Arbeitszeit unter Kontrolle. In Nordrhein-Westfalens Finanzämtern werden Arbeitszeiten und Publikumsverkehr durch ein .Net-basiertes Software-Paket überwacht.
Der Hauptpersonalrat der nordrhein-westfälischen Finanzbehörden hat den flächendeckenden Einsatz des Behördeninformationssystems BIS gutgeheißen und damit grünes Licht für ein landesweites Lizenzabkommen zwischen dem Düsseldorfer Finanzministerium und dem Hersteller dieser Software, der Wuppertaler Firma B Time Visions, gegeben. Es war kein geschickt argumentierender Vertriebsmann, der die Personalräte überzeugte, sondern Regierungsrat Klaus Schiffer, ein Experte aus den eigenen Reihen. Schiffer, der im NRW-Finanzministerium für Automatisierungsfragen der Steuerverwaltung zuständig ist, sieht mehrere Gründe, die für dieses Produkt sprechen. Dazu gehört, dass dieses System allein in Nordrhein-Westfalen die Arbeits- und Urlaubszeiten von mittlerweile über 80000 öffentlich Bediensteten steuert und dass sein Einsatz auf breiter Mitarbeiter-Akzeptanz beruht.
Praxistauglichkeit
Schiffer beschreibt die heutige Lösung als ein elektronisches System, das, auf die Bedürfnisse von Behörden abgestimmt, Zeiterfassung, Arbeitszeitmodelle, Publikumsverkehr, Urlaubsverwaltung und Zugangskontrolle abdeckt. Gerade weil dies ein sehr breites Einsatzfeld sei, sei Praxistauglichkeit unabdingbar. Schließlich wolle jede Behörde eine flexible und trotzdem präzise, mit den geltenden gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Regelungen konforme und dabei aktuelle Verwaltung der Arbeits- und Freizeiten gewährleistet wissen. Zudem müssten sämtliche Buchungen auf Zeitkonten revisionssicher und für die Beteiligten transparent dokumentiert sein.
Laut Schiffer verlangt die Software dem IT-Experten eine Schulung ab, der Mitarbeiter-Betreuer benötigt eine Einweisung ? auch weil er in der Lage sein muss, Verbesserungswünsche zu formulieren und die vom Hersteller gelieferten Updates einzuspielen. Der normale Bedienstete habe mit der Lösung keinerlei Probleme. Holt sich beispielsweise ein Mitarbeiter seine Arbeitszeit-Auskunft auf den Bildschirm, so sind in ihr bereits die vom Erfassungsterminal registrierten Arbeitszeiten verarbeitet. Außerdem ist berücksichtigt, ob der Mitarbeiter seine tägliche Arbeit innerhalb des gesteckten Zeitrahmens (etwa von 7.00 Uhr bis 19.30 Uhr) leistet, Dienstgänge oder Dienstreisen absolviert hat, Voll- oder Teilzeit-Beschäftigter sowie Beamter oder Angestellter ist. Hat das System einen Beamten vor sich, so orientiert es sich automatisch an der jeweiligen Dienstaltersstufe und der entsprechenden Wochenarbeitszeit von 39 oder 40 oder 41 Stunden. Bei den Angestellten sind es derzeit 38,5 Stunden. Die einstellbare Obergrenze für Mehrarbeit kann auf Monats- oder Halb- und Jahresbasis bis hin zur Lebensarbeitszeit erfolgen. Als Lösung mit vollständiger Abbildung aller BAT-Regelungen ermittelt das System auf dieser Datengrundlage auch, welche Urlaubsansprüche ein Bediensteter hat. Ein Knopfdruck genügt, und es wird errechnet, für wen im Folgejahr Veränderungen anstehen. Für die Übernahme dieser Berechnungen genügt ein weiterer Knopfdruck.
Kombinierbare Module
Das Behördeninformationssystem, sagt Schiffer, überzeuge ihn auch wegen seiner modular und erweiterbar angelegten Architektur, die konfigurierbar sei. Eine Behörde könne somit ihre Module ohne Programmieraufwand nach Art von Bausteinen kombinieren und so ihre Arbeitszeitorganisation im System nachbilden. Die Mehrschichtigkeit der Architektur und die daraus resultierende Möglichkeit, die Software durch beliebig viele Endanwender nutzen zu lassen, kommt zudem den von Verwaltungseinheit zu Verwaltungseinheit variierenden Personalstärken entgegen. Als ähnlich wichtig wertet Schiffer die Tatsache, dass das System auf Microsofts Windows XP und .Net aufbaut und sich deshalb gut in vorhandene DV-Strukturen eingliedern lässt.
Externen Anwendungen (beispielsweise Personalinformations- und ERP-Systemen) können Daten aus der Zeitwirtschaft oder der Zutrittskontrolle zur Verfügung gestellt werden. Dies geschieht mit Hilfe der in das System integrierten Ereignisdatenbank. Mit ihr kann der Anwender zum Beispiel auch definierte Vorgänge anstoßen. Sollte ein Mitarbeiter etwa beim Verlassen des Arbeitsplatzes vergessen, sich vom Netzwerk abzumelden, so würde der Prozess, der das Ereignis »Person verlässt Gebäude« überwacht, dies erkennen und eine automatische Abmeldung veranlassen.
Schiffer weist auf einen weiteren Punkt hin: Das Verfahren kann mit beliebiger Erfassungshardware zusammenarbeiten. Diese für viele Behörden Investitionsschutz bedeutende Eigenschaft ist das Resultat des Systemmoduls OKS (Offenes Kommunikationssystem). Es stellt eine plattformneutrale Schnittstelle zur Verfügung und abstrahiert die Hardware gegenüber den Anwendungen. Letztere kommunizieren also nur mit virtuellen Terminals, die von unterschiedlichen Herstellern stammen können. OKS steuert und überwacht das Erfassungsnetzwerk rund um die Uhr und protokolliert Ereignisse in der Ereignisdatenbank.
Im Teilnehmerstamm des Systems werden die relevanten Daten einer an der Zeitwirtschaft teilnehmenden Person gepflegt. Diese Daten stehen automatisch allen Modulen zur Suche, Selektion und Sortierung zur Verfügung. Schiffer sieht darin eine wichtige Grundlage für die tägliche Arbeit, etwa für das Erstellen und Zuordnen der Soll-Arbeitszeiten. Dazu werde zunächst den Teilnehmern ein Kontenplanpaket fest zugeordnet, das die zu führenden Konten inklusive ihrer Eckwerte enthält, unter anderem für den Urlaub und den individuellen Arbeitszeitplan. Der fest zugeordnete Arbeitszeitplan lasse sich vorübergehend überschreiben. Ansonsten arbeite das System automatisch mit dem fest zugeordneten Arbeitszeitplan weiter.
Ein Arbeitszeitplan kann die Sollarbeitszeiten wie auch die Arbeitszeitrahmen vorgeben. Sind nur die Sollarbeitszeiten definiert, so kann der Teilnehmer die zu leistende Arbeitszeit in einem beliebigen (bei Bedarf auch eingeschränkten) Zeitfenster erfüllen. Flexibel ist die Lösung auch insoweit, als sie Pausen und Kernzeiten berücksichtigt. Da das System es zulässt, fest und temporär zugeordnete Vorgaben jederzeit, also auch nachträglich, zu ändern, kann rückwirkend in Kraft gesetzten Arbeitszeitvereinbarungen Rechnung getragen werden. Bereits verbuchte Meldungen werden dann an Hand der geänderten Vorgaben neu bewertet.
Workflow mit Potenzial
Potenzial hat nach Schiffers Einschätzung der integrierte mehrstufige Workflow. Viele Behörden nutzten ihn bereits, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, für Genehmigungsfälle. Ist eine Meldung genehmigungspflichtig, wird sie vom System erst dann verbucht, wenn sie über die gewünschte Hierarchie hinweg abschließend elektronisch genehmigt wurde. Das Bearbeitungsprotokoll zeigt dies revisionssicher an. Über den Mitarbeiter-Self-Service können sich die Behördenmitarbeiter jederzeit über die persönlich geführten Zeit-, Urlaubs- oder auch Mehrarbeitskonten informieren. Von ihnen eingegebene Buchungen und Urlaubsanträge gelangen automatisch und papierlos in ein vordefiniertes Genehmigungsverfahren, das mehrere Stufen beinhalten kann und auch Vertretungen berücksichtigt.
Jochen Ewe ist freier Journalist in Flintsbach am Inn.