COS-Gruppe wird dezentralisiert

4. November 2004, 0:00 Uhr |

COS-Gruppe wird dezentralisiert. Die Gesellschaften der COS-Gruppe müssen künftig auf eigenen Füßen stehen. Mit allen Risiken. Wer patzt, die vorgegebene Eigenkapitalrendite nicht schafft, muss mit der roten Karte rechnen. Der Konzern beschränkt sich künftig auf Coaching, Controlling und Wachstumsfinanzierung. Ein Verkauf einzelner Gesellschaften ist möglich.

COS-Gruppe wird dezentralisiert

An Vorzeichen mangelte es nicht, die Weichen waren längst gestellt. Die COS Holding in Baden/ Schweiz zieht sich aus der zentralen Steuerung der Gesellschaften zurück (siehe CRN-Channelweb vom 28. Oktober). Verwaltungsratspräsident (Aufsichtsrat) Kurt Früh versteht die künftigen Aufgaben der Konzernleitung nur noch in der Wachstumsfinanzierung, im Coaching der Gesellschaften, im Controlling oder auch in Nebenleistungen wie »Ideen transportieren und Netzwerke zwischen den Unternehmungen knüpfen«. Das Badener Unternehmen strebt mittelfristig eine Eigenkapitalrendite von mindestens 15 Prozent an und wird aus diesem Grund ihr heutiges Beteiligungsportfolio innerhalb der nächsten zwei Jahre auf eine entsprechende Rentabilität trimmen. Mehr noch, der Verwaltungsrats-Chef erwartet von den einzelnen Gesellschaften, binnen zwei Jahren eine Eigenkapitalrendite von 20 Prozent. Das entspricht einer Umsatzrentabilität von etwa einem Prozent. Ein Ziel mit tiefgreifenden Einschnitten.

»Es muss an allen Rädern der Gesellschaften geschraubt werden«, gibt Früh unumwunden zu. Die COS Distribution in Linden liege derzeit bei 0,6 bis 0,8 Prozent. Der nicht unwesentliche Rest muss durch Kostenmaßnahmen erwirtschaftet werden. Dazu zählt er die striktere Orientierung an den kleinen und mittleren Kunden des Grossisten, das Gros der Kunden. Denn, so Früh, bei dieser Klientel biete sich über die bestehenden Zahlungsziele von etwa 30 Tagen eine Möglichkeit zur Verbesserung der Rendite. »Die kurzfristigen Zahlungsziele müssen optimiert werden, denn auch unsere Lieferantenverbindlichkeiten sind überwiegend mit bis zu 30 Tagen vereinbart.« Dagegen belasten Retailer und Handelsketten mit Zielen von 60 Tagen und mehr die Kapitalkraft des Großhändlers.

Aber dabei allein wird es der Konzern nicht belassen. Eine Maßnahme ist die Reduzierung des Herstellerportfolios von ehemals 130 Lieferanten auf etwa 100. Dagegen versichert Früh, dass das Produktportfolio zu 90 Prozent bestehen bleibe. Auch Personalabbau ist zu befürchten. Peter Becker, Vorstands-Chef des Grossisten in Linden, zögert im Gespräch mit CRN kurz mit der Antwort, um schließlich zu versichern, dass er die beste Mannschaft haben wolle. Und: freiwerdende Positionen werden nicht unbedingt wieder besetzt.

Kern der neuen Konzernstrategie ist die Auslösung der Gesellschaften COS Distribution AG, Avitos AG und Topedo GmbH in Linden, COS Distribution AG, Mägenwill (Schweiz), COS Distribution GmbH, Wiener Neudorf (Österreich), COS Memory AG in Florstadt sowie die Systemintegratoren COS Concat AG in Wallisellen (Schweiz) und Bensheim aus dem Konzernkorsett. Das bedeutet, alle zentralen Funktionen werden auf die Gesellschaften übertragen, die künftig unternehmergeführt sein sollen. Die Holding selber wird weiter abgespeckt, der Verwaltungsrat um Vorstände der Gesellschaft aufgestockt. Damit ist Becker dann doch noch mit Aufgaben in der Schweiz betraut, denn die Bereichsleitung Distribution wird mangels Distributionsbereiche entfallen. Zusätzlich wird Becker neben seiner Vorstandsfunktion der Distribution in Linden auch die Geschäfte des Internethändlers Avitos leiten.

