Dienstleistungen der Distribution: Die Rechnung, bitte!

8. Dezember 2005, 0:00 Uhr |

Dienstleistungen der Distribution: Die Rechnung, bitte!. Die Distributoren haben sich auf die vielfältigen Anforderungen ihrer Handelspartner eingestellt: Der ITK-Handel ist mit dem Service-Angebot seiner Lieferanten zufrieden. Doch Margenverfall und Preisdruck zwingen viele Grossisten darüber nachzudenken, welche Dienstleistungen künftig noch als kostenlose Basisleistungen erbracht werden können, und welche Mehrwert-Leistungen man den Resellern in Rechnung stellen muss.

Dienstleistungen der Distribution: Die Rechnung, bitte!

Co-Autor: Samba Schulte
Als absolute Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit mit einem Distributor betrachten die ITK-Fachhändler die logistische Leistungsfähigkeit des Lieferanten. Im Rahmen der regelmäßigen Reseller-Befragung CRN Channeltracks nennen die Befragten die Lieferfähigkeit, kurze Lieferfristen und die Lieferzuverlässigkeit als die wichtigsten Basisleistungen der Distributoren. Knapp dahinter folgen die RMA-Abwicklung, das wettbewerbsfähige Pricing sowie die Aktualität von Preisinformationen. Während die Fachhändler bei der Bewertung der Distributoren-Leistungen ihren Lieferanten in der Regel in punkto Logistik ein sehr gutes Zeugnis ausstellen, gibt es bei der Beurteilung des RMA-Services oder des Pricings im Durchschnitt eher schwache Noten. Trotzdem kann man feststellen, dass die Zufriedenheit der Fachhändler mit ihren Großhändlern steigt: In der jährlich durchgeführten großen Distributoren-Leistungsschau der Computer Reseller News haben die Grossisten im Oktober 2005 wieder deutlich bessere Händlernoten als in den Jahren davor erhalten. Die über 2.700 befragten Reseller wählten 34 Unternehmen zu den deutschen Top-Distris. 19 Grossisten erhielten sogar die Sonderauszeichnung »CRN Excellent Distributor« ? mehr als je zuvor (siehe dazu das Sonderheft Distribution Extra 2006 sowie CRN 41/Titel). Der Trend scheint klar: Die Distributoren setzten zuletzt wieder verstärkt auf Kundennähe und Kundenbindung ? und davon profitierte der Handel.

Doch klar ist: Auf Dauer kann es sich kaum ein Distributor leisten, mit kleinen Margen zu arbeiten, die Prozesse stetig zu optimieren und doch gleichzeitig ein breites und qualitativ hochwertiges Service-Angebot zum Nulltarif anzubieten. »Ich kann nicht verstehen, warum immer wir alles tragen sollen: Jedes Produkt zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar haben, schnell liefern, und dann noch jede nur erdenkliche Unterstützung leisten; natürlich kostenlos«, diese Beschwerde hört man immer häufiger aus Distributionshäusern. Tatsächlich erwarten Handelspartner mittlerweile weit mehr von ihren Distributoren als die bloße logistische Leistungsfähigkeit: »Zunächst müssen wir als Distributor das richtige Produktportfolio für die jeweilige Handelsgruppe bereit halten, sie zeitnah und vollständig über Produkte und Lösungsmöglichkeiten informieren, die Beschaffung über Telefon, Fax oder E-Commerce einfach gestalten und die Ware fristgerecht an den vorgegebenen Ort liefern. Zusätzlich tragen wir noch Sorge für eine einfache Retourenabwicklung im Falle eines Produktdefekts sowie für die Unterstützung bei der Absatzfinanzierung durch speziell auf den Bedarf des Handels zugeschnittene bankenunabhängige Lösungen«, fasst Gerhard Schulz, Sprecher der Geschäftsführung von Broadliner Ingram Micro, zusammen. Darüber hinaus erwarten Fachhändler und Systemhäuser gerade bei komplexen Artikeln und Lösungen noch zahlreiche weitergehende Services von ihren spezialisierten Distributoren. »Neben der reinen Logistik sind zusätzliche Dienstleistungen unbedingt erforderlich: Im Wesentlichen fungieren wir auch als Schulungspartner, Know-how-Träger, Integrator und als After Sales Service-Unternehmen mit vielfältigen Dienstleistungen im Bereich Technischer Support und RMA-Abwicklung«, zählt Andreas Brandl, Marketingdirektor von Storage-VAD CPI, auf.

