für das männliche Publikum. Bisher lockten stinkende Kanäle und schleimige Gondoliere ja eher das schöne Geschlecht an. Deutschland dagegen braucht keine Militärjets. Wir haben ja die Fußball-WM – und laut einem kürzlich ergangenen Gerichtsurteil dürfen wir das jetzt auch jedem sagen. Die Kunstmuseen bleiben im Sommer geschlossen, oder werden, wie jetzt in München, mit dem vom Stadion abmontierten Schriftzug »Allianz Arena« verziert. Ein Land ganz im Zeichen von König Fußball. Was aber, wenn Klinsmanns Dreamteam zum Alptraum-Team wird und in der ersten Runde ausscheidet?
Es wäre schlau, für diesen Fall eine zweite Schaufensterdekoration bereits in der Schublade zu haben: Zeitloses Material wie Pappaufsteller von Marilyn Monroe, Leuten am Strand oder eine bunte Sommerblumenwiese wären zu empfehlen. Und seien wir mal ehrlich: Irgendwie hat IT doch auch gar nichts mit Fußball zu tun, eher mit Tischtennis: Ein Spiel dauert kürzer als man denkt und am Ende gewinnen immer die Chinesen.