Die Dezentralisierung der Gesellschaften sei laut Früh dringend nötig geworden. »Jedesmal wenn wir versucht haben, eine integrale Gruppenstrategie umzusetzen, mussten wir erkennen, dass nur schwer in organisationsorientierte und synergienutzende Manager transformieren lassen«, gibt er selbstkritisch zu.

Denn die Dezentralisierung im Konzern reicht bis in die feinsten Verästelungen der jeweiligen Firmenstrukturen. So müsse nicht nur jede Gesellschaft viel intensiver als in der Vergangenheit auf ihre Kosten achten und sie unter Kontrolle halten, sondern auch über Projekte wie die SAP-Einführung selbst entscheiden.

Die große Freiheit der Gesellschaften kann aber auch sehr schnell zu einem kläglichen Ende, sprich Verkauf, führen. Zwar schließen Früh und Becker dies »eigentlich« aus, geben aber andererseits zu, dass es diese Option gibt. »Können Wachstums- und Ertragsziele außerhalb der COS-Gruppe optimaler und schneller erreicht werden, so ist die COS bereit, den entsprechenden Firmen zu neuen Chancen zu verhelfen.« In der Vergangenheit, so Früh, wäre dieser Schritt viel schwieriger gewesen. Über Verkäufe habe man nicht nachdenken können. Nun aber sei dies viel einfacher, wenn eine Offerte ins Haus flattert.

Der Verwaltungsratspräsident ist überzeugt, dass sich die Gesellschaften in ihrer neuen, selbstständigen Rolle behaupten werden. »Wir glauben, dass Linden das Ziel erreicht«, sagt er dazu. Auch wenn das Distributionsgeschäft schwieriger geworden ist, und der große KMU-Kundenkreis sich nicht einfach verdoppeln lasse, gebe es Möglichkeiten zu wachsen. So könne sich Früh durchaus eine Fusion beispielsweise der Lindener Gesellschaft mit einem anderen großen oder mittleren Distributor vorstellen.

Sehr zufrieden äußert er sich über die Entwicklung bei COS Memory. »In den letzten beiden Jahren haben wir im Flashbereich so gute Ergebnisse erzielt, dass wir jetzt vor einer Wachstumsschwelle stehen.« Damit zielt Früh auf Export in andere Länder ab. Zugleich wird in Taiwan ein Büro eröffnet, um in der Nähe der Flashproduktion zu sein. Keine Änderung erwartet er bei Topedo. Das Lindener Unternehmen assembliere zu über 95 Prozent für COS. Ebenfalls Hoffnung hegt Früh bei den Distributionsunternehmen in Österreich und der Schweiz. In Österreich habe man mit einer um 50 Prozent reduzierten Mannschaft den Umsatz gegenüber dem Vorjahr leicht steigern können und in der Schweiz seien nach »drei Jahren Intensivstation« die Planzahlen erreicht worden und es wird in diesem Jahr ein positives operatives Ergebnis abgeliefert.

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Kommentar

Harte Zeiten für die COS-Gesellschaften. Wer unter der Holding überleben will, wird künftig richtig malochen müssen. 20 Prozent Eigenkapitalrendite bedeuten ein Prozent Umsatzrentabilität. Da stöhnen nicht nur die COS-Manager. Die meisten deutschen Distributoren träumen von solchen Ergebnissen. Obwohl die Kosten der Distribution nach solchen Zahlen rufen ? der Markt gibt sie nicht her.

Sind die Hürden deswegen so hoch, um sich schneller von einzelnen Firmen trennen zu können? Früh sagt nein, die Gesellschaften seien auf gutem Kurs. Trotzdem droht das Damoklesschwert des Ausverkaufs.

In Linden wird schon von Entlassungen gesprochen. 25 Mitarbeiter seien betroffen. Außerdem werden Einkauf, Vertrieb und Marketing der Distribution und des Internethändlers Avitos zusammengelegt. Da wird mancher Händler grollen.

Und die Konzernmutter? Sie wird sich auf Finanzierungen, ein paar Kontrollfunktionen sowie Verkäufe und Zukäufe beschränken. Das nennt man Dezentralisierung. Die Analysten wird?s freuen. Ob die COS-Gruppe daran Freude haben wird, bleibt abzuwarten.

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INFO

COS Computer Systems AG
Täfernstraße 11, CH-5405 Baden/Schweiz
Tel 0041 56 484-9100, Fax 0041 56 484-9393
www.cosag.com


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