Bei Tech Data beginnt die »Ära Klaus Schlichtherle« : Der Hoffnungsträger unter Hochdruck. Mit Klaus Schlichtherles Amtsantritt als Geschäftsführer von Tech Data Deutschland sollte alles besser werden. Die Restrukturierungsmaßnahmen seien abgeschlossen, volle Konzentration auf die Kunden. Höchste Zeit, denn der Broadline-Konzern leidet unter dem schwachen Europa-Geschäft und musste sogar eine Gewinnwarnung herausgeben. Gegenüber CRN verrät der neue Tech Data-Chef, wie er das Unternehmen wieder auf Vordermann bringen will.
Co-Autor: Martin Fryba
Klaus Schlichtherle kennt den Tech-Data-Konzern in und auswendig und versteht sich auf die Konzernpolitik. Dass der Chefsessel in der Münchner Deutschlandzentrale ein Schleudersitz ist, weiß er wohl. Auch dass sich das Geschäft in Deutschland zuletzt bedenklich entwickelte und der Münchner Broadliner Marktanteile an die Wettbewerber ? vor allem Actebis Peacock ? verlor, ist dem 41-jährigen Manager bewusst. »Es ist eine schwierige, aber reizvolle Aufgabe und eine große Herausforderung für mich, Tech Data in Deutschland zu einem erfolgreichen Unternehmen zu machen und eine führende Rolle im Wettbewerb einzunehmen«, erklärt Schlichtherle gegenüber CRN. Dass er der richtige Mann für diese schwierige Mission sei, davon ist er felsenfest überzeugt. Schließlich habe er zuvor als Leiter der Vertical Business Unit PC Supplies bei Tech Data International in Genf schon »den Turnaround geschafft«.
Seit Montag ist er der offizielle Nachfolger von Marcus Adä. Pünktlich zum Amtsantritt verkündete Schlichtherles Vorgesetzter, Zentraleuropa-Chef Thomas F. Huber, die von der US-Konzernzentrale verordnete Restrukturierung sei damit abgeschlossen. »Weitgehend zumindest«, räumt der neue Country Manager Schlichtherle ein, »einzelne Themen müssen noch fein justiert werden«. Beispielsweise bei der Integration des High-End-Netzwerkgeschäfts von Azlan in den VAD-Bereich Tech Data Midrange. Aber die Tech Data-Führungsmannschaft sei nun wieder komplett: Erik Walter bleibt als Vertriebsdirektor, neuer Marketing-Direktor ist William Geens. Die ehemals von Traudl Dawidowitsch wahrgenommenen Verantwortungen für Finanzen und Administration entfallen, da alle Back-Office-Funktionen im Rahmen der Restrukturierungsmaßnahmen auf Europa-Ebene zentralisiert wurden. Tech Data Europa ist nun in sechs Vertriebsregionen aufgestellt: Deutschland, Österreich, Schweiz und Tschechien (Polen soll noch hinzu genommen werden) bilden die Region Zentraleuropa und unterstehen damit Thomas Huber. Bereits realisiert wurden in Deutschland in Abstimmung mit dem Betriebsrat die Personalmaßnahmen. Genaue Zahlen zu den Entlassungen gibt Tech Data nicht bekannt. Doch seien letztendlich deutlich weniger Stellen abgebaut worden, als zunächst angenommen wurde. Wie aus dem Unternehmen zu hören ist, muss man von einer Zahl unter 80 Entlassungen ausgehen. Nach Bekanntgabe des Restrukturierungsplans für Europa kursierten noch deutlich höhere Zahlen.
Das Schlagwort »neue Tech Data« bemühte die Unternehmensleitung in den vergangenen Jahren, um verloren gegangene SMB-Reseller zurück zu gewinnen. Klar ist: Künftig wird es tatsächlich eine Tech Data mit neuem Gesicht geben.
