CRM auch bei sozialen Diensten

9. September 2007, 6:15 Uhr |
Außer der Unfallhilfe leistet die JUH zahlreiche weitere soziale Dienste im In- und Ausland.

CRM auch bei sozialen Diensten Als eine von wenigen Organisationen, die nicht am Profit orientiert sind, setzt die Johanniter-Unfall-Hilfe auf professionelles Kundenmanagement.

Die Johanniter-Unfall-­Hilfe stützt sich wesentlich auf ­ehrenamtliche Tätigkeit von Bürgern.
Die Johanniter-Unfall-­Hilfe stützt sich wesentlich auf ­ehrenamtliche Tätigkeit von Bürgern.

Als die 83-jährige Luise Müller aus Regensburg voriges Jahr bei der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V., kurz JUH, anrief, um für das Wochenende den Menüservice abzubestellen, wurde sie mit Fragen bombardiert. »Vor allem ältere Menschen waren mit diesem Bürokratismus überfordert«, erinnert sich Andreas Hautmann, Landesvorstand Bayern bei der JUH in Unterschleißheim bei München. Inzwischen geht vieles einfacher. Denn seit Sommer 2006 hat die JUH in Bayern das Paket update.seven des Herstellers Update Software aus Wien für das Customer Relationship Mana­gement (CRM) im Einsatz. Die Bayern gehören unter den Non-Profit-Organisationen damit zu den Pionieren. Dass gemeinnützige Vereine oder auch Behörden großen Wert auf die Betreuung ihrer Kunden oder Klienten legen, ist noch nicht selbstverständlich. Kundenbindung ist in diesem Bereich ­heute meist ein Fremdwort. Aber zunehmender Wettbewerb um soziales Engagement und Spenden bei gleichzeitiger Verknappung öffentlicher Mittel sorgen bei gemeinnützigen ­Organisationen für Professionalisierungsdruck.

Großer Verwaltungsaufwand Die Software leistet dem Ordenswerk heute unverzichtbare Hilfe bei der Kunden-, Mitglieder- und Mitarbeiterverwaltung. »Ohne eine professionelle CRM-Lösung war die tägliche Arbeit kaum mehr zu bewältigen«, sagt Hautmann. »Um die riesige Datenmenge zu verwalten, war mehr nötig als bloßes Kontaktmanagement«, erinnert sich der Landesvorstand. Viele der Informationen waren in Word- oder Excel-Dateien gespeichert. Kaum jemand wusste, was in den anderen Kreis- oder Regionalverbänden los war. »Wir wollten erreichen, dass einheitliche Informationen landesweit zur Verfügung stehen und alle Mitarbeiter auf aktuelle Daten zugreifen können«, schildert Hautmann. Die Abläufe sollten verbessert werden. Ganz oben auf der Prioritätenliste stand für die Johanniter deshalb, das Call-Center mit Hilfe einer neuen Software zu modernisieren und Marketing-Aktionen professioneller und zielgerichteter abzuwickeln.

Industrie als Vorbild »Die Johanniter kamen im September 2005 mit einem Lastenheft zu uns«, erinnert sich Stefan Deppe, CRM-Berater beim dem IT-Dienstleister Sensix, der das Projekt begleitet hat. Nachdem das Beratungshaus und die JUH mehrere CRM-Produkte verglichen hatten, fiel die Wahl im März 2006 auf update.seven. Diese Software konnte am einfachsten an die Anforderungen der Non-Profit-Organisation angepasst werden: »Wir wollten uns an den Best Practices der Industrie orientieren und Update machte uns die Entscheidung durch jahrelange Branchenerfahrung einfach«, erinnert sich JUH-Manager Hautmann. Seit Ende Februar 2007 arbeiten in Bayern rund 500 User mit der CRM-Software und greifen auf einheitliche und aktuelle Daten zu. Dafür wurden alle Kundeninformationen in einer einzigen Datenbank zusammengeführt: »Sämtliche Mitglieder in Bayern sind erfasst«, berichtet Hautmann stolz. »Außerdem können die Daten der Sozialstationen sowie Hausnotruf- und Fahrdienste eingesehen werden«, ergänzt Deppe. Auch was die Aus- und Weiterbildung bei den Johannitern ­betrifft, sind die Mitarbeiter immer auf dem neuesten Stand. Findet beispielsweise ein Erste-Hilfe-Kurs in Würzburg statt, wird dies im System angezeigt, damit auch andere Mitglieder aus der Region teilnehmen können. »Dafür greifen unsere Mitarbeiter auf vorgefertigte Formulare zu, in die sie alle relevanten Informationen eintragen können«, schildert der JUH-Landeschef lebhaft. Das habe den Workflow enorm vereinfacht. Das CRM-Paket ermöglicht außerdem eine einfache Integration von Back- und Front-Office-Anwendungen. Eine Anbindung an Microsoft Outlook oder Lotus Notes wird durch Groupeware-Funktionen gewährleistet. Kontakte, Termine, E-Mails und Aufgaben können von jedem berechtigten Mitarbeiter eingesehen und synchronisiert werden. Vor allem das JUH-Service-Center in Kempten profitiert von der Lösung: Die Leute dort bekommen alle aktuellen Informationen über Kunden und Mitglieder in Echtzeit bereitgestellt und können während eines Gesprächs weitere Informationen eingeben. Auch das Auffinden von Telefonnummern, das Wählen selbst, Besetzt- und Nicht-Erreicht-Fälle und erneute Wählversuche werden unterstützt. Die Call-Center-Agents können sich dadurch auf ihre eigentliche Aufgabe, nämlich das Gespräch mit dem Kunden beziehungsweise Hilfsbedürftigen, konzentrieren.

Nützliche Marketing-Aktionen Auch in Sachen Marketing leistet die CRM-Lösung gute Dienste: »Wir sind zwar ein gemeinnütziger Verein, müssen aber dennoch profitabel arbeiten«, betont Josef Jindra, Bereichsleiter Marketing und Vertrieb in Bayern. Die Marketing-Abteilung steht deshalb vor denselben Herausforderungen wie Unternehmen der freien Wirtschaft. »Nur müssen wir Professionalität und Allgemeinnutz unter einen Hut bringen«, sagt der Manager. Saubere Kundendaten sind auch bei den Johannitern das A und O: »Nur wenn wir unsere Kunden kennen, können wir die richtigen Zielgruppen für unsere Mailings finden und ansprechen«, weiß der Marketing-Mann. Mit der CRM-Lösung ist es nicht nur möglich, die Kunden nach ihrer Vertragssituation – beispielsweise Hausnotruf, Menüservice oder ambulante Pflege – zu gliedern. Sie können auch nach Schlagworten wie »Spender« oder »Mitglied« selektiert werden. Spendenaufrufe landen dadurch nur in den Briefkästen derer, die bereits in der Vergangenheit Interesse an solchen Aktionen gezeigt haben. Informationen über eine Erweiterung des Angebots beim Menüservice bekommen nur diejenigen, die diese Dienstleistung tatsächlich beziehen. Jindra resümiert: »So vermeiden wir teure Streuverluste.« Auch die Verwaltung von Kampagnen wird erleichtert: Sämtliche Aktionen und Termine zu Telefon-Marketing, Direct Mailings, Veranstaltungen oder Umfragen können mit wenigen Klicks abgefragt werden und sind übersichtlich dargestellt. Nicht zuletzt lässt sich der Erfolg von Marketing- und Vertriebsaktivitäten kontrollieren und messen.

Bayern als Vorbild Weil der Roll-out der Update-Lösung gut funktioniert hat und man sich großen Nutzen von der Professionalisierung und Kundenbindung verspricht, wollen die anderen Länder nachziehen. Die Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. in Berlin hat deshalb beschlossen, das Produkt bundesweit einzuführen. »Bis Mitte 2009 werden wir insgesamt 2500 CRM-Arbeitsplätze einrichten«, berichtet Andreas Hautmann, der als Projektleiter auch die bundesweite CRM-Einführung verantwortet. Nach Bayern sollen als nächstes Baden-Württemberg, Niedersachsen, Bremen, die Region Nord sowie Berlin und Brandenburg folgen, danach Sachsen, Thüringen und der Rest der Republik. »Die Anforderungen in den einzelnen Ländern sind recht unterschiedlich«, weiß Hautmann. Während in Bayern Call-Center und Marketing im Fokus sind, stehen beispielsweise für die Niedersachsen Vertriebssteuerung und Controlling im Mittelpunkt. »Jedes Land erhält zwar eine individuell angepasste ­Lösung, doch alle basieren auf den bundesweit verabredeten Rahmen­bedingungen«, berichtet der Projektleiter. Auch die eingesetzten Technologien werden in den einzelnen Re­gionen unterschiedlich aussehen: Während die meisten Länder die Client-Server-Installation nutzen werden, greifen Niedersachsen und Bremen aller Voraussicht nach über das Internet zu und verwenden die Web-Version von update.seven. »Im übernächsten Schritt ist auch geplant, analytische Funktionalität auf Bundesebene zu ermöglichen«, skizziert der Manager. Er sieht kein Problem darin, die einzelnen Länder auf das gleiche Niveau zu heben: »Der Roll-out ist auf 30 Monate angelegt. Bis dahin wird alles reibungslos funktionieren.« Für Hautmann steht fest, dass sich das CRM-Modell der Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. auch auf andere Non-Profit-Organisationen übertragen lässt: »Gerade in diesem Bereich ist eine integrierte Sicht auf alle Geschäftsprozesse wesentlich. Schließlich sind Transparenz und Qualität bei der Erbringung des jeweiligen Auftrags meist öffentlich einsehbar.« Professionalität ist schließlich kein Privileg profitorientierter Organisationen.

Sabine Roth ist freie ­Fachjournalistin in Würzburg.


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Matchmaker+