Menschenskind, das waren noch Zeiten als die alte Rockröhre Nina Hagen der Verblödungsmaschine Fernsehen solch unvergessliche Zeilen widmete: »Ich schalt’ die Glotze an.
Die Daltons, Waltons, everyone. Ich glotz’ von Ost nach West. Ich kann mich doch gar nicht entscheiden. Ist alles so schön bunt hier! Ich glotz’ TV (sie glotzt TV). Ich glotz’ TV (sie glotzt TV). Wau!«
Nina hat die Sache auf den Punkt gebracht: Fernsehen macht blöd. Aber bisher hatten wir zumindest die Freiheit, unseren TV-Konsum ohne größere Restriktionen mehr oder weniger individuell zu gestalten. Also praktisch frei nach dem Motto: Jeder Mensch ist seines Glücks eigener Schmied. Mit der Einführung von HDTV – für die krisengebeutelte CE-Branche das wichtigste Zugpferd seit der Einführung der DVD – soll dies nun anders werden: Was sich die Industrie und die Inhalte-Anbieter da ausgedacht haben, ist ein Lehrstück darüber, wie man Kunden so effektiv wie nur möglich vergraulen kann. Es fängt damit an, dass es bisher für den neuen so genannten HD+-Standard kaum Geräte zu kaufen gibt. Und bei den wenigen HD-Receivern, die bisher auf dem Markt sind, weiß man leider als Kunde nicht so genau, ob diese später auf HD+ aufgerüstet werden können. Nun gut, solche Dinge mögen zuweilen passieren, es kommt aber noch viel, viel besser!
Was könnte eigentlich, abgesehen von den an Dummheit kaum noch zu überbietenden Inhalten, die uns täglich von diversen überflüssigen Sendern präsentiert werden, Fernsehen noch unerträglicher machen, als es ohnehin schon ist. Über diese Frage haben die Verantwortlichen des HD+-Standards lange gebrütet, bis ein kluger Kopf auf die brillante Idee kam, dass man beim neuen digitalen Fernsehen doch nun eigentlich auch die Mittel hätte, um einer kleinen elitären Truppe von noch nicht restlos verblödeten TV-Zuschauern, die keine Lust hat, sich durch endlos lange Werbeblöcke zu quälen, dieses für die Werbewirtschaft eigentlich nicht länger hinnehmbare anarchomäßige Verhalten endlich auszutreiben. Gesagt, getan: Der neue Standard ermöglicht es nicht nur, festzulegen, welche Inhalte überhaupt noch aufgezeichnet werden können, sondern auch wie lange diese auf der Festplatte des Endkunden zugänglich bleiben sollen und last but not least, – George Orwell lässt ganz herzlich grüßen – darf der so genannte mündige TV-Konsument in Zukunft auch keine Werbeblöcke bei aufgezeichneten Inhalten mehr überspringen. Kein Witz, keine Satire, sondern schon bald Realität in unzähligen deutschen Wohnzimmern.
Liebe CE-A-Brands und Broadcaster, das mit der HD-Revolution habt Ihr Euch wirklich ganz toll ausgedacht. Dem abschließenden Urteil eines CRN-Lesers, der sich selbst als passionierten Heimkino-Fan bezeichnet, bleibt eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. »Lieber Gott, bitte mach, dass dieser Kelch bald an uns vorübergehen möge.« Amen!