Und zu dieser Vielfalt an Dienstleistungen werden künftig sicherlich noch eine Reihe weiterer Leistungen hinzukommen. Darüber sind sich die Distributoren durchaus im Klaren. »In Zukunft wird beispielsweise die Direktlieferung zum Endkunden unter Verwendung des Logos des Fachhandelspartners mit Sicherheit enorm wachsen. In den USA werden 75 Prozent aller Auslieferungen bereits in dieser Art und Weise abgewickelt«, weiß Klaus Schlichtherle vom Münchner Broadliner Tech Data. Und Torsten Seiferth, Gesamtvertriebsleiter bei Actebis Peacock, erwartet, dass »E-Business künftig eine unverzichtbare Leistung der Distribution sein wird, und zwar mit einem deutlich größeren Leistungsumfang, als wir dies heute schon praktizieren«. Freilich erwartet sich die Distribution gerade durch den steigenden Anteil über das Web aufgegebener Bestellungen wiederum Kosten- und Prozessoptimierungen. Doch muss bei solchen Angeboten der Fachhandel erst noch mitziehen. Dass dem nicht immer so ist, musste Seiferth gerade beim Thema E-Business erfahren. »Wir haben viele EDI-Projekte, auch XML, angezettelt. Zuerst waren die Händler begeistert. Als sie aber feststellten, dass die von uns angebotenen Leistungen auch von ihnen einen gewissen personellen Aufwand erforderten, zogen sich viele Fachhändler wieder zurück.«

Bei so vielen Aufgaben wird es manch einem Grossisten schwindlig. Vor allem wenn er an die Kosten denkt. Die Großhandelsbranche macht sich ernsthaft Gedanken darüber, wer all die Leistungen in Zukunft bezahlen soll. Dabei gehe es nicht um selbstverständliche Dinge wie Versand im Namen Dritter oder Finanzierungsprogramme, die Actebis-Manager Seiferth zu jenen Leistungen zählt, »die eigentlich jeder von uns anbietet und damit kaum Unterscheidungsmerkmale zum Mitbewerb aufzeigen«, sondern um Mehrwerte, für die entweder die Hersteller oder auch die Fachhändler selbst stärker zur Kasse gebeten werden sollen. Denn selbst manche Händler erkennen mittlerweile, dass das Mehr an Leistungen nicht immer kostenfrei sein kann. Frank Garrelts, Vorstand der Händlerkooperation Akcent Computerpartner, plädiert in Konsequenz für eine »vernünftige Preisliste bei Dienstleistungen, die über die Basisleistungen hinausgehen. Damit würden nur jene Händler für den Mehrwert zahlen, die ihn auch benötigen«. Garrelts packt damit gewiss ein heißes Eisen an, aber gerade bei den Gesprächen mit seinen Kooperationspartnern hört er durchaus Verständnis heraus. Ebenso wie auch Jürgen Rakow, der neben dem Distributionsgeschäft von Adam Riesig auch der Marke Yakumo und der Vobis AG mit etwa 100 Franchisenehmern vorsteht, glaubt: »Innerhalb der Wertschöpfungskette können die Kosten für umfangreiche Dienstleistungen nicht nur auf einer Schulter getragen werden.«

Deshalb ist Avnet-Chef Gerhard Hundt überzeugt, dass in einigen Jahren ein Modell aus den USA nach Deutschland überschwappen wird, wonach Fachhändler, die keine Dienstleistungen benötigen, die Produkte zu einem günstigeren Preis erhalten. »Wer Leistungen braucht, der hat andere Konditionen oder Rahmenbedingungen. Ingram Micro hat in den USA solch ein Modell bereits gestartet.« Auf jeden Fall werde der Punkt kommen, wo man die Dienstleistungen nicht mehr so anbieten könne, wie dies heute noch der Fall sei. »Die Frage ist nur, ob die Leistung bezahlt wird oder ob sie wegfällt«, schließt Hundt. Sofern ein Servicewunsch ohne Kosten und Mehraufwand für den Distributor machbar ist, wird dieser wohl auch künftig kostenlos weitergegeben werden. Mehraufwand für Sonderfälle aber werden berechnet werden, da diese Einzelfälle nicht in die Preiskalkulation für Alle einfließen können. Das sind, wie Andreas Brandl von CPI präzisiert, »hochwertige Dienstleistungen wie Consulting, Konzeption, Integration, Testcenter, Second Level Tech Support«. Ebenso würde Support heute schon separat berechnet oder über die jeweiligen Hersteller refinanziert. Gerade Value Add Distributoren, deren Handelspartner im Projektgeschäft eine Rundum-Betreuung für komplexe Lösungen benötigen, setzen längst auf bezahlte Service-Qualität. Zum kostenpflichtigen Service-Angebot des VADs Magirus gehören beispielsweise Schulungen, Consulting oder Integrationsservices vor Ort. »Diese Services können unsere Partner auch an ihre Endkunden vermarkten und dabei verdienen«, erklärt Frank Weber, DACH-Geschäftsführer von Magirus. Service müsse nun mal bezahlt werden, das gelte ebenso für Dienstleistungen, die der Handelspartner dem Kunden anbiete. Weber ist überzeugt, dass mit reinem Warengeschäft mittlerweile kaum noch Profit zu machen ist.


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