Neben Marcus Adä und Traudl Dawidowitsch und Azlan-Chef Erich Glaeser gingen auch viele verdiente Manager der mittleren Führungsebene: Arija Djamschidi, Christian Gamper und zuletzt auch das Urgestein im Tech-Data-Marketing Udo Fußbroich. Die Zielsetzung von Huber/Schlichtherle bleibt freilich dieselbe wie unter Andreas Dürst und Marcus Adä: den SMB-Markt zurück erobern. »Unsere Orientierung geht ab sofort nach außen, auf den Kunden, die Hersteller und den Markt«, sagt Schlichtherle. Der Tech Data-Chef spricht vom »Turn-around« und will die »Ärmel hochkrempeln«. Das klingt nach Schwitzen und Kämpfen, zunächst muss Schlichtherle aber viele Gespräche führen. »Noch bin ich in der Bestandsaufnahme und spreche mit unseren Kunden, Lieferanten und natürlich den Mitarbeitern«, erklärt der Manager im Gespräch mit CRN.
Einen Schatten auf seine ersten Wochen beim Münchner Broadliner dürften allerdings die jüngsten Nachrichten aus der amerikanischen Konzernzentrale werfen: Obwohl Tech Data für das zweite Geschäftsquartal 2005, das am 31. Juli endete, seine Umsatzerwartungen bestätigte, brach am Mittwoch vergangener Woche die Aktie des Distributors im US-Handel um fast zehn Prozent ein. Denn nach vorläufigen Berechnungen werde der Nettogewinn zwischen 12,5 und 16,5 Millionen Dollar liegen, was eine Halbierung der vorhergesagten Spanne von 24 bis 27 Millionen Dollar für das zweite Quartal bedeutet ? Kosten für die Restrukturierung vor allem in Europa ausgenommen. Begründet wurde die überraschende Gewinnwarnung mit sinkenden Rohertragsmargen. »Während in der Region Amerika weiterhin eine gute Entwicklung zu verzeichnen ist, haben die Herausforderungen in Europa unseren prognostizierten Konzernertrag beeinflusst«, kommentierte Konzern-Chef Steve Raymund die Zwischenbilanz. Dass der Umsatz im zweiten Quartal am oberen Ende der vorhergesagten Spanne von 4,8 bis 4,82 Milliarden Dollar liegen werde, konnte den Kapitalmarkt kaum milde stimmen.
Raymund geht zwar davon aus, dass die in Europa eingeleiteten Restrukturierungen sich positiv auf die Geschäfte in dieser Region auswirken werden, doch mit kurzfristigen Ertragsverbesserungen ist kaum zu rechnen. Zunächst wird Tech Data in Europa, wie Ende Mai angekündigt, zwischen 40 und 50 Millionen Dollar in den nächsten Quartalen aufwenden müssen, die den Konzernüberschuss belasten werden.
INFO Kommentar
Nun tritt ein neuer Steuermann an, das Ruder bei Tech Data herumzureißen. Schon viele Vorgänger von Klaus Schlichtherle sind an dieser Aufgabe gescheitert. Das bedeutet nicht etwa, dass Marcus Adä das Zeug dazu gefehlt hätte. Seine Kompetenz ist unbestritten. Aber am »Moloch Tech Data« haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen.
Klaus Tech Data-Chef Klaus Schlichtherle sollte sich ? will er das Unternehmen wieder ganz vorne positionieren ? zwei entscheidende Qualitäten seiner Mitbewerber aneignen: Rückgrat gegenüber der Konzernleitung, Glaubwürdigkeit und Engagement gegenüber den Kunden.
Die deutsche Ingram Micro-Spitze hat sich gegenüber dem Konzern weitgehend emanzipiert und dafür sogar Lob von der Konzernleitung eingeheimst. Actebis Peacock hat nach der Restrukturierung viele verloren geglaubte Reseller im SMB-Bereich durch engagierte Vertriebsarbeit und Betreuung wieder für sich gewonnen. Das schafft Tech Data